Bärendame JJ4 hat 2023 einen Jogger im Trentino getötet. Seit mehr als einem Monat lebt sie im Schwarzwald im Alternativen Wolf- und Bärenpark. Ihre Geschichte erinnert uns daran, dass Konflikte zwischen Mensch und Wildtier selten nur eine tierische Ursache haben.
Die Bärendame JJ4 ist besser bekannt als ‚Gaia‘. Vor allem aber ist sie die Bärin, die polarisierte. 2023 starb der 26-jährige Jogger Andrea Papi im Trentino (Norditalien), nachdem JJ4 ihn im Wald angriff. Der Vorfall wurde zum Medienhype und die Bärin zum Symbol des Freiheitskampfes um die Braunbären in Mitteleuropa. Seit dem 20. Juli 2025 lebt die Bärin im Alternativen Wolf- und Bärenpark Schwarzwald und blieb vor einem Abschuss verschont. Projektleiter Raoul Schwarze berichtet, wie es der Bärin heute geht, ob es nicht auch „Problemmenschen“ gibt und wie das Leben mit Braunbären funktionieren kann.
Die Geschichte der „Problembär”-Familie
Bären wirken zunächst niedlich: Sie sind flauschig, haben kleine runde Ohren und dicke Pranken – Eigenschaften, die viele Menschen an ihre Teddybären zu Hause erinnern. Doch Braunbären können bis zu 400 Kilo wiegen und sind vor allem eins: Wildtiere. Sie suchen keine Nähe zu Menschen, sind nicht auf Kuschelkurs und verdienen Respekt. Am liebsten leben sie zurückgezogen im Wald, fernab menschlicher Siedlungen.
Mindestens über fünf Generationen lebten die Menschen in Mitteleuropa ohne den Bären im Wald.1999 sollten Braunbären nach rund 150 Jahren wieder in Mitteleuropa heimisch werden, nachdem sie im 19. Jahrhundert ausgerottet worden waren. Im Rahmen des europäischen Artenschutzprojekts Life Ursus wurde die junge Bärin „Jurka” aus Slowenien geholt und betrat das erste Mal italienischen Boden. Life Ursus hatte zum Ziel, die Bärenpopulation zu steigern und erzielte rasch den gewünschten Erfolg. „Jurka” paarte sich mehrmals mit dem Bärenmann „José”. Eines ihrer Jungen erhielt den wissenschaftlichen Namen JJ4 – die Buchstaben stehen für „Jurka” und „José”, die Zahl 4 für das vierte Jungtier des Paares. Jahre später sollte genau dieses Tier internationale Schlagzeilen machen. Auch ihr älterer Bruder JJ1 wurde bekannt.
JJ1, besser bekannt als „Bruno”, wurde 2006 im Auftrag der Bayerischen Landesregierung erschossen und weltberühmt. Bruno plünderte in verschiedenen Ortschaften Kaninchen-, Hühner und Ziegenställe und überschritt so menschliche Grenzen. Forschende gehen stark davon aus, dass Bruno das Verhalten von seiner Mutter lernte. „Jurka” wurde in Slowenien mutßmaßlich für touristische Zwecke angefüttert. In Slowenien gelten Bären oft als Attraktion: Mit Futter werden sie gezielt in die Nähe von Menschen gelockt. So kann Tourist:innen versprochen werden, dass sie auf der sogenannten „Bärenstraße” auch wirklich Bären sehen, erklärt Raoul Schwarze dem Good News Magazin. „Jurka” lernte damit schnell: Menschennähe = einfaches Futter. Dieses Wissen gab sie vermutlich an ihre Jungen weiter. Seine Mutter „Jurka” lebt aufgrund ihrer Tendenz, nahe bei Menschen zu sein, heute ebenfalls im Bärenpark im Schwarzwald, wie auch die Halbschwester von JJ4: „Isa”.
JJ4 – Der tragische Fall einer Bärenmutter
Bei JJ4 war das anders. Die Bärendame war bis zu dem tragischen Unfall eine unauffällige Wildbärin, wie Raoul Schwarze, Projektleiter des Wolf- und Bärenparks Schwarzwald, erklärt. Sie war lange Zeit sogar die einzige Bärin der Familie, welche nicht aus der Natur entnommen wurde.
Doch wie konnte es zu dem tödlichen Zwischenfall kommen?
Das Trentino sei ein recht überschaubares Gebiet, erklärt Projektleiter Schwarze. Die Bevölkerung weiß dort genau, wo sich Bären aufhalten. Es gebe auch eine weitere Seite, wo es gar kein Bärenaufkommen gebe. Zusätzlich haben sich die Tiere so stark an den Menschen angepasst, dass sie mittlerweile überwiegend nachts aktiv sind – obwohl Bären eigentlich tagaktiv sind. Als Andrea Papi joggte, trafen mehrere ungünstige Faktoren zusammen: Er war in der Dämmerung unterwegs, also zu einer Zeit, in der Bären aktiv sind. Er hielt sich abseits der Wege auf, dort, wo sich die Tiere bevorzugt bewegen, und trug zudem Kopfhörer. JJ4 war zu dieser Zeit Mutter und führte zwei Welpen. Diese zu verteidigen, liege in der Natur des Tieres und sei arttypisch, erklärt Raoul Schwarze weiter. Normalerweise würde es sonst zu keinem tödlichen Zusammentreffen kommen, versichert er.
„Bären haben keinen Bock auf Menschen.”, fasst er zusammen.
Der tragische Unfall aus der Nacht vom 5. auf den 6. April 2023 wird zum ersten großen Zwischenfall zwischen Mensch und Bär in Mitteleuropa seit vielen Jahren. Dass es sich tatsächlich um einen Bärenangriff handelte, versicherte die Obduktion.
Von der Abschussliste in den Schwarzwald
Die Folgen des Unfalls waren weitreichend und über die Grenzen von Italien hinweg präsent: JJ4 wurde zum politischen Instrument und von vielen Medien als „Killerbär” deklariert. Aus Sicht des Tieres war die Entwicklung weder ungewöhnlich noch monströs. „Ein Bär kennt keine Grenzen”, so Schwarze, „Grenzen sind eine rein menschengemachte Ideologie. Das kennt ein Wildtier nicht.” Das trifft für eine Bärenmutter mit zwei kleinen Jungen in ihrem Gebiet ganz besonders zu.
Diese Ansicht vertraten auch zahlreiche Tierschützer:innen in Italien. Schließlich wurde JJ4 von der Schuld freigesprochen. Sie wurde nach dem Vorfall eingefangen und konnte nach dem Urteil weder in der Übergangsstation in Italien bleiben noch konnte sie ausgewildert werden. Die Stimmung im Trentino blieb zum Zerreißen angespannt. Der Provinzpräsident Maurizio Fugatti erteilte …
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