Ein Pharmaunternehmen hat eine Gentherapie entwickelt, die das Huntingtin-Protein stoppt – das könnte Patient:innen Jahrzehnte gute Lebensqualität schenken.
Bislang ohne Hoffnung auf Heilung
Chorea Huntington gilt als eine der grausamsten neurologischen Erkrankungen. Sie ist stets tödlich und schreitet unaufhaltsam voran. Die Betroffenen erleben einen gleichzeitigen körperlichen und geistigen Verfall, der einer verheerenden Kombination aus Demenz, Parkinson und Motoneuron-Erkrankung (ein Absterben der Nervenzellen, die unser Muskelsystem steuern), gleicht. Bisher konnten lediglich die Symptome gelindert werden, den Krankheitsverlauf selbst zu beeinflussen, war nicht möglich. Das könnte sich nun dank eines neuen Therapieansatzes ändern.
Durchbruch in der Huntington-Forschung
Eine globale klinische Studie für eine neue Huntington-Behandlung habe positive Ergebnisse erzielt. Das gab das Pharmaunternehmen uniQure, der Sponsor der Studie, gemeinsam mit Wissenschaftler:innen des University College London (UCL) Ende September bekannt. Die Resultate zeigen, dass Patient:innen, die die Behandlung erhielten, insgesamt 75 Prozent weniger Krankheitsprogression erlebten als Menschen mit Huntington, die die Behandlung nicht erhielten. Es ist das erste Mal, dass eine Studie belegen kann, dass ein Therapieansatz eine anhaltende, statistisch signifikante Verlangsamung der Huntington-Progression bewirkt.
Genetische Grundlage ermöglicht neue Therapieansätze
Die Huntington-Krankheit ist eine tödliche neurodegenerative Erkrankung, die durch eine einzelne genetische Mutation verursacht wird. Diese Mutation verwandelt ein normales Protein im Gehirn – das Huntingtin-Protein – in einen Killer von Neuronen. Menschen mit einem betroffenen Elternteil haben eine 50-prozentige Chance, eine Mutation zu erben. Die meisten Betroffenen entwickeln Krankheitssymptome im mittleren Erwachsenenalter. Die Symptome beeinträchtigen ihre Bewegung, ihr Denken und ihr Verhalten.
Gerade weil die Krankheit auf einer Mutation in nur einem Gen beruht, eröffnet sich die Möglichkeit eines gentherapeutischen Ansatzes. Das Ziel der Behandlung ist es, den Spiegel dieses toxischen Proteins dauerhaft zu reduzieren.
Die neue Gentherapie AMT-130
Bei der neuen Gentherapie, auch bekannt als AMT-130, erhalten die Patient:innen eine Infusion, die direkt in das Gehirn injiziert wird. Über winzige Löcher, die durch den Schädel gebohrt werden, wird ein Katheter in den Nucleus caudatus und das Putamen eingeführt – die Hauptregionen, die bei Huntington betroffen sind. Die Injektion sendet ein harmloses Virus, das eine DNA mit sich trägt. Die DNA ist mit speziellen Anweisungen kodiert, sie trägt sozusagen die Bauanleitung für RNA-Moleküle, die wiederum die Huntingtin-RNA binden – und so die Produktion des mutierten Proteins abschalten.
Eine einmalige Behandlung mit der AMT-130 Therapie soll nach derzeitigem Forschungsstand ein Leben lang ausreichen. Im nächsten Jahr soll die Behandlungsmethode in den USA, Großbritannien und der EU zur Freigabe eingereicht werden, um mehr und mehr Patient:innen eine Therapie zu ermöglichen. Es gibt allerdings auch Stimmen, die zur Vorsicht warnen. Denn die Zahl der Teilnehmenden an der Studie ist gering: 29 Personen nahmen über die volle Studiendauer von 36 Monaten teil. Auch ist die Behandlung mit erheblichen Kosten verbunden.
“Dieses Ergebnis verändert alles”
Dennoch zeigen sich die Forschenden angesichts der Resultate optimistisch: “Dieses Ergebnis verändert alles”, erklärte der Neurologe und stellvertretender Direktor des UCL Huntington’s Disease Centre in London, Ed Wild, als einer der Hauptverantwortlichen der Studie im Interview mit der BBC.
„Für Patient:innen hat AMT-130 das Potenzial, die Alltagsfunktionen zu erhalten, ihnen ein längeres Verbleiben im Arbeitsleben zu ermöglichen und das Fortschreiten der Krankheit deutlich zu verlangsamen.” – Sarah TabriziSeine Kollegin
Sarah Tabrizi, ebenfalls Neurologin, bezeichnet die Gentherapie als „den Anfang“ – und genau das macht diese Entwicklung so bedeutsam. Nach Jahrzehnten, in denen Ärzt:innen das Fortschreiten der Krankheit und den Verfall der Betroffenen nur hilflos beobachten konnten, gibt es nun erstmals echte Hoffnung: Die Huntington-Krankheit ist nicht mehr unaufhaltsam.