Mit gutem Beispiel vorangehen. Das schaffen folgende drei Aufforstungsprojekte, die einen großen Beitrag für mehr Artenvielfalt und Naturschutz leisten.
Unsere Redakteurin berichtet heute von drei Personen aus Indien, Brasilien und der Mongolei. Überall stehen die Menschen vor brachen, unfruchtbaren Gebieten und erwecken sie mit ihrer unerbittlichen Ausdauer und ihrem Einsatz wieder zum Leben. Durch Aufforstung, also dem Bepflanzen von nicht genutzten Flächen, schaffen sie neuen Lebensraum für die Pflanzen- und Tierwelt. Nicht zuletzt wird dadurch der Klimawandel gebremst, da die neuen Wälder Kohlendioxid binden.
Jadav “Molai” Payeng verwandelt eine Sandbank in einen Wald
Dichte grüne Baumkronen filtern die Sonnenstrahlen. Der Vogelgesang verrät, dass unzählige Arten dort oben leben. Ein leichter Wind lässt die Blätter rascheln. Eine Elefanten-Herde trinkt am Flussufer. Überall ist es Grün. „All die Pflanzen und Bäume sind meine Söhne und Töchter. Sie leben hier friedlich“, sagt Jadav Payeng.
Vor 44 Jahren war anstelle des Waldes nur eine Sandbank. Auf dem unfruchtbaren Boden war weit und breit kein Grün zu erwarten. Das Gebiet befindet sich im indischen Bundesstaat Assam, nahe des Flusses Brahmaputra.
Dort lebt Jadav „Molai“ Payeng, der für das Naturwunder verantwortlich ist. Als er 16 Jahre alt war, fand er unzählige vertrocknete Reptilien auf der Sandbank vor. Ohne den Schutz von Bäumen oder Sträuchern starben die Tiere durch die stechende Hitze. Aufgebracht und traurig kontaktierte Jadav damals die Forstverwaltung in Assam. Diese sah sich allerdings machtlos gegen den unfruchtbaren Boden und sträubte sich gegen Jadavs Bitte, dort Bäume zu pflanzen. Da die Forstverwaltung nicht agierte, sah er sich gezwungen, aus Eigeninitiative zu handeln.
Seit 1979 pflanzt Jadav Payeng jeden Tag einen Baum auf der ehemaligen Sandbank. Auch wenn der Anfang schwierig und mühsam war, zeigen seine ausdauernden Bemühungen große Ergebnisse: Heute ist der von Hand gepflanzte Molai-Wald doppelt so groß wie der New Yorker Central Park. Er gilt als Paradies für die Artenviefalt und bietet den Tieren Schutz. Rehe, eine Vielzahl an Vogelarten, Reptilien, Elefanten und gefährdete Tierarten wie der Bengal-Tiger oder das Panzernashorn leben mittlerweile in dem selbstregulierenden Wald.
Salgados Aufforstung des Regenwaldes schafft Artenvielfalt
Einen ähnlich spektakulären Wandel der Natur schafft das brasilianische Ehepaar Léila und Sebastião Salgado. Seine Kindheit verbrachte der Fotojournalist Sebastião in dem tropischen Bundesstaat Minas Gerais im Südosten von Brasilien. Als er nach jahrelangen Reisen mit der Kamera zurück an den Ort seiner Kindheit kam, war er am Boden zerstört: Von dem dichten Regenwald war nur noch eine kahle und staubige Landschaft übrig. Alle Bäume des umliegenden Waldes wurden abgeholzt, auch Bäche verschwanden und gemeinsam mit ihnen die Artenvielfalt. Weniger als ein Prozent des Landes war noch mit Bäumen bedeckt.
Das Ehepaar setzt sich seitdem dafür ein, den natürlichen Regenwald wiederherzustellen und den Lebensraum für heimische Tier- und Pflanzenarten neu zu erwecken. „Wir müssen aufforsten. Wir müssen Ökosysteme wieder beleben. Nur so können wir das Leben auf der Erde so organisieren, dass wir überleben, andernfalls wird es sehr schwierig“, sagt er in Bezug auf den von Menschen gemachten Klimawandel.
Um mit ihrem Aufforstungsprojekt zu beginnen, gründeten Léila und Sebastião die Organisation Institutio Terra und ließen das Anwesen als privates Naturschutzgebiet anerkennen. Lange Zeit arbeitet das Paar eng mit einer lokalen Baumschule zusammen, die ihnen die Setzlinge liefern. Wie viel das Projekt den Bewohner:innen in Minas Gerais bedeutet, zeigt auch das Engagement von Schulklassen, die bereits bei der ersten Bepflanzung ihre Unterstützung anboten.
Bis heute engagiert sich Institutio Terra für die Aufforstung des atlantischen Regenwaldes. So leistet die Organisation einen großen Beitrag für die Artenvielfalt und den Naturschutz. Viele vom Aussterben bedrohte Tierarten (wie zum Beispiel der Lilabrustpapagei oder Pumas) finden in den neu gepflanzten Wäldern ein Zuhause. „Ich glaube, unter all den Dingen, die ich und meine Frau in unserem Leben geleistet haben, was es das Größte und Wichtigste, diesen Wald wiederzubeleben“, sagt Sebastião Salgado in einem Interview.
Yin Yuzhen bringt Leben in die Wüste
Yin Yuzhen schafft ein Naturwunder: Gemeinsam mit ihrem Mann verwandelt sie eine Wüste in eine grüne Oase. Doch ihr Weg war nicht leicht.
Yin wuchs in der Mongolei auf und wurde mit 18 Jahren von ihrem Vater in die Mu-us-Wüste verheiratet. Eine baumlose, trockene und fast menschenleere Gegend, in der immer wieder Sandstürme fegten. Ihr neues Leben war sehr hart, denn das Essen war immer knapp. So knapp, dass ihr Mann in der Umgebung nach verstorbenen Tieren suchte, um das Fleisch für etwas Geld verkaufen zu können. Um zum nächsten Dorf zu gelangen, mussten sie mehrere Tage zu Fuß gehen. Manchmal blieb den beiden nichts anderes übrig, als tote Ratten zu essen.
Yin war am Ende ihrer Kräfte, als sie eines Tages eine Person weit entfernt in den Dünen sah. Seit Monaten hatte sie keine andere Person mehr gesehen, außer ihren Mann. Sie freute sich so sehr darüber, dass sie endlich wieder Leben gesehen hatte und fasste den Beschluss, das Leben zurück in ihre Gegend zu holen. Mit Yins Brautgeld kauften ihr Mann und sie eine alte Kuh, die bald ein Kalb bekam. Mit dem Erlös des Kalbes kauften die beiden ausschließlich Baumsaat.
Yin konnte weder lesen noch schreiben und hatte noch nie einen Baum gepflanzt. Niemand konnte ihr helfen und so versuchte sie ihr Glück allein und pflanzte den ersten Baum vor ihre Hütte. Von den ersten 600 Baumsetzlingen überlebten zuerst nur zwölf die Wüstenbedingungen. Doch Yin kämpfte weiter und mittlerweile wurden durch ihr Engagement mehrere hunderttausend Bäume gepflanzt.
Als Erstes kam der Tau zurück und mit der Zeit sogar der Regen. Heute pflanzt Yin Yuzhen Gemüse im Schatten der Bäume – sogar Wassermelonen, Pfirsichbäume und Rosen wachsen dort. Die heimische Tierwelt ist zurückgekehrt. Insekten, Bienen, Schmetterlinge, Rehe und Vögel haben den neuen Wald zur Heimat.
Seit einigen Jahren wird Yins Aufforstungsprojekt von der Regierung unterstützt. Sie bekommt immer wieder neue Auszeichnungen und 2005 wurde sie für den Friedensnobelpreis nominiert. Über ihre Geschichte gibt es mittlerweile sogar Filme und Bücher. Unzählige Menschen reisen heute noch zu Yin, um von ihren Erfahrungen zu lernen und mit ihr als Inspiration ein Aufforstungsprojekt zu beginnen.
Alle drei Geschichten – und viele weitere aufforstende Menschen weltweit zeigen: Mit nur einem Saatkorn kann Großes beginnen.
Beitragsbild: Unsplash | Polina Kocheva