Ein Ort der Begegnung

Oodi: Eine Bibliothek im Herzen von Helsinki

Werbung
Werbung

von | 27. September, 2024

Im Herzen von Helsinki steht dank der Zentralbibliothek Oodi ein Zeichen für gesellschaftliche Teilhabe und kulturelle Innovation.

Was macht eine finnische Bibliothek derart einzigartig, dass sie internationales Interesse von Staatsoberhäuptern weckt und sogar in Artikeln der New York Times prominent vorgestellt wurde? Diese Fragen sind leicht zu beantworten: Ein vielfältiges Angebot.

Die Revolution der Bibliothek

Nach dem klassischen Verständnis versteht man eine Bibliothek als Ort für einen gleichberechtigten Zugang zum Wissen durch Bücher und Zeitschriften. Mit einer Sammlung von etwa 100.000 verschiedenen Büchern wird dies auch in der Oodi-Bibliothek realisiert. Diese Bibliothek geht allerdings einige Schritte weiter. Heute und in der Zukunft sollte eine Bibliothek einen Raum darstellen, der als Plattform für menschliche Interaktionen dient – namentlich für Diskussionen, Lernen und Lesen. Und wer die Zukunft einer Bibliothek sehen möchte, sollte nach Helsinki fahren. Denn dort werden digitale und analoge Kulturen zusammengeführt.

Nicht nur für Bücherwürmer

In der Oodi-Bibliothek, welche die finnische Übersetzung von „Ode” darstellt, kann man nämlich fast alles leihen: Man findet Ton- und Fotostudios, 3D-Drucker und selbst Nähmaschinen. Dies ist eine Antwort auf die von den Menschen geäußerten Wünsche, Dinge einfach mal ausprobieren zu können und die zur Ausleihe verfügbaren Gegenstände selbst zu bestimmen. Zum Erfolgsrezept gehört nämlich, dass die Bürger:innen der finnischen Hauptstadt schon vor Baubeginn befragt wurden. Um auch ein gutes Arbeitsumfeld zu schaffen, erfolgte die gleiche Befragung auch gegenüber den Bibliothekaren und Bibliothekarinnen. Mithilfe der gelieferten Antworten konnte man feststellen, was sich die Menschen von einer neuen Bibliothek wünschen. Demnach sollte die neue Bibliothek mehr als nur ein Ort zum Bücherausleihen sein, sondern ein Wohnzimmer im Zentrum Helsinkis. 

Die aktuellen Besucherzahlen von täglich etwa 7.000 Besuchern und Besucherinnen bestätigen dieses Bedürfnis. Der gewählte Weg kommt auch der Umwelt zugute, da Dinge in der Oodi-Bibliothek kostenlos ausgeliehen und ausprobiert werden können, statt sie zu kaufen und später wegzuwerfen. Dass es bei den vielen Möglichkeiten auch mal zu Wartezeiten kommen kann, ist natürlich unausweichlich. Wer beispielsweise eine Nähmaschine, ein Musikstudio oder einen Plotter nutzen möchte, reserviert im Voraus einen Zeitslot übers Internet. Aufgrund der regen Nachfrage muss man jedoch oftmals schnell agieren.

tapio haaja 3xZBUYsVyeQ unsplash edited
Außenterrasse der Oodi-Bibliothek
sayo oladeji et96P6AlY8Q unsplash
Außenfassade der Oodi-Bibliothek

Ein Land mit Vorbildfunktion

Dass dies so reibungslos vonstatten geht, ist aber auch dem System des finnischen Staats zu verdanken. In Finnland sind nämlich alle Bewohner:innen mit einer Meldeadresse auf eine Bibliothekskarte berechtigt. Mit eben dieser Bibliothekskarte sind alle Leihoptionen innerhalb der Bibliotheken im Land kostenfrei buchbar. Aufgrund der hohen Anzahl von insgesamt 853 öffentlichen Bibliotheken auf knapp 5,5 Millionen Einwohner wird somit eine Vielfalt an Möglichkeiten für die gesamte Bandbreite der Gesellschaft eröffnet. Durch dieses Konzept treten finnische Bibliotheken wie die Oodi-Bibliothek in Konkurrenz mit den Shopping-Centern, in denen ein Besuch nur beim entsprechenden Einkauf erwünscht ist. 

Darüber hinaus wird die gesellschaftliche Bedeutung von Bibliotheken auch in einem finnischen Gesetz niedergelegt. Dieses erklärt, dass Bibliotheken dazu da sind, den Menschen zu helfen, Teil der Gesellschaft zu sein. Im Neubau der Oodi-Bibliothek manifestieren sich diese Forderungen. Denn wer keinen Zugang zu neuen Technologien hat, fällt aus der Gesellschaft. Ein weiterer Vorteil liegt darin, dass dieser Zugang auch nahezu ganztägig möglich ist. So öffnet die Bibliothek werktags von 8 bis 22 Uhr und am Wochenende von 10 bis 20 Uhr.

Roboter und Kinder sind willkommen

Auch in der Hinsicht von Arbeitsabläufen ist die Oodi-Bibliothek rundum modernisiert. Im Untergeschoss wird die Buchsortieranlage jetzt von drei Robotern unterstützt, die selbstständig Regale auffüllen, den Aufzug nutzen und die Bücher von der Ausleihe in den Lesesaal zurückbringen. Die drei Roboter haben sogar Namen: Veera, Tatu und Patu. Auch bei dieser Namensfindung war die Gesellschaft Helsinkis mit involviert. So erhielt man 250 Einsendungen mit Namensvorschlägen. Am Ende gewann der Vorschlag eines zehnjährigen Mädchens, welches die Helden und Heldinnen ihrer Lieblingskinderbücher vorschlug.

Neben Robotern ist auch ausreichend Platz für Kinder innerhalb der Räumlichkeiten der Bibliothek. Mithin besteht kein Problem darin, seine Kinder mitzunehmen. Um den Kindern auch einen angenehmen Aufenthalt zu verschaffen, wurde in der oberen Etage eine große Spielecke kreiert. Überraschenderweise ist diese nicht separiert, sondern ist direkt im Lesesaal untergebracht. Man dürfte meinen, dass dies zu Unruhe führt, aber in Realität ist es erstaunlicherweise ruhig. Dies ist einer leicht gewellten Akustikdecke im 45.000 Quadratmeter großen und lichtdurchfluteten Lesesaal zu verdanken.

All dies charakterisiert eines der wohl faszinierendsten Neubauprojekte Europas. Die Oodi-Bibliothek in Helsinki repräsentiert die Zukunft öffentlicher Räume, in denen Wissen, Technologie und Kultur harmonisch miteinander verschmelzen. Nicht ohne Grund wurde sie im Jahr 2019 zur besten Bibliothek auf der Welt gekürt. Das Einzige, was im Oodi fehlt, ist eine Sauna. Allerdings gibt es davon wohl ohnehin genug.

Fotos von Sayo Oladeji, Tapio Haaja und Takuya Jodai auf Unsplash

Unterstütze die Arbeit von Luca Kramarz und anderen Autor:innen mit einem GNM+ Abo!

Deine Vorteile:

  • Gut recherchierte positive Nachrichten
  • Nachhaltig gedruckt oder digital
  • Dramafrei und lösungsorientiert

    GNM+

    Luca Kramarz

    Luca ist Redakteur beim Good News Magazin und studiert Jura in Köln. Da er als leidenschaftlicher Bayern-Fan an Erfolge gewöhnt ist, will er nun auch Erfolgsgeschichten abseits des Fußballplatzes teilen und schreibt daher mit derselben Hingabe für unser Good News Magazin.

    Good-Newsletter: Melde dich hier gratis an für die Good News der Woche in deinem E-Mail-Postfach.

    Diese Good News könnten dich auch interessieren