Gerechtigkeit gegen Gewinnmaximierung

das ist ein GNM+ ArtikelErfolgreicher Einsatz für günstigere Tuberkulose-Medikamente in Südafrika

Werbung
Werbung

von | 16. September, 2024

In Südafrika wurde ein sekundäres Patent für das Tuberkulose-Medikament Bedaquilin zurückgezogen. Dadurch wird das Medikament deutlich günstiger – ein entscheidender Erfolg für gerechten Zugang zu medizinischer Versorgung weltweit. Eventuell sogar ein Präzedenzfall, der die Profit-Orientierung von Pharmakonzernen weltweit eindämmen könnte, sagt Ärzte ohne Grenzen im Interview mit GNM.

Diesen Artikel aus unserem Printmagazin „Gesundheit. Danke!“ und weitere exklusive Beiträge gibt’s im GNM+ Abo.
Unsere ePaper im Abo oder hier mit tiun ohne Abo lesen.

Tut mir Leid, aber ich muss einmal die Erinnerungen an dunkle Zeiten hervorrufen: Covid-19 ist noch gar nicht so lange her. Ich weiß, wir haben alle keine Lust, daran zurückzudenken. Aber ich bitte euch darum. Denn hoffentlich erinnert ihr euch noch an die Diskussion über die ungleiche Verteilung der Impfstoffe weltweit. Eine Verteilung, bei der Menschen in Ländern des sogenannten Globalen Südens auf erschreckende Weise den Kürzeren zogen. Und nicht nur bei Impfstoffen, sondern auch beim Zugang zu Schnelltests. In Deutschland konnte sich lange Zeit kostenlos getestet werden, weil das Gesundheitssystem die Kosten übernehmen konnte. In vielen anderen Ländern der Welt war das nicht möglich, so kostete beispielsweise in Kenia zu jeder Zeit ein Test rund 20 Euro. 

Die Pandemie hat zumindest dazu beigetragen, dass uns das Ausmaß dieser, leider nur zu alltäglichen Ungerechtigkeit, deutlich gemacht wurde. Nun führt uns Mpox ganz aktuell vor Augen, dass diese Ungerechtigkeit weiter andauert – und auch für uns Menschen im Globalen Norden fatale Konsequenzen hat. Denn wenn vor Ort nicht die Mittel bestehen, eine Krankheit einzudämmen, breitet sie sich aus. Heute mehr denn je ist Gesundheit eine globale Angelegenheit.

Es sollte nicht nur darum selbstverständlich sein, dass es kein Soll ist, sondern ein Muss, dass alle Menschen Zugang zu den Medikamenten, Tests und Impfstoffen bekommen, die sie brauchen. Und zwar überall auf der Welt. Davon sind wir leider noch weit entfernt. Jetzt aber endlich die guten Nachrichten: In den letzten Jahren konnten verschiedene zivilgesellschaftliche Organisationen deutliche Fortschritte  erzielen, um den Preis bestimmter Medikamente entgegen der Interessen großer Pharmakonzerne zu senken. 

Erst im Juli 2024 erzielte ein Bündnis aus mehreren Organisationen einen entscheidenden Erfolg: Die südafrikanische Wettbewerbskommission hatte im September 2023 eine Untersuchung gegen den Pharmahersteller Johnson & Johnson (J&J) eingeleitet, aufgrund des Verdachts auf wettbewerbswidrige Praktiken. Im Juli verkündeten die Kommission und das Unternehmen, dass J&J das sekundäre Patent auf das Tuberkulose-Medikament Bedaquilin zurückziehen wird. Damit erhalten hoffentlich viele Patient:innen endlich Zugang zu dem Produkt. Aktivist:innen erhoffen sich von dem Urteil einen Präzedenzfall. 

Ärzte ohne Grenzen war eine der Organisationen, die seit Jahren führend an Protesten gegen J&J beteiligt waren. Jasmin Behrends ist politische Referentin für globale Gesundheitspolitik. Sie erklärt, warum das Urteil so entscheidend war – und welche weiteren Schritte möglich sind, um die Gesundheit der Menschen weltweit gerechter zu vertreten. 

Zugang für Alle schaffen – gegen Profitinteressen 

“Warum ist es so schwierig, dass Menschen Zugang haben zu den Gesundheitsprodukten, die sie brauchen? Und was muss sich politisch verändern?” Das sind die beiden Fragen, die Mitarbeitende bei Ärzte ohne Grenzen vor fast genau 25 Jahren dazu bewegten, die Access Campaign (dt.: Medikamentenkampagne) zu starten. Als internationales Team innerhalb der Organisation setzt es sich dafür ein, Probleme im Zugang zu Medikamenten und Gesundheitsversorgung aufzudecken und die Situation zu verbessern. 

Jeden Tag, so erklärt mir Jasmin Behrends, stoßen ihre Kolleg:innen vor Ort an Grenzen, die es an anderen Orten nicht gibt: Eingeschränkter Zugang zu Medikamenten, die in anderen Teilen der Welt längst gut verfügbar sind. Hohe Kosten für neue und effektive Behandlungsmethoden, die nicht, wie in den meisten westlichen Ländern von den Gesundheitssystemen, getragen werden können. Krankheiten, für die es keine wirksamen Medikamente gibt, weil die Profitspanne für Pharmakonzerne zu gering wäre. 

Dabei ist die Frage nach dem “warum” oft schnell geklärt: Es geht eben in der Medizin viel zu oft um Profite. Bleibt die zweite Frage: Wie kann dieser Zustand verändert werden? Ein Weg wäre es, Unternehmen über rechtliche Wege zur Verantwortung zu ziehen. So wie beim Fall des Tuberkulosemedikaments in Südafrika.

Warum braucht es so dringend Tuberkulosemedikamente?

“Was viele nicht wissen: Tuberkulose ist eine der gefährlichsten Krankheiten der Welt”, erklärt Jasmin Behrends. Über 1,3 Millionen Menschen sterben jährlich an Tuberkulose, das macht die Krankheit zu einer der zehn häufigsten Todesursachen weltweit. Zwei Drittel aller an Tuberkulose erkrankten Menschen leben in nur acht Ländern: Indien, Indonesien, China, Philippinen, Bangladesch, Nigeria, Pakistan und Südafrika.

Fast 50 Jahre lang mussten Ärzt:innen die Krankheit mit denselben Medikamenten behandeln, bevor ein neues Mittel auf den Markt kam. Die Nebenwirkungen der alten Medikamente sind signifikant: von Schwindel über krasse Kopfschmerzen bis hin zu Psychosen, einige Patient:innen seien davon sogar taub geworden, erklärt Jasmin Behrends. Es war darum ein echter Durchbruch, als 2014 nach langem Warten ein neues Medikament zugelassen wurde, das nicht nur deutlich weniger Nebenwirkungen verursacht, sondern noch dazu die Behan…

Unterstütze die Arbeit von Luisa Vogt und anderen Autor:innen mit einem GNM+ Abo!

Deine Vorteile:

  • Gut recherchierte positive Nachrichten
  • Nachhaltig gedruckt oder digital
  • Dramafrei und lösungsorientiert

    GNM+

    Luisa Vogt

    Luisa Vogt ist stellvertretende Print-Chefredakteurin beim Good News Magazin und liebt Sprachen, Reisen und das kennenlernen verschiedenster Kulturen. Beim Good News Magazin lebt sie ihre Leidenschaft für Sprache und für spannende, schöne Berichte aus aller Welt - weil die Welt viel mehr realistischen Idealismus braucht. Außerdem studiert sie nach ihrem Bachelor in Englisch und Französisch inzwischen im Master Asien- und Afrikastudien in Berlin und arbeitet als Lerntherapeutin.

    Good-Newsletter: Melde dich hier gratis an für die Good News der Woche in deinem E-Mail-Postfach.

    Diese Good News könnten dich auch interessieren