Wenn Menschen mit “Aufmerksamkeitswürze” gründen

Selbstständigkeit als therapeutische Lösung für ADHS und Autismus?

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von | 3. September, 2024

ADHS und Autismus kommen zunehmend im allgemeinen Bewusstsein an. Dadurch erhalten Betroffene heute leichter medizinische Hilfe. Dennoch sind die Wege zu Diagnose und Therapie weiterhin beschwerlich und neurodiverse Menschen werden ein Leben lang mit besonderen Hindernissen konfrontiert, besonders im Arbeitsleben. Zwei beste Freunde in Berlin haben ihren Weg gefunden, sich beruflich trotz und wegen ihrer Aufmerksamkeitsbesonderheiten zu verwirklichen.

Schlaftrunken schlufft ein junger Mann mit einem Schlüsselbund in der Hand über die Cornelius-Frederiks-Straße im Wedding. Er kneift die Augen zu und gähnt. Die Sonne steht hoch am wolkenlosen Himmel. Der Schlüssel rastet im Schloss seiner Sprachschule. Wenn Tuấn Hùng Nguyễn die Pforten des Zeitgeist Zentrum öffnet, ist für viele der halbe Tag bereits um. 

Dabei handelt es sich keineswegs um ein Säumnis oder Faulheit, die Öffnungszeiten hat er zusammen mit seiner besten Freundin und Mitgründerin Phương Ngọc Nguyễn Lê bewusst so festgelegt. „Bei uns neurodivergenten Menschen ist der Melanin-Haushalt durcheinander. Das heißt, wir können gar nichts dafür, dass wir Nachteulen sind.“

Menschen sind mehr als ihre Diagnosen: Ein wertschätzender Umgang mit der Vielfalt menschlicher Nervensysteme

Hùng hat klinische Psychologie studiert, benutzt aber mit „Neurodivergenz“ oder „Neurodiversität“, bewusst politische Begriffe zur Selbstbeschreibung, anstelle der Diagnose „Aufmerksamkeits-Defizits-(Hyperaktivitäts)-Störung (AD(H)S)“ bei ihm und „Autismus“ bei Phương. Während die medizinischen Kriterien der beiden „Störungen“ vor allem Beeinträchtigungen und Defizite in den Blick rücken, beschreibt das Konzept der Neurodiversität eine beinahe ausschließlich wertschätzende Perspektive auf die Vielfalt menschlicher Wahrnehmungen. „Unsere Gehirne funktionieren einfach anders“, sagt Phương.

Neurospicy“ ist das Prädikat, das die Pädagogin mit einem Schwerpunkt auf Deutsch, Englisch und Chinesisch als Fremdsprachen ihrer Andersartigkeit verleiht. Wie eine besondere Würze für ihren Verstand. So bereichern Schwierigkeiten in der Aufmerksamkeitslenkung und Tagträumereien etwa die Kreativität. Impulsives Verhalten oder Vergesslichkeit können die Spontaneität schulen. Beide sind darüber hinaus sehr direkt. Hùng, weil sein Gehirn nicht priorisiert und Gedanken ungefiltert heraussprudeln, und Phương, weil sie Gesichter schlecht lesen kann. „Ich weiß in dem Moment nicht, was angebracht oder unangebracht ist, zu sagen.“ Das Ergebnis sind in beiden Fällen meist sehr ehrliche Gesprächspartner.

ADHS und Autismus als Superkraft?

Doch Neurodiversität deshalb als reine Gabe zu verstehen, lehnen sie entschieden ab. Ein Sprachschüler aus Brasilien betritt das Zeitgeist Zentrum. Er ist gekommen, um sein Deutschbuch abzuholen. Hùng spielt an seinen Haaren, kramt hektisch in einer Kiste mit Lehrmaterialien. Normalerweise erinnert Phương ihn an wichtige Termine. „Sowas ist mir unangenehm, obwohl ich weiß, dass ich nichts dafür kann.“ ADHS macht ihn unaufmerksam, sodass die Eckdaten gar nicht erst bewusst im Gedächtnis ankommen und dann auch noch zeitblind, weswegen er auch trotz Kalender oft zu spät kommt.

Zudem ist er sehr vergesslich.

„Stell dir vor, in deinem Kopf stehen fünf Radios, die gleichzeitig eingeschaltet sind. Auf drei Sendern wird jeweils ein anderes Thema diskutiert, auf dem vierten läuft Salsa aus Puerto Rico und der fünfte spielt einen furchtbaren 90er-Ohrwurm in Dauerschleife.“

Während Hùng vor lauter Gedankenlärm daher kaum seinen Tagesablauf überblickt, hat Phương das beinahe zwanghafte Bedürfnis, Informationen zu ordnen. Doch Phương ist noch nicht zur Arbeit erschienen, um ihrem besten Freund zu helfen. Sie hatte am Abend zuvor einen Zusammenbruch wegen Reizüberflutung. Als Autistin ist sie überempfindlich gegenüber bestimmten Gerüchen, Lichtverhältnissen, Geschmäckern, Texturen und vor allem Geräuschen.

Auch Hùng kennt das bei ADHS. Kleinigkeiten, wie das durchdringende Parfum eines Gesprächspartners, können prompt seine gesamte Aufmerksamkeit einnehmen und ihn mächtig vom eigentlichen Thema ablenken. Während Personen, die den sogenannten hyperaktiven-impulsiven Typen haben, durch Stressoren eher wütend und wuchtig werden, richtet sich bei Menschen mit dem unaufmerksamen Typen, wie bei Hùng, die Aggression eher nach innen. „Es ist schwer zu beschreiben, wie sehr einen das belastet. Man kann nicht mehr klar denken. Da ist enormer Frust“. Neurodiverse Menschen fühlen Emotionen unverhältnismäßig stark. Das ist sehr kraftraubend und führt zu starken Selbstzweifeln. „Du bist oft traurig, hast das Gefühl, du bist einfach nie genug, egal, was du machst, und trittst ständig in Fettnäpfchen.”

Für Phương ist es noch intensiver. Äußere Reize treiben sie dann regelmäßig in einen sogenannten „Meltdown“, also in eine emotionale „Kernschmelze“, bei der ihr Körper die ganze Anspannung unkontrolliert entlädt. „Entweder ich explodiere oder viel öfter implodiere ich.“ Dann zieht sie sich zurück in ihr abgedunkeltes Zimmer und weint bitterlich. Im Gegensatz zu ihrem besten Freund, kann sie aber keine Scham fühlen. “Bei meinen Heulkrämpfen entlade ich den ganzen Ärger über meine Limitationen. Ich wünschte dann so sehr, ich wäre nicht autistisch.” Erst Stunden später erscheint sie sichtlich zerknirscht in der Sprachschule.

Insgesamt leidet Hùng seltener an Überstimulierung, dafür umso häufiger an Unterstimulierung. Da die Haupteigenschaft von ADHS in einem von Dopamin unterversorgten Hirn besteht, werden alltägliche Handgriffe wie Spülen oder Notwendigkeiten wie die Steuererklärung im besten Fall zur Pein, im schlimmsten Fall unmöglich für Betroffene. „Du wandelst immer diesen schmalen Grat zwischen quälender Langeweile und völliger Erschöpfung.“ Dann werden ihm die neuen Projekte, die er aus Rastlosigkeit angefangen hat, zum Verhängnis und er brennt aus.

Besondere Herausforderungen auf dem Arbeitsmarkt

Angesichts des Leidensdrucks und der großen Herausforderungen, sich der Norm anzupassen, finden sich viele der schätzungsweise vier Millionen Menschen mit ADHS und eine Millionen Menschen auf dem Autismus-Spektrum in Deutschland auf dem klassischen Arbeitsmarkt oft schlecht zurecht. „Wer würde mich denn langfristig beschäftigen?”

An den Referenzen liegt das nicht. Phương ist mit ihrem akademischen Hintergrund, ihrer Praxiserfahrung und ihrer Zertifizierung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außerordentlich qualifiziert. Ihr verlangen überfachliche Kompetenzen weitaus mehr ab. „Als Autistin habe ich zum Beispiel ein Problem mit Autorität. Ich verstehe keine Hierarchien und befolge keine Anweisungen, die für mich nicht logisch sind.“ Außerdem eckt Phương unweigerlich an. „Du störst den Frieden in einer Firma, wenn du Dinge aussprichst, die unter den Teppich gekehrt werden sollen.“  

Hinzu kommt, dass neurodiverse Menschen in der Regel mit der Zeit ihre Normabweichungen gekonnt maskieren. Phương etwa versucht in Gesprächen stets zu lächeln und Augenkontakt zu halten, auch wenn ihr das schwerfällt. „Wenn ich könnte, würde ich den ganzen Tag neutral gucken, aber dann denken immer alle, ich sei aggressiv.“ Hùng unterstützt sie mit unauffälligen Zeichen, die ihr bedeuten, leiser oder lauter zu sprechen, wenn ihre Betonung unnatürlich klingt. Mit einer Handbewegung signalisieren sie sich gegenseitig, einen Redeschwall zu beenden. „Das passiert, wenn wir mal ein Thema finden, das uns so richtig interessiert. Dann vergessen wir die Welt um uns herum und könnten ewig weiterreden.” 

Hyperfokus, heißt das im Fachjargon. Im Gegensatz zum betretenen Schweigen oder Unterbrechen, mit dem viele Neurodiverse auf Desinteresse reagieren, wird beim Hyperfixieren die seltene und hoch begehrte Dopaminwelle dann geritten, bis sie meist ebenso plötzlich wieder abflacht, wie sie gekommen ist. Die beiden teilen dabei je nach Thema auch ungefiltert intime Details mit dem Gegenüber. Gerade im beruflichen Kontext kann das als unprofessionell ausgelegt werden. „Jeder reagiert anders darauf und das hat alles Vor- und Nachteile. Jedenfalls kannst du dich nur eine gewisse Zeit lang verstellen“, sagt Hùng. „Bei der einen sind es zwei Jahre, bei dem anderen zwanzig, aber irgendwann bröckelt die Fassade. Spätestens, wenn du keine Kraft mehr hast.“

Selbstständigkeit und Gründen als Lösungsstrategie

Damit es gar nicht erst so weit kommt, entschieden sich die Freunde, die sich seit 18 Jahren kennen, kurzerhand ihr eigenes Unternehmen zu gründen. Die Räumlichkeiten im Wedding renovierten sie 2021 von Grund auf. Unter Anleitung der Innenarchitektin und Fotografin Caterina Rancho erschufen sie ein ausgewogenes Ambiente. Der Eingangsbereich der Sprachschule wirkt wie ein Wohnzimmer. In den Klassenräumen stehen üppige Pflanzen. Große Glasfronten lassen viel Tageslicht hinein. „Ich fand sowieso immer, dass Schulen zu klinisch sind und man in einer ästhetischen Atmosphäre besser lernt“, sagt die Pädagogin, die ihre Erfahrungen dazu in Brennpunktschulen und Integrationskursen gemacht hat.

Am nackten Putz erinnern Überreste der vorherigen Tapete an die Geschichte des Gebäudes. Einrichtungsgegenstände wie gerahmte Bilder oder runde Spiegel wiederholen sich als angestrichene geometrische Formen an den Wänden. Gemeinsam mit gebrauchten und neuen Möbeln in denselben gedeckten Farben und sanftem Lampenlicht, entsteht eine beruhigende Umgebung, die neurodiverse Menschen nicht überreizt. „Seit ich in meinem selbst erschaffenen Space arbeite, habe ich viel seltener Meltdowns.“

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Die Inneneinrichtung des Zeitgeist Zentrums ist einladend und beruhigend. Bild: Zeitgeist Zentrum.

Beim Einrichtungskonzept haben sie sich von der japanischen Philosophie des Wabi-Sabi inspirieren lassen. Lose übersetzt ist es eine Ode an das Echte, das Finden von Schönheit im Unvollkommenen. Ein Prinzip, mit dem sich die Gründer identifizieren. Es ist gleichzeitig das Leitbild ihres Unternehmens und eine Einladung an ihre Schüler. „Tatsächlich ist ein großer Teil derer, die kommen, ebenfalls neurodivers.“

Wenn das Außergewöhnliche zum Wettbewerbsvorteil wird

Entsprechend stört sich auch niemand mehr an den ungewöhnlichen Öffnungszeiten. „Anfangs war es für manche komisch. Wir sind deshalb auch noch vor 13 Uhr ans Telefon gegangen“, erinnert Hùng. Inzwischen haben sie konsequent bis mittags geschlossen und nehmen sogar im Sommer lange Auszeiten vom Unterrichten, um die sozialen Batterien wieder aufzuladen. Wenn es ausnahmsweise doch einen Sprachkurs in der Früh gibt, dann leiten andere Lehrkräfte ihn an. Aus der anfänglichen Irritation wuchs eine Zielgruppe. „Wir arbeiten dafür auch bis 23 Uhr durch. Für die meisten Expats mit regulären Jobs ist das eh entspannter.“

Der Antrieb ist aber kein rein ökonomischer, vielmehr geht es um Selbstfürsorge. „Dauernder Schlafmangel schlägt auf meine Gesundheit. Wenn ich erst nach zwei Uhr einschlafen kann, dann versuche ich, nicht vor zehn aufzustehen.“ Nach dem Aufwachen muss Hùng dann erst einmal etwas essen, seine Tabletten nehmen und warten, bis diese wirken. Er nimmt Lisdexamfetamindimesilat, einen der weltweit am häufigsten verschriebenen Wirkstoffe bei ADHS. Das Medikament steigert seine Aufmerksamkeits- und Konzentrationsfähigkeit und mindert seine Impulsivität. Aber es verringert eben auch seinen Appetit enorm. „Manchmal vergesse ich den ganzen Tag, zu essen oder zu trinken.“

Um 22 Uhr holt Hùng Tequila und Limetten aus der Küche, während Phương die Kasse zählt. Wenn heute die letzten Deutschkurse beendet sind, wird Luna França im Rahmen des Festivals Fête de la Musique ein Wohnzimmerkonzert spielen. Im Anschluss gibt es einen Umtrunk. Dafür hat die „Boutique-Sprachschule“, wie Phương ihr Unternehmen nennt, extra eine kleine Bar. Events gehören zum Gesamtkonzept dazu. Sprachenlernen funktioniere ausschließlich in Gemeinschaft, sagt sie. „Die pädagogische Dimension ist untrennbar verbunden mit der politischen, kulturellen und künstlerischen.“ Die Woche darauf wird ein Lehrgang der sexpositiven Aktivistin Pimenta Citrica über die Geheimnisse der Klitoris stattfinden. Der an Männer gerichtete Workshop ist bereits ausgebucht.

Ganzheitlicher Ansatz: Kunst, Kultur und Sprachenlernen

Insbesondere Kunstangebote würden im Zeitgeist Zentrum kulturelle Hürden abbauen. „Wenn ich ein Ventil habe, über das ich zum Beispiel Schmerz teilen kann, kann ich einen anderen Menschen und dessen Sprache viel besser verstehen.“ So entstünden leicht Kooperationen, Freundschaften oder gar Liebesbeziehungen. In einer Stadt wie Berlin ist die Nachfrage nach Zugehörigkeit besonders groß. Die Gründer selbst nehmen sich davon nicht aus. „Es ist für alle Menschen wichtig, Gleichgesinnte zu finden. Aber für die, die neurospicy sind, und für Kinder aus migrantischen Familien ist es unerlässlich. Und dann für neurospicy Migrantenkinder erst recht.“ 

Der erste Gast des Abends, die Freundin eines peruanischen Schülers, öffnet die Eingangstür. Als sie das dunkle Parkett betritt, auf dem gemusterte Teppiche mit Pepita- oder Fischgrät-Muster liegen, wird sie von der Gastgeberin abgefangen. „Schön, dass du da bist. Hier ist eine schuhfreie Zone, wie sich das für einen asiatischen Raum gehört.“

Phương und Hùng teilen sich neben ihren Aufmerksamkeitsbesonderheiten und einem Nachnamen, der als vietnamesisches Pendant zum deutschen „Müller“ bezeichnet werden könnte, auch eine bewegte familiäre Geschichte. Beide haben Eltern, die hart dafür kämpfen mussten, nach Deutschland zu kommen, nachdem sie in ihrer Heimat im Zuge des Krieges alles verloren hatten. Hùngs Familie stammt aus dem Norden Vietnams, er selbst ist 1990 in Berlin geboren und in der Hauptstadt aufgewachsen. Phương wurde 1989 in Ho-Chi-Minh-Stadt geboren. Ihr Vater ging vor dem Mauerfall in die DDR, sie kam mit ihrer Mutter im Zuge der Familienvereinigung fünf Jahre später hinterher. Ihre Geschwister wiederum sind nach 2000 in Niedersachsen geboren.

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Phương und Hùng bei der Buchvorstellung von „Komm dahin, wo es still ist“ der deutsch-vietnamesischen Journalistin Vanessa Vu und des syrischen Spoken Word Artists Ahmed Katlash.

Lebensläufe wie die ihrer Familien sind selten sichtbar, dabei gibt es schätzungsweise 188.000 Menschen mit vietnamesischen Wurzeln in Deutschland, die einen ähnlichen Hintergrund haben. Vor Kurzem lasen im Zeitgeist Zentrum die deutsch-vietnamesische Journalistin, Vanessa Vu, und ihr Mann, der syrische Künstler Ahmad Katlesh aus ihrem Buch “Komm dahin, wo es still ist” über das Ankommen in Deutschland. Zu der Veranstaltung kamen viele Deutsch-Vietnamesen und Menschen aus der ganzen Welt mit ähnlichen Erfahrungen. Im Anschluss wurde Tango getanzt. Eine Schulfreundin der Gründer, die ebenfalls ADHS hat, versorgte die Gäste mit syrisch-vietnamesischer Fusionsküche. An Buffet und Bar unterhielten die Besucher sich dann angeregt über Ähnlichkeiten und Unterschiede in ihren Biografien.

Auch der Umgang mit Neurodiversität in migrantischen Familien wurde thematisiert. „Bei uns wurde nie über sowas gesprochen. Das gehört sich in Vietnam nicht“, sagt Phương. „Bis mein Vater neulich einen seiner Brüder, der zurückgezogen auf dem Land wohnt, als Autisten bezeichnet hat. Mein Vater! Das war ein großer Schritt, dass er das Wort benutzt hat. Ich wusste gar nicht, dass er es kennt.“

Phương und Hùng planen, ihr Kursangebot um Vietnamesisch für Viet-Deutsche zweiter und dritter Generation zu erweitern. Auch Spanisch und Chinesisch stehen schon auf dem Lehrplan. Vorher wollen sie aber eine Ausstellung aus New York im Zeitgeist Zentrum wieder aufleben lassen. Sechs preisgekrönte Dokumentarfotografen beleuchten darin Themen, die Menschen trennen, während sie gleichzeitig gemeinsame menschliche Erfahrungen und das Potenzial für Empathie hervorheben. Die Bilder zeigen Motive vom verlorenen Kokain-Krieg bis zur neuen indigenen Identität in Nordecuador. Im Anschluss stehen die Künstler selbst dem Publikum Rede und Antwort.

Komplexität als Vorteil?

Die beiden wissen genau, dass ihr multifunktionales Bildungszentrum nischig ist und manche in seiner Vielschichtigkeit verwirrt. „Uns wurde vorher öfter gesagt, das sei eine viel zu wilde Mischung; das kann doch gar nicht funktionieren.” Doch das Zeitgeist Zentrum ist inzwischen als Bildungsstandort staatlich anerkannt und die eng betreuten Kursangebote werden durchgängig gebucht. Auch die Veranstaltungen ziehen bereits ein Stammpublikum an. Vor allem aber stimuliert der Abwechslungsreichtum der Aufgaben die neurodiversen Gründer. 

Obwohl es die beiden besten Freunde gleichzeitig immer wieder an ihre körperlichen und geistigen Grenzen bringt, ein Unternehmen zu führen, war es für sie gesundheitlich wie beruflich die richtige Entscheidung. „Eigentlich können wir niemandem in Deutschland guten Gewissens zur Selbständigkeit raten.“ Insbesondere Menschen auf dem Spektrum oder mit ADHS würden die bürokratischen und steuerlichen Anforderungen unverhältnismäßig stark beeinträchtigen und sie sollten daher besonders gut abwägen. „Aber wir glauben tatsächlich auch, dass es für manche Neurodiverse die einzige Möglichkeit ist, sich im Job zu verwirklichen.“ Im Fall von Hùng und Phương – die beide diagnostiziert sind und Therapie machen – ist das Erfolgsrezept vor allem ein zuverlässiger Geschäftspartner, der die eigenen Defizite aktiv ausgleicht und die persönlichen Stärken des anderen wertschätzt.

Bilder: Zeitgeist Zentrum

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    Florian Vitello

    Florian Vitello ist Co-Gründer des Good News Magazin. Vor dem GNM beriet er internationale Non-Profits zu PR und Digitalisierung. Er studierte in Hamburg, Montevideo und Newcastle upon Tyne Anthropologie, Lateinamerika-Studien und Journalismus. Florian ist Vorsitzender des gemeinnützigen Vereins MediaMundo, Autor des Buches "Good News" bei Komplett-Media und arbeitet für WDR 5 und die Lokalzeit.

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