Andhra Pradesh überdenkt die Lebensmittelsysteme in Indien durch ‘Natürliche Landwirtschaft‘.
Reis ist eines der beliebtesten Grundnahrungsmittel der Welt und wird von 3,5 Milliarden Menschen verzehrt. Reis, Mais und Weizen machen 60 Prozent der weltweit aufgenommenen Nahrungsenergie aus, und China, Indien und Indonesien sind die größten Reisproduzenten der Welt.
Andhra Pradesh ist aufgrund seiner geografischen Gegebenheiten gemeinhin als „Rice Bowl of India“ bekannt. Hier befindet sich die Region des Krishna-Godavari-Deltas, die mit ihrem fruchtbaren Boden, dem heißen und feuchten Klima und der hohen Verfügbarkeit von Wasser optimale Voraussetzungen für den Reisanbau bietet.
Natürlich hat der Klimawandel seinen Tribut an die indische Reis-Erzeugung gefordert. Extreme Wetterereignisse wie Dürren und starke Regenfälle, aber auch Pflanzenschädlinge und schlechte Bodenqualität tragen zu diesem Problem bei. Infolgedessen sind viele Landwirt:innen und Landarbeiter:innen in Indien hoch verschuldet, auch die Suizid-Rate hat durch die Probleme zugenommen.
Die Regierung von Andhra Pradesh (GoAP) und das Programm APCNF (Andhra Pradesh Community-managed Natural Farming) haben weitere Probleme festgestellt:
In einer Erklärung auf deren Website heißt es:
“Die Lebensmittel, die wir essen, sind nicht sicher und nicht mehr so nahrhaft wie in der Vergangenheit. Wir haben eine enorme Krise an der Bodenfront, da wir große Mengen an organischer Substanz verloren haben und dies auch weiterhin in rasantem Tempo tun. Es gibt einen schweren Wasserstress. Der Verlust der biologischen Vielfalt ist sehr groß.”
Die Lösung: Landwirtschaft im Einklang mit der Natur
Das GoAP und andere Organisationen haben diese katastrophale Situation erkannt, und es wurden bereits Schritte unternommen, um diese Probleme anzugehen und zu bekämpfen. Seit 2016 setzt das GoAP (neben anderen Staaten) auf „Natural Farming“, ein chemiefreies, auf Agrarökologie basierendes Anbausystem, das darauf abzielt, die Gesundheit der Böden wiederherzustellen, die biologische Vielfalt zu fördern und zu erhalten, natürliche und lokale Ressourcen effizient zu nutzen und den Tierschutz zu gewährleisten. Kurz gesagt, es geht um eine Landwirtschaft im Einklang mit der Natur, die auch als „Regenerative Landwirtschaft“ bezeichnet wird.
„Die Regierung möchte das Nettoeinkommen der Landwirte erhöhen, indem sie ihre Anbaukosten senkt, ihre Erträge verbessert, ihre Risiken verringert und es ihnen ermöglicht, einträgliche Preise zu erzielen. Wir sind der festen Überzeugung, dass diese Ziele durch eine Landwirtschaft im Einklang mit der Natur erreicht werden können und nicht durch den Einsatz von teuren synthetischen Düngemitteln, Pestiziden, Herbiziden und Unkrautvernichtungsmitteln“, heißt es auf der Website des APCNF.
Es wird auch ausdrücklich erwähnt, dass „das Programm auf die Landwirte ausgerichtet ist … und von ihren Innovationen angetrieben wird“. Ein Teil des Ziels ist es, bis 2031 sechs Millionen Landwirt:innen von konventioneller, chemischer Landwirtschaft auf natürliche Landwirtschaft umzustellen.
Probieren geht über Studieren
Um den Systemwechsel zu einer natürlichen Landwirtschaft weiter zu unterstützen, arbeiten das GoAP, das französische Agrarforschungszentrum für internationale Entwicklung (CIRAD) und die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) zusammen und haben die Foresight-Studie AgroEco2050 entwickelt. Die Studie untersucht zwei gegensätzliche Landwirtschaftsphilosophien: ein industrielles Landwirtschaftsszenario und das vorgeschlagene natürliche Landwirtschaftsszenario, und zielt darauf ab, „zwei unterschiedliche Visionen zu entwickeln und zu quantifizieren, wie Landwirtschaft, Ernährung, Natur, Arbeitsplätze und Wohlstand in Andhra Pradesh im Jahr 2050 aussehen könnten.“
Das Szenario „Industrielle Landwirtschaft“ bezieht sich auf eine Gesellschaft, die in hohem Maße vom internationalen Handel und Preiswettbewerb, vom Konsumverhalten, von fossilen Brennstoffen und chemischen Stoffen abhängig ist. Das Szenario „Natürliche Landwirtschaft“ bezieht sich auf eine Gesellschaft, die auf einer höheren Einkommensqualität, einer chemiefreien Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion, lokalen Märkten, Kleinindustrien und der Verschmelzung von wissenschaftlichem und einheimischem Wissen basiert.
So würde Andhra Pradesh im Jahr 2050 aussehen, wenn das Szenario „Natürliche Landwirtschaft“ umgesetzt würde:
- Im Vergleich zur industriellen Landwirtschaft wären doppelt so viele Bauer:innen beschäftigt.
- Die natürliche Landwirtschaft würde mehr pflanzliche Nahrungsmittel pro Kopf produzieren (5.008 kcal/Tag) als die industrielle Landwirtschaft (4.054 kcal/Tag)
- Durch die Regenerierung von Böden und Ökosystemen stünde mehr Land für die Produktion zur Verfügung.
- Praktiken würden für sichereres Wasser, größere Artenvielfalt, sauberere Luft und trockenheitsresistentes Land sorgen.
- Die negativen Auswirkungen des Klimawandels würden abgemildert und die Emissionen verringert, da der gesunde Boden Kohlenstoff bindet.
- Die Ungleichheiten zwischen Landwirt:innen und Nicht-Landwirt:innen würden verringert.
Wie die natürliche Landwirtschaft Andhra Pradesh geholfen hat
Wir müssen nicht bis 2050 warten, um die Ergebnisse dieser regenerativen Praktiken zu sehen. Schon jetzt sind in Andhra Pradesh höhere Einkommen und bessere Erträge zu verzeichnen, die biologische Vielfalt und die Klimaresistenz werden gestärkt, und auch die Nachfrage nach Produkten aus der §Natürlichen Landwirtschaft” steigt.
Neben den zahlreichen Vorteilen für die Umwelt hat die Umstellung auf die “Natürliche Landwirtschaft” den Gemeinden und insbesondere den Frauen enorme Vorteile gebracht. In Indien wird ein großer Teil der landwirtschaftlichen Arbeit von Frauen verrichtet, auch wenn es sich dabei größtenteils um unbezahlte oder nicht abgerechnete Arbeit handelt. Nach Angaben des APCNF gibt es 140.000 Frauenselbsthilfegruppen, und die Landwirtschaft wird weitgehend von Frauen geleitet und vorangetrieben, wodurch soziales Kapital für eine langfristige Nachhaltigkeit aufgebaut und die Frauen und die Gemeinschaft gestärkt werden.
Mit gutem Beispiel vorangehen
Andhra Pradesh wird zu einem leuchtenden Beispiel dafür, wie natürliche Landwirtschaft und Agrarökologie allen zugutekommen können: unseren Gemeinschaften, unserer Gesundheit und der Umwelt. Laut der APCNF-Website hat eine aktuelle Studie ergeben, dass Andhra Pradesh bereits unglaubliche Ergebnisse erzielt. Im Zeitraum 2020-2022 stiegen die Nettoeinkommen der APCNF-Landwirt:innen um 49 Prozent, während der Einsatz chemischer Betriebsmittel um 56 -73 Prozent reduziert wurde und die durchschnittlichen Erträge um 11 Prozent höher waren. Darüber hinaus wiesen die APCNF-Landwirte eine um 88 Prozent höhere Ernährungsvielfalt auf, und die Pflanzenvielfalt in diesen Betrieben stieg von 2,1 auf vier Pflanzen. Auch die Nachfrage nach dieser Vielfalt wuchs an.
Diese hervorragenden Ergebnisse werden wahrgenommen, und andere Länder und internationale Einrichtungen hoffen, das APCNF-Modell in naher Zukunft übernehmen zu können. In der Zwischenzeit bedeutet die natürliche Landwirtschaft in Indien, dass die Bäuerinnen, Bauern und Gemeinschaften eine höhere Lebensqualität erfahren und gleichzeitig die Rettung des Planeten unterstützen.