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das ist ein GNM+ ArtikelEmpathie lernen: Für konstruktive Lösungen, online und offline

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von | 28. Juni, 2024

Gegen Hass im Internet, eskalierende Diskussionen und fehlende Empathie: Ein guter Umgang mit sich selbst und anderen kann erlernt werden.

Ich bin sauer. Ja, geradezu fassungslos. Kann immer wieder nicht glauben, welch rücksichtslose Kommentare Menschen in sozialen Medien hinterlassen. Wie Debatten immer und immer eskalieren. Wie es einer Person unmöglich erscheint, die Gedanken und Gefühle einer anderen nachzuvollziehen. Das muss doch auch anders gehen.

Jedes, wirklich jedes Mal, wenn ich bei einem Post in die Kommentare wechsele, erschlägt mich die bewusste Aneinanderreihung tief verletzender Worte und die Vielzahl an Menschen, die für ihre eigene Position offenbar so sehr kämpfen, dass ihnen die Gefühle anderer zweitrangig erscheinen. Oder noch schlimmer: Sie  sprechen anderen Menschen ihre Emotionen vollständig ab.

Vor Kurzem erst, als die Debatte um das Video auf Sylt aufflammte, bin ich auf ein Video feiernder Menschen auf der Insel gestoßen – nein, ich rede nicht von dem Video. Dem Video, in dem feiernde junge Menschen rassistische Parolen grölten.

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Negative Kommentare sind in den sozialen Medien keine Seltenheit mehr. / Quelle: depositphotos.com

Ich rede einfach nur von einem Video, auf dem Menschen am Strand Spaß haben und die Person, die das Video gepostet hat, sich an der schönen Erinnerung erfreut hat. Über zweihundert Kommentare waren unter dem Post zu finden, fast kein einziger enthielt etwas Positives. Stattdessen reihte sich der Vorwurf, Menschen aus wohlhabenden Verhältnissen würden auf Sylt feiern, während der Rest der Welt mit „wahren” Problemen zu kämpfen hätte, an die Unterstellung, eben jene Menschen wären der eigentliche Auslöser für Rassismus und den Anstieg von Rechtsextremismus.

Es scheint, als wäre mit feiernden jungen Menschen nun ein neuer „Bumann” gefunden worden, an dem der eigene Frust abgelassen werden kann. Vorgestern waren die jungen Sylter:innen, gestern die 16- bis 21-Jährigen, die am besten gar kein Wahlrecht bei den Europawahlen haben sollten. Schließlich gäbe es dann auch keinen Rechtsruck (Spoiler: Die Stimmenanteile für rechtsextreme Parteien waren bei den Europawahlen über alle Altersgruppen nahezu gleich verteilt). Das Problem ist wie immer komplexer, aber geurteilt wird häufig zu Ungunsten kleiner Gruppen.

Andere Blickwinkel einnehmen

Während ein rauer und verletzender Umgang online für viele schon zur Normalität gehört, nimmt auch offline die Bereitschaft, Grenzen zu überschreiten, immer weiter zu. Mobbing betrifft laut Pisa-Studie 2022 über zehn Prozent der 15-jährigen Schüler:innen in Deutschland. Und auch Mobbing am Arbeitsplatz ist weit verbreitet. 33 Prozent aller Erwachsenen haben in ihrem Leben schon einmal Mobbing erlebt.

Die Zahl derer, die schon einmal einem hasserfüllten Kommentar in den sozialen Medien standhalten mussten, ist dagegen vollkommen ungewiss. Dennoch gibt es erstaunlich wenige Studien, die zeigen, wie Empathie in der Online-Welt gefördert werden kann – und das, obwohl gerade dort oft das Einfühlvermögen fehlt. Trotz umfangreicher Recherche ließ sich nur genau ein Ratschlag finden: Nämlich, dass Anbieter sozialer Medien Interaktionen besser regulieren sollen. Genau die tun sich aber in der Regel sehr schwer damit, unangebrachtes Verhalten zu unterbinden. 

Aber ich wäre nicht ich, wenn ich mich nun mutlos in die Ecke verziehen würde. Stattdessen habe ich mich gefragt: Was können wir konkret tun, damit wir mehr Verständnis für Perspektiven aufbauen, die nicht der unseren entsprechen? Wie können wir lernen, uns gegenseitig besser zuzuhören, ohne direkt den Impuls zu verspüren, die andere Person zu unterbrechen? 

Ich bin überzeugt, wenn wir alle ein bisschen mehr Zeit investieren würden, öfter den Blickwinkel anderer Menschen einzunehmen, würde uns das nicht nur unglaublich bereichern. Es würde auch dazu führen, dass unsere Konversationen weniger konfrontativ werden. Und anstatt uns anzufeinden, könnten wir mehr Zeit in lösungsorientierte Debatten stecken.

Empathie ist erlernbar

Tatsächlich zeigt die Forschung, dass Empathie nicht angeboren ist, sondern jede:r lernen kann, im Umgang mit anderen verständnisvoller zu sein. Eine Studie der University of Wisconsin auch dem Jahr 2013 bestätigte erstmals, dass ein Training in Empathie die empathischen Fähigkeiten von Student:innen signifikant verbesserte. 

Ein Jahr nach dem Training zeigten alle Teilnehmenden deutlich höhere Werte in Empathie-Tests. Insbesondere Rollenspiele ermöglichen die Übernahme anderer Perspektiven. Das scheint wenig verblüffend. Was dagegen eher überrascht: Der Konsum fiktionaler Literatur, beispielsweise Fantasy-Romane, fördert ebenfalls das Empathievermögen.

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Empathie kann erlernt werden. / Quelle: depositphotos.com

Die Universität Zürich hat zudem herausgefunden, dass regelmäßige Meditationen, die sich mit dem Thema Mitgefühl beschäftigen, Menschen empathischer machen. Dass Empathie sowohl online als auch offline gelernt werden kann, zeigen zwei Projekte: Der Studienschwerpunkt “Emotionale Intelligenz” an der Online-Hochschule Tomorrow University und die Initiative “Empathie ma…

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    Lara Dehari

    Lara ist Redakteurin beim Good News Magazin. Sie träumt nicht nur von einer besseren Welt, sondern gestaltet sie mit ihren Artikeln aktiv mit. Sie hat Wirtschaftspsychologie und Medienmanagement studiert, bevor sie den Journalismus für sich entdeckte.

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