In der Elfenbeinküste beobachtete der Biologe Erik T. Frank bereits 2017 etwas ganz Besonderes: ein strategisches Gesundheitssystem, wie es in der Insektenwelt bisher noch nicht bekannt war.
Die Megaponera Analis, auch Matabele-Ameisen genannt, sind furchtlose Jäger. In großen, geordneten Gruppen von mehreren Hundert Ameisen überfallen sie Termitenkolonien. Sie fangen die Insekten ein, töten und fressen sie, ziehen sich im Kampf aber nicht selten selbst schwere Verletzungen zu.
Die verwundeten Ameisen rufen um Hilfe, indem sie bestimmte Pheromone ausstoßen. Für manche von ihnen gibt es keine Hoffnung mehr, sie wurden zu schlimm von den Termiten gebissen und werden zurückgelassen.
Andere jedoch werden von ihren Kameraden zurück ins Nest getragen, dort gründlich untersucht und behandelt. Termitengreifer oder -köpfe, die sich in den Körpern der Verletzten festgesetzt haben, werden entfernt. Offene Wunden teilweise minutenlang von anderen Ameisen geleckt, um Infektionen zu verhindern. Mit deutlich positiven Auswirkungen auf die Überlebenschancen: Eine Studie von Frank und zwei seiner Kolleg:innen fand heraus, dass 90 Prozent der Ameisen weiterleben, wenn sie eine Behandlung erhalten, nur 20 Prozent dagegen, wenn nicht.
Einzigartig und voller Potenzial – auch für Menschen
Diese Art von Pflegeverhalten, „Wundbehandlung durch andere Individuen, also keine Eigenbehandlung, ist im Insektenreich komplett unbekannt. [Das] ist das erste Mal, dass das beobachtet wird. Praktisch die erste Studie, die das macht,“ so Frank zum Deutschlandfunk.
In Zukunft will der Biologe die Matabele-Ameisen noch näher erforschen. Will etwa herausfinden, wie die kleinen, krabbelnden Sanitäter wissen, wo sich Verletzungen befinden, und wie sie wissen, wann sie mit der Pflege aufhören können. Ob die Behandlung nur neue Infektionen vorbeugt oder auch gegen alte hilft. Und ob aus dieser „Ameisenmedizin“ womöglich sogar eine Reihe von neuen Antibiotika für Menschen entstehen könnte.
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