Das Lastenrad schaffte es vor kurzem in die Trend-Themen auf Twitter und führte zu einer hitzigen medialen Debatte im Bundestagswahlkampf.
Auslöser war der Vorschlag von Bündnis 90/Die Grünen, eine Milliarde Euro für die Förderung von privaten Lastenfahrrädern zu investieren. Eine Million Räder könnten „vom Bund mit jeweils 1000 Euro Zuschuss gefördert werden”, sagte der Grünen-Bundestagsabgeordnete Sven-Christian Kindler.
Lastenräder können ein Teil der Verkehrswende sein. Für die gewerbliche Nutzung gibt es schon länger staatliche Förderung. „Als Transportbikes sind sie stark gefragt – lokale Förderprämien sind meist schnell aufgebraucht.“
Für den Verkehrsminister in Brandenburg sind Lastenräder ein Erfolg. Im CDU-geführten Verkehrsministerium gibt es seit Beginn der Legislaturperiode ein entsprechendes Förderprogramm, das auf Initiative der Grünen im Koalitionsvertrag steht.
Trend im Handwerk
Malermeister Vogelsang ist 5.000 Kilometer in 14 Monaten zu Kunden und Baustellen geradelt. Im Februar 2016 hat der Unternehmer aus Osnabrück umgesattelt. Sein elektronisches Lastenfahrrad nutzt er für rund 80 Prozent seiner Geschäftstermine. „Die frische Luft tut gut – und ich komme entspannter an als vorher“, sagt Vogelsang. Nur bei Schnee und Eis oder großen Entfernungen fährt er im Auto.
“Als Lehrlinge sind wir früher ja auch immer mit dem Handwagen losgezogen.“
Malermeister Jürgen Kuhnt aus Pritzwalker
In Dublin wird sogar ein Sarg per Rad transportiert.
Der Schornsteinfeger Jörg Kilellus aus Rostock fährt mit seinem Lastenrad durch den Kehrbezirk. Er lobt die Kosteneinsparung gegenüber einem PKW. Nebenbei ist das Radfahren sein Fitnesstraining. Seit 2017 nutzt der Berliner Schornsteinfegermeister Norbert Skrobek ein Lastenrad. Im Juni 2021 stellte der dem Berliner Staatssekretär Stefan Tidow ein weiteres Dienst-Lastenrad vor, das der Berliner Senat gefördert hat.
Stadtbücherei und Stadtverwaltung auf Lastenrädern
Auch die Stadt Köln hat 2020 Lastenfahrräder mit 500.000 Euro gefördert. Das Programm ist vor allem bei jungen Unternehmer:innen, Handwerker:innen und Selbstständigen sehr beliebt.
In Kornwestheim kommt die Stadtbücherei mit dem Lastenrad. Die Stadtverwaltung Dresden nutzt auch seit Jahren Lastenräder für viele Aufgaben. Die Flotte wächst und entlastet den Verkehr, berichtet Eva Jähnigen, die Bürgermeisterin Umwelt und Kommunalwirtschaft in Dresden.
Ein Viertel der Transportfahrten
Auch MediaMarkt und Saturn testen E-Lastenräder zur Auslieferung von Waren. Eine Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt zeigt, dass bundesweit bis zu 23 Prozent der Autofahrten im Handwerksbetrieb durch E-Lastenräder ersetzt werden könnten.
Sogar 51 Prozent der innerstädtischen Lieferungen könnten per E-Lastenrad erledigt werden. Das spart 90 Prozent der Emissionen eines Diesel-Transporters. Und E-Lastenfahrräder sind bis zu 60 Prozent schneller am Ziel, so die Studie The Promise of LowCarbon Freight vom August 2021.
Rikscha für Senior:innen
Eine weitere Nutzung von Lastenrädern sind Ausflüge mit älteren und mobilitätseingeschränkten Menschen. Dafür engagiert sich beispielsweise der Verein Weltraumjogger mit dem Senioren Lastenrad.
Auch Radeln ohne Alter unternimmt ehrenamtlich Rikscha-Fahrten mit Senior:innen und Menschen, die nicht selber in die Pedale treten können.
Diesen September startet mit der Malteser Rikscha beim Malteser Hilfsdienst ein weiterer Dienst, der sich an Personen mit eingeschränkter Mobilität richtet.
Keine Spinnerei
Die vielfältigen Beispiele zeigen, Lastenräder sind keine Spinnerei, sondern auf dem Weg zum Mainstream. Das Institut für Verkehrsforschung untersucht seit 2017 im europaweit größten Praxistest, ob Lastenräder von Betrieben sinnvoll genutzt werden können. 750 Unternehmen und Einrichtungen nahmen an dem Test teil, rund 300.000 Kilometer wurden gefahren und per GPS-Tracking ausgewertet. Der Abschlussbericht soll in den kommenden Wochen vorgestellt werden.
Ganz neu ist das Thema Radfahren in der Stadt gar nicht. Bereits 1904 gab es in Berlin einen extra Straßenplan mit Radwegen.
Beitragsbild: Mark Stosberg / Unsplash