Das Internet erschafft durch seine Vielseitigkeit digitale Chancen weltweit und prägt damit die verschiedensten Gesellschaftsebenen.
Seit ich mit 12 Jahren meinen ersten Computer geschenkt bekommen habe, ist es für mich selbstverständlich, mal eben zu googlen, wenn ich nicht weiter weiß, meinen Freund:innen zu schreiben, die in einem anderen Land leben, oder einen Online-Kurs zu besuchen, um mich weiterzubilden. In Deutschland verbringen wir wöchentlich im Durchschnitt 51 Stunden online, und davon sind gerade einmal 20 Stunden mit der Arbeit verbunden. Wie für immer mehr Menschen in Deutschland ist es auch für mich alltäglich, von zu Hause zu arbeiten, in Echtzeit mit Menschen auf der anderen Seite der Welt zu kommunizieren und mit der digitalen Welt meine physische zu erweitern. Deshalb hatte ich zunächst das Gefühl, ein ganzer Artikel zur digitalen Welt würde kaum einen Mehrwert erzeugen.
Doch je mehr ich las, desto mehr wurde ich mir wieder unseres Privileges bewusst. Was für uns Alltag ist, ist für viele Menschen unbekanntes Terrain. Weltweit haben nach wie vor 369 Millionen junge Menschen keinen Zugang zum Internet. Und ihnen entfällt damit so viel mehr als eine Unterhaltungsmöglichkeit. Durch die Vernetzung erhalten junge Menschen Zugang zu Informationen und Bildung. Und das kann für sie zukunftsweisend sein. Daher hat Giga, eine Initiative von Unicef, es sich zum Ziel gesetzt, bis 2030 sämtliche Schulen weltweit mit einem Internetzugang auszustatten und so junge Menschen im globalen Süden bei ihrer Ausbildung zu unterstützen. Doch die digitale Welt kann noch viel mehr: Von Greentech über Aktivismus bis hin zur Frauenbewegung im Iran konnten in den letzten Jahren und Monaten viele unglaubliche Dinge vollbracht werden.
Bildung für alle, jederzeit
Rund die Hälfte der Schulen weltweit hat bisher keinen Zugang zu stabilem Internet. Bis Corona im Jahr 2019 ausgebrochen ist, wurde dieser Umstand kaum öffentlich thematisiert. Doch dann fiel die Welt in einen globalen Lockdown. Und genau hier zeigt sich, wie wegweisend eine Internetverbindung sein kann. Besonders für Mädchen und junge Frauen im globalen Süden ist der Gang zur Schule die Chance auf Selbstbestimmung und eine sichere Zukunft.
Deshalb haben sich Unicef und die Internationale Telekommunikationsunion ein ambitioniertes Ziel gesetzt: Bis 2030 möchten sie jede Schule auf der Welt mit einem Internetzugang ausstatten. Eine Karte, die bisher bereits ein Sechstel aller Schulen erfasst, dient dem Projekt Giga als Wegweiser: In knapp acht Jahren soll hier nur noch Grün erstrahlen. Dazu arbeiten die beiden Institutionen sehr eng mit den regionalen Regierungen zusammen. Sie unterstützen nicht nur administrativ, sondern schlagen auch geeignete kostengünstige Finanzierungsmethoden vor. Darüber hinaus erarbeiten sie jene Technologien, die den größten Mehrwert für die Schule bringen.
Das Projekt zeigte von Anfang an Erfolg: Innerhalb der Startphase in den Jahren 2019 und 2020 konnte bereits einer Millionen Kindern der Zugang zum Internet ermöglicht werden. Tatsächlich geht es bei Giga aber um viel mehr als ein einfaches Ja oder Nein zu der Frage nach dem Internetzugang. Denn um davon zu profitieren, sind auch die entsprechenden Fähigkeiten nötig. Und daran mangelt es oft nicht nur Menschen im globalen Süden. Selbst grundlegende Skills werden von der Mehrheit der Bevölkerung nur in wenigen, technologisch fortschrittlichen Ländern beherrscht. Besonders vor dem Hintergrund der Lernkrise in der Pandemie, so argumentiert das Projektteam von Giga, ist es so wichtig bei Schüler:innen anzusetzen. Die Nutzung von Technik für unterschiedliche Tätigkeiten unterstützt nämlich auch die Entwicklung digitaler Skills.
Wie Schule sich durch die digitale Welt verändert und welche Möglichkeiten aber auch Herausforderung damit einhergehen, zeigt der SWR in dieser kurzen Dokumentation:
Ein besonders schönes Beispiel, wie Technik den Zugang zu Bildung nicht nur verbessert, sondern maßgeblich ermöglicht, zeigte sich in den vergangenen Monaten in der Ukraine: Hier wurde aus Corona gelernt – drei Millionen Kinder können momentan trotz Krieg weiter am Unterricht teilnehmen. Das unterstreicht die Vielseitigkeit der Möglichkeiten, die Technik schafft. Denn für die Schüler:innen bedeutet es nicht nur, dass sie in ihre Zukunft investieren können. Es trägt auch zu ihrer mentalen Gesundheit bei. Nachweislich ist besonders die Schule für viele Kinder in Krisenzeiten einer der Hauptanker, an denen sie sich festhalten.
Alte, neue Hoffnung für den Kampf gegen die Klimakrise
Technik ist ein wahrhaftiger Allrounder. Es ist nichts Neues, dass die Lösung einer Krise erfordert, sie durch und durch zu verstehen. Doch wie versteht man eine Krise, die sich nicht über Monate oder Jahre, sondern Jahrzehnte eingeschlichen hat? Nach wie vor ist eine der größten Herausforderungen der globalen Erderwärmung, dass die Zusammenhänge von Temperaturen und konkreten Auslösern nicht immer zuzuordnen sind. Und so ist es kein Wunder, dass viel Hoffnung auf moderner Technik liegt. Künstliche Intelligenz hilft dabei, Unmengen an Daten zu sammeln, zu analysieren und zu interpretieren. Dadurch können nicht nur komplexe Zusammenhänge verstanden, sondern auch passgenaue Lösungen entwickelt werden.
Viele grüne Technologien beschäftigen sich zum Beispiel mit dem Messen und Analysieren von Emissionen. Ziel ist es dabei, passgenaue Lösungen zu erarbeiten, wie Unternehmen Emissionen verringern können. Während das Messen und Analysieren von Daten häufig schon sehr gut klappt, liegen die Schwierigkeiten jedoch in der Regel bei der Lösungsfindung. Denn Lösungen müssen nicht nur stimmig sein auf Basis der vorliegenden Daten, sie müssen auch leicht umzusetzen und im Idealfall kostengünstig sein. Für die richtige Interpretation von Daten, besonders auf Unternehmensebene, braucht es zudem einen guten Umgang mit Big Data. Dieser erfordert ein grundsätzliches Verständnis von digitalen Lösungen sowie Expert:innenwissen. Dazu kann digitale Bildung beitragen.
Doch nicht nur die Greentech Branche hat seinen Boom der Technik zu verdanken. Viele aktivistische Bewegungen wie Fridays for Future haben einst im Internet an Fahrt aufgenommen. Was mit dem Streik der Aktivistin Greta Thunberg begann, entwickelte sich mit dem Hashtag #FridaysforFuture innerhalb kurzer Zeit zu einem globalen Event. Das war nur möglich, weil Menschen weltweit ihre Aktivitäten in sozialen Medien teilten. So haben auch andere davon erfahren und konnten sich anschließen. Und junge Menschen sind vermehrt ins Auge der Politik gefallen.
Neben Greta Thunberg haben auch andere Aktivist:innen bereits die Möglichkeit, vor den United Nations zu sprechen. Im Jahr 2022 fand erstmalig der Youth Dialogue on Adaption statt. Das Global Center on Adaption lud junge Menschen auf der ganzen Welt ein, ihre Ideen für den kommenden Klimagipfel direkt mit führenden Persönlichkeiten wie Prof. Saleemul Huq, dem Direktor des International Centre for Climate Change and Development, zu teilen. Die Resonanz zu dem Event war auch für die Veranstalter:innen überraschend. Es waren nicht nur viele junge Aktivist:innen vor Ort, sondern, dank des Internets, auch junge Menschen auf der ganzen Welt dazugeschaltet. Sie konnten so ihre Ideen zu den verschiedenen Themen digital teilen und ihren Gedanken eine Stimme auf internationaler Bühne geben.
Digital kann Leben retten
Ebenso wie der Umwelt-Aktivismus profitieren auch andere Bewegungen vom Internet. Das hat sich im Iran in den letzten Wochen sehr intensiv gezeigt. Während der Staat mehr und mehr Einschränkungen für die Bürger:innen beschließt, schießen die Zahlen für VPN-Verträge in die Höhe. Durch einen VPN wird der Standort von Benutzer:innen verschleiert und ermöglicht ihnen, auf eigentlich geblockte Seiten zuzugreifen. So können sich Aktivist:innen abstimmen und vor drohenden Gefahren warnen.
Die 16-jährige Tanas ist von der Wichtigkeit der Bewegung überzeugt. “Ich will aus meinem Leben etwas machen […]”, begründet sie ihre Teilnahme gegenüber der Kronenzeitung. Viele Iraner:innen rufen via Social Media dazu auf, den Demonstrationen weiter eine Plattform zu geben. Durch die Einschränkungen der Regierungen können viele Menschen sich nicht äußern. Die digitale Welt ermöglicht Menschen auf der ganzen Welt, sich aktiv für die Menschen im Iran einzusetzen. Das soziale Netzwerk Signal ruft Benutzer:innen auf, einen Proxy-Server einzurichten. Dieser funktioniert ähnlich wie ein VPN. Auf diesem Weg können Iraner:innen die App weiterhin für ihre Kommunikation nutzen.
Diese Beispiele zeigen, wie wichtig digitale Vernetzung ist. Mithilfe der digitalen Welt lässt sich gesellschaftlich, politisch oder auch umwelttechnisch nicht nur viel bewegen. Manchen Problemen wird gerade aufgrund der digitalen Welt erst Aufmerksamkeit geschenkt. So bleibt die weltweite Globalisierung nach wie vor ein brandaktuelles Thema, dem es sich zu widmen gilt.
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