Teil 3 unserer Reihe zur EU-Wahl analysiert, wo die EU derzeit klimapolitisch positioniert ist und wo beim European Green Deal noch Raum für Verbesserungen bleibt.
Als Ursula von der Leyen 2019 als neue Kommisionschefin ins Amt kam, kündigte sie ihr klimapolitisches Gesetzesvorhaben, den „European Green Deal”, mit großen Worten an: Sie bezeichnete ihn als den europäischen „Mann-auf-dem-Mond-Moment”. Doch was ist dieser „Green Deal” eigentlich? Das Maßnahmenpaket zielt auf die fundamentale Transformation der europäischen Wirtschaft und Gesellschaft ab und soll es ermöglichen, die CO2-Emissionen innerhalb der EU bis 2050 auf Null zu reduzieren. Dafür ist bis 2030 mindestens eine Reduktion von 55 Prozent gegenüber 1990 notwendig.
Um dieses Ziel zu erreichen, verfügt die EU im Wesentlichen über drei verschiedene Arten von Maßnahmen. Einerseits begünstigt das EU-Emissionshandelssystem (ETS) klimafreundliches Verhalten, indem es CO2-Emissionen bepreist. Andererseits werden durch finanzielle Anreize, wie beispielsweise Subventionen, umweltfreundliche ökonomische Entscheidungen gefördert. Außerdem wird die Möglichkeit von Privatpersonen und Unternehmen, umweltschädlich zu handeln, durch Regulierungen beschränkt. In all diesen Bereichen hat die EU in den letzten Jahren bedeutende Schritte unternommen, um ihre Ziele zu erreichen.
Umweltverschmutzung hat seinen Preis
Das ETS verpflichtet einen bedeutenden Anteil der europäischen Wirtschaft dazu, für jede emittierte Tonne CO2 jeweils ein von der EU herausgegebenes Zertifikat zu besitzen. Diesbezüglich konnte in den letzten Jahren ein bedeutender Fortschritt beobachtet werden. Während der Preis für eine Tonne CO2 bis 2019 fast nie die 25-Euro-Grenze erreichte, ist er mittlerweile auf über 70 Euro geklettert. Durch den Preisanstieg ist es für Unternehmen also mittlerweile deutlich attraktiver, klimaschonend zu produzieren, da sie pro emittierter Tonne CO2 mehr Geld zahlen müssen. Zusätzlich werden die so eingenommenen Gelder in klimaschützende Maßnahmen investiert.
Aktuell werden circa 40 Prozent aller europäischen Emissionen von dem ETS abgedeckt. Im Zuge der Anpassung des ETS an die Ziele des „Green Deals” wurde eine Reihe von Gesetzen beschlossen, die über die nächsten Jahre zu einer Ausweitung des ETS führen werden. Dafür wird das ETS zukünftig um weitere Wirtschaftssektoren erweitert. Ab 2027 werden auch der Bau-, Transport- und Luftfahrtsektor in das ETS inkludiert.
Außerdem wurde die Emissionsvergabe hinsichtlich der Ziele für 2030 angepasst. Erstmals werden auch bestimmte außerhalb der EU produzierte Güter unter das ETS fallen. Ähnlich wie bei einem Importzoll wird für die Einfuhr von beispielsweise Zement und Stahl, der nicht unter den in der EU geltenden ökologischen Standards produziert wurde, ein bestimmter Preis erhoben. Dadurch sollen die ökologischeren heimischen Produzenten geschützt werden.
Somit wird die EU durch das ETS den Ausstoß von CO2-Emissionen deutlich teurer machen und so einen Anreiz für Unternehmen schaffen, möglichst schnell umweltfreundlicher zu werden.
Zuschüsse für Klimaschutz
Die EU übt jedoch nicht nur mithilfe des CO2-Preises Druck aus, sondern fördert die ökologische Transformation auch durch Investitionen. Im Zuge der Konjunkturpakete, die nach der Corona-Krise verabschiedet wurden, nimmt die EU erstmals gemeinsame Schulden im Umfang von 648 Milliarden Euro auf. Dieses Geld wird in verschiedene wirtschaftsfördernde Projekte, von denen etwa ein Drittel klimaschützend sein müssen, investiert. Gefördert wird zum Beispiel der Ausbau von erneuerbaren Energien oder die Batterieproduktion. Seit 2019 konnte immerhin ein Anstieg des Anteils der erneuerbaren Energien an der gesamten Energieproduktion der EU um drei Prozent auf 23 Prozent erhöht werden.
Um das für 2030 festgelegte Ziel von 42,5 Prozent jedoch zu erreichen, muss sich die Ausbaugeschwindigkeit der Erneuerbaren Energien laut Prognosen mindestens verdoppeln. Auch im Landwirtschafts- und Forstsektor sind die aktuellen Maßnahmen noch nicht ausreichend, wenn die Ziele für 2030 erreicht werden sollen. Jedoch ist eine Ausweitung der ökologisch geschützten Landfläche auf 30 Prozent ab 2026 bereits beschlossen. Hier zeigt sich deutlich, wie wichtig es ist, dass die bisherige Klimapolitik fortgesetzt und für noch mehr Fortschritte bestenfalls sogar intensiviert wird.
Klare Regeln geben Planungssicherheit
Neben dem ETS und finanziellen Anreizen sind allerdings auch einige direktere Maßnahmen vonnöten, um die Klimaziele der EU zu erreichen. Höchst umstritten ist der Beschluss, die Erstzulassung von Autos mit Verbrennungsmotoren ab 2035 zu verbieten. Wenn man jedoch bedenkt, dass die durchschnittliche Lebenszeit eines Autos 15 Jahre beträgt, ist eine solche Maßnahme fast unumgänglich, wenn Netto-Null bis 2050 auch tatsächlich erreicht werden soll. Auch die Art, wie wir wohnen, wird sich ändern, da ab 2030 nur noch sogenannte „Null-Emissionen Häuser” mit einer besonders hohen Energieeffizienz gebaut werden sollen. Des Weiteren wurde die EU-Lieferketten-Richtlinie verabschiedet, die Unternehmen dazu verpflichtet, regelmäßig über die sozialen und ökologischen Folgen ihrer Produktion zu berichten.
Mit dem Green Deal auf dem richtigen Weg
Die Klimaziele der EU sind sehr ambitioniert und auch wenn die Brüsseler Bürokratie manchmal undurchsichtig erscheint, wird bei genauerem Hinsehen klar, dass die EU aus gutem Grund so viele Beamte beschäftigt. Der „European Green Deal” zielt auf nichts weniger als eine gesamtgesellschaftliche Umwälzung der Lebensverhältnisse von hunderten Millionen von Menschen zugunsten einer lebenswerten Zukunft für alle ab. Der dafür benötigte Veränderungsprozess ist gewaltig und es ist gut, dass die EU versucht, ihn bestmöglich zu gestalten. Es ist jedoch auch klar, dass wir uns mit den bisherigen Maßnahmen nicht zufriedengeben können, wenn wir die deutlich spürbaren Folgen des Klimawandels abwenden wollen. Daher ist es wichtig, dass die EU weiterhin eine Vorreiterrolle in der Klimapolitik spielt und ihre positive Vision der Vereinbarkeit von Wohlstand und Ökologie stetig weiterentwickelt.
Moritz Kapff studiert Economics/Politische Ökonomik in Heidelberg. Er engagiert sich bei Plurale Ökonomik, Fiscal Future sowie zum Green (New) Deal und schreibt in seiner Freizeit zu ökonomischen und gesellschaftlichen Themen. Seine Interessen umfassen die sozial-ökologische Transformation, Zentralbanken und ökonomische Ideengeschichte.
Lennard Fredrich studiert Philosophie in Heidelberg. Er ist aktiv beim Netzwerk Plurale Ökonomik und schreibt in seiner Freizeit zu ökonomischen und gesellschaftlichen Themen.