Die Philippinen führten als erstes südostasiatisches Land eine Gesetzgebung für bleisichere Farben ein. Dafür erhielten sie 2021 eine Auszeichnung des World Future Council.
Unsere Gastautorin Samia Kassid ist Kinderrechtsexpertin beim World Future Council und stellt uns die Verordnung vor.
Mit ihrer Chemikalienkontrollverordnung für Blei und Bleiverbindungen (2013-2024) waren die Philippinen das erste südostasiatische Land, das erfolgreich ein Gesetz für bleisichere Farben umsetzte. Dafür haben die Philippinen 2021 den als Polit-Oscar bekannten Future Policy Award des World Future Council erhalten. Der Award zeichnet Gesetze aus, die bessere Lebensbedingungen für heutige und zukünftige Generationen fördern.
Das ist ein großer Erfolg. Denn während in vielen Industriestaaten bleihaltige Farben seit Jahrzehnten gesetzlich verboten sind, wird das Schwermetall in vielen Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen immer noch verwendet, weil es keine oder nur unzulängliche Grenzwerte für Bleifarben gibt.
Schwangere und Kinder vor der unsichtbaren Gefahr schützen
Das ist fatal, denn die unsichtbare Gefahr aus Spielzeug, Farbdosen, (abgeblätterten) Wandfarben, lackierten Türen oder Möbeln ist für Millionen von Kindern eine Realität, auch in Industrieländern. Es ist bewiesen, dass Blei mit Lernbehinderungen, einem niedrigeren IQ, Verhaltensstörungen und anderen gesundheitlichen Auswirkungen bei Kindern zusammenhängt. Die Exposition gegenüber Blei verursacht jährlich 143.000 Todesfälle und 600.000 Fälle von geistiger Behinderung bei Kindern.
Auch auf den Philippinen hatte sich bis zu der bahnbrechenden Gesetzgebung kaum jemand mit den Auswirkungen von Bleifarben auseinandergesetzt. Denn Bleipigmente haben ein hohes Deckvermögen und sind für brillante Farben bekannt. Sie werden für Spielzeug, Eisenschutzfarben, Grundierungen, als Trockenstoffe, Malfarben, Farbsprays und mehr eingesetzt.
Das änderte sich erst Anfang der 2000er Jahre, als sich die Umweltorganisation EcoWaste Coalition und der größte philippinische Farbenhersteller des Themas annahmen. Die Ecowaste Coalition testete den Bleigehalt in Farben, in Möbeln, an den Wänden von Schulen und Kindergärten und kam zu erschreckenden Ergebnissen. Denn bei mehr als 40 Prozent der Farben wurden Werte von über 10.000 Teilen pro Million (ppm) gemessen. Alarmiert durch das Ergebnis sah der Farbenhersteller seine besondere Verantwortung und begann seine Produktion auf bleisichere Farben umzustellen. Das Ziel war Farben mit einem Bleigehalt unter 90 ppm, so wie es von der UN und Gesundheitsexperten empfohlen wird, herzustellen. Im Jahr 2011 richteten zivilgesellschaftliche Gruppen und die Farbindustrie gemeinsam eine Petition an die Regierung, um das Problem der Bleifarben durch eine Gesetzgebung zu regeln. Dies ist nötig, um alle Farbproduzenten ins Boot zu holen und Importe aus dem Ausland zu regulieren.
Erfolg auf ganzer Linie durch einen partizipativen Prozess
Die Regierung reagierte auf die Petition und legte einen ersten Entwurf vor, der jedoch vielen nicht weit genug ging. Dies war der Startpunkt für einen beispiellosen partizipativen Prozess, an dem die Zivilgesellschaft, die Farbindustrie, Vertreter:innen von Schulen und Gemeinden, Expert:innen aus dem Bildungs- und Gesundheitsbereich sowie Vertreter:innen der nationalen Regierung und lokalen Regierungseinheiten teilnahmen. Darüber hinaus waren auch Abfallentsorger, Vertreter:innen der indigener Bevölkerung und andere Interessensgruppen beteiligt. Die umfangreichen Beratungen führten dazu, dass die Regierung 2013 die Chemikalienkontrollverordnung für Blei und Bleiverbindungen verabschiedete und im selben Jahr mit der Umsetzung begann.
Die Verordnung umfasst einen Fahrplan mit klaren Definitionen, Ausstiegsplänen, wichtigen Instrumenten und Sensibilisierungsmaßnahmen. In Kindergärten und Schulen sind Kinder und Lehrpersonal durch Informationsbroschüren über die Gefahren von Blei in Farbe informiert und das Thema ist im Lehrplan integriert. Gemeinsam mit der Zivilgesellschaft ruft die Farbindustrie jährlich die internationale Woche für Bleivergiftungsprävention aus, um alle Menschen zu erreichen. Inzwischen hat es die einheimische Farb- und Beschichtungsindustrie mit der Unterstützung aller Beteiligten geschafft, die Ausstiegsfrist für Bleifarben früher als geplant zu erreichen und ein Großteil der Farbprodukte durch ein Zertifizierungsprogramm als unschädlich zu kennzeichnen.
Ein Erfolgskonzept, das Schule macht
Der südasiatische Staat hat gezeigt, wie es mit starkem Willen und vereinten Kräften möglich ist, dem Einsatz von gefährlichen Chemikalien – hier Blei in Farbe – die rote Karte zu zeigen und die Gesundheit der Kleinsten zu schützen. Die umfangreichen Kooperationen mit verschiedenen Interessengruppen während der Formulierung und Umsetzung des Gesetzes haben auch das Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNEP bei der Erarbeitung ihres Leitfadens zur Regulierung von Bleifarbe für Regierungen (Model Law) inspiriert. Dieser berät und unterstützt interessierte Regierungen bei der Erarbeitung von Gesetzen zu bleisicheren Farben. Wo möglich, stellt der World Future Council diese erfolgreiche Gesetzgebung vor, um Entscheidungsträger:innen zu anzuregen, alles zu unternehmen, damit Kleinkinder gesund und ohne Bleifarbe aufwachsen können. Denn Bleifarben nicht zu regulieren hat inzwischen auch erschreckende ökologische Folgen: Gewisse Blei-basierte Additive in Kunststofffarben laufen in die Umwelt aus und sind u.a. eine der Hauptquellen für von Mikroplastik sowohl in Meeren, in Wasserstraßen und an Land.
Die UN und Gesundheitsexpert:innen empfehlen einen Grenzwert für die Gesamtbleikonzentration von 90 Teilen pro Million (ppm). Dies ist der niedrigste, am meisten schützende gesetzliche Grenzwert für Bleifarbe, der inzwischen von vielen Ländern übernommen wurde.