Dort helfen, wo es am nötigsten ist

das ist ein GNM+ ArtikelFundraiser sammelt 10.000€ für Generatoren für Ukrainer:innen

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von | 24. November, 2022

Binnen zwei Wochen spendeten Menschen über 10.000 € für Generatoren, die an Ukrainer:innen in Not gehen. Dank seines Erfolgs wird der Fundraiser nun verlängert.

Der Winter kommt. Das ist für die Menschen in der Ukraine kein Game of Thrones-Zitat, sondern bitterer Ernst. Denn neun Monate nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges gibt es in über zehn Millionen ukrainischen Haushalten keinen Strom und oft keine Heizung, um der Kälte zu trotzen. Zwei Mitglieder eines Rotterdamer Filmkollektivs haben daher einen Fundraiser organisiert, um Geld für Generatoren sammeln. In unter zwei Wochen haben sie ihr Ziel von 10.000 € erreicht und konnten erste Hilfsgüter in die Ukraine liefern. Der erfolgreiche Fundraiser wird nun verlängert, inzwischen wurden mehr als 14.000€ gespendet.

„Unglaubliche Großzügigkeit”

Marta Hryniuk und Nick Thomas sind die Gesichter hinter dem Fundraiser. Die beiden Mitbegründer:innen des Rotterdamer WET-Filmkollektivs sind selbst überrascht vom Erfolg ihrer Kampagne. Anfang November starteten sie ihren Fundraiser Generator – Humanitarian Aid For At-risk Ukrainians mit dem Ziel, bis Ende des Monats 10.000€ zu sammeln. Schon nach 13 Tagen hatten sie diese Summe erreicht. „Die Leute sind unglaublich großzügig”, schwärmt Nick im Interview. Aufgrund des großen Erfolgs läuft der Fundraiser nun auf zunächst unbestimmte Dauer weiter, wie er verkündet:

„Jeder Euro, den wir erhalten, wird weiter in Hilfsgüter investiert. Die Menschen in der Ukraine brauchen unsere Unterstützung!”

Nick Thomas

Die ersten Hilfsgüter haben Marta und Nick schon in die Ukraine gebracht. Bereits am 16. November, deutlich vor ihrem Zeitplan, machten sie sich mit dem Zug auf den Weg nach Polen, von dort aus ging es weiter nach Lemberg. Im Gepäck: Acht Lithium-Batterien von gebrauchten E-Autos. Die haben Marta und Nick in Rotterdam von einem Händler erstanden, der solche Batterien instand setzt und weiterverkauft. 

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Nick schwer bepackt im Zug von Rotterdam nach Warschau. Von dort ging es weiter nach Lemberg, wo die ersten Hilfsgüter und Generatoren an Menschen vor Ort weiterverteilt wurden. Bild: Marta Hryniuk und Nick Thomas.

Als wir am 17. November sprechen, ist Nick gerade in Warschau, während Marta im Osten Polens unterwegs ist, um zusätzlich zu den Batterien noch Generatoren einzusammeln. Sie können in den ländlichen Grenzregionen, in Feldkrankenhäusern und anderen Orten, wo Elektrizität fehlt, eingesetzt werden, um dringend notwendigen Strom zu erzeugen. Generatoren sind Mangelware in der Ukraine, aber auch im angrenzenden Polen. Die wenigen, die verfügbar sind, übersteigen die eigentlichen Preise oft um ein drei- oder vierfaches, wie Nick berichtet. Umso wichtiger ist es, so viel Geld wie möglich für Generatoren und weitere Hilfsgüter zu sammeln und diese dorthin zu bringen, wo sie am dringendsten benötigt werden. Dabei erhalten sie Hilfe von den Freefilmers.

Es geht um die Grundbedürfnisse

Freefilmers ist ein Kollektiv von ukrainischen Filmemacher:innen und Künstler:innen. Ursprünglich aus Mariupol, sind manche Mitglieder inzwischen ins Ausland gezogen. Andere sind Binnenvertriebene in der Ukraine und viele von ihnen haben Freund:innen und Angehörige in den besetzten Gebieten. Seit Februar richten sie all ihre Energie auf „den Aufbau eines Netzwerks der Solidarität und Unterstützung für die Ukrainer:innen, die unter der russischen imperialistischen Aggression leiden und dagegen kämpfen“.

Marta und Nick kennen die Freefilmers seit Oktober 2021, damals veranstaltete das WET-Filmkollektiv ein Screening einiger der Filme der Freefilmers in Rotterdam. Seitdem sind die beiden Kollektive in ständigem Austausch. Als am 24. Februar dann die russischen Truppen in die Ukraine einmarschierten, war beiden Gruppen klar, dass sie aktiv werden müssen. „Wir hatten schon vorher eine Bindung zur Ukraine, Martha hat dort Freunde und Familie und wir haben dort 2019 and 2021 schon Filme produziert“, erzählt Nick. „Jetzt haben wir eine umso stärkere Bindung. Wir wollten einfach unser Bestes tun, um unseren Freunden zu helfen.“

Schon zu Beginn des Krieges hatten Marta und Nick mit ihrem Kollektiv einige Aktionen zur Unterstützung der Menschen in der Ukraine durchgeführt. Jetzt, wo der Winter naht, wird diese Unterstützung noch einmal richtig wichtig:

„Es geht jetzt wirklich darum, Strom zu haben. Darum, nicht zu erfrieren. Es geht um die Grundbedürfnisse und die Menschen brauchen diese Hilfe. Sie brauchen die Wärme.“

Nick Thomas

Generatoren, Thermounterwäsche und Hygieneprodukte

So entstand die Idee für den Fundraiser. „Wir haben mit unseren Freund:innen in der Ukraine darüber gesprochen, was jetzt so kurz vor dem Winter wirklich nötig und hilfreich ist“, berichtet Nick, „und dann haben wir gesagt: komm, wir machen das einfach. Und es hat funktioniert, das ist unglaublich!“ Insgesamt acht Batterien und zwölf Generatoren konnten Marta und Nick mit dem gesammelten Geld bereits kaufen. Doch das ist nicht alles. Der Van, mit dem die beiden am Wochenende von Warschau nach Lviv gefahren sind, war zudem vollgepackt mit Dingen wie Thermounterwäsche oder Windeln für Erwachsene.

Es sind diese kleinen, simpel wirkenden Dinge, die jetzt den Unterschied machen, berichtet Nick. „Ein Freund von den Freefilmers sagte mir letztens: ‚Jeder Mensch hier braucht Thermounterwäsche’. Das ist das Level, auf dem wir uns bewegen.“

Aus der Berichterstattung, ergänzt er, werde zwar deutlich, wie akut die Situation in der Ukraine gerade ist. Dennoch, die Schlagzeilen zu lesen und zu verstehen, was sie für die Menschen vor Ort bedeuten, seien oft zwei verschiedene Dinge. Was dabei manchmal unterginge ist das, was konkret getan werden kann – oder auch, was schon geleistet wird, um die Grundversorgung in bestimmten Regionen bestmöglich aufrechtzuerhalten.

Dort helfen, wo es am dringendsten notwendig ist

Denn das Hilfsnetzwerk, das in der Ukraine besteht, ist beeindruckend, erklärt Nick. Seit Beginn des Krieges hätten professionelle Hilfsorganisationen und Freiwillige ein umfassendes und effektives Logistiksystem aufgebaut. Über dieses System wird auch der Inhalt des Vans weiterverteilt, mit dem Marta und Nick sich auf den Weg nach Lemberg gemacht haben. Dort angekommen ist der Plan, sich mit einigen Freefilmers zu treffen. Diese wissen aufgrund ihrer Verbindungen, wie und wohin die Hilfsgüter am besten weitergeschickt werden können. Einiges kann sogar per Post versandt werden, den Rest liefern Fahrer:innen auf etablierten Routen in den Osten der Ukraine. Auch von Warschau aus machen sich regelmäßig vollbeladene Lastwagen auf den Weg nach Lemberg und weiter nach Osten.

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Marta und Freunde von den Freefilmers beim Entladen der Generatoren. Die Mitglieder des Kollektivs übernehmen die weitere Verteilung der Hilfsgüter. Bild: Marta Hryniuk und Nick Thomas.

Dass sie direkt mit den Freefilmers zusammenarbeiten können, um dieses Netzwerk zu nutzen, hat für Nick mehrere wichtige Vorteile: „Natürlich gibt es größere Organisationen, aber ich glaube, die Freefilmers sind als kleine Organisation flexibler. Sie haben außerdem eine sehr enge Verbindung mit den Menschen vor Ort und wissen, wo Hilfe am dringendsten benötigt wird.“

“Wir haben sie gefragt, was die Menschen gerade wirklich brauchen und jetzt übergeben wir ihnen die Hilfsgüter und sie verteilen sie so, wie sie es für richtig und notwendig halten. Wir wissen, dass wir ihnen komplett vertrauen können.“

Nick Thomas

Humanitäre Unterstützung für Minderheiten

Dabei setzen sich die Freefilmers besonders dafür ein, dass wirklich alle Menschen Zugang zu Hilfsgütern bekommen. Bis Anfang 2022 lag der Hauptfokus des Kollektivs darauf, das Leben der Menschen im Osten der Ukraine filmisch festzuhalten, um eine Geschichte zu erzählen, von einem diversen Land mit einer diversen Bevölkerung. In ihren Filmen zeigen sie die Lebensrealität der Arbeiter:innen, richten den Blick jedoch auch auf die Situation von Angehörigen der LGBTQ-Community und problematisieren die Verfolgung von Angehörigen der Roma-Community. Seit der russischen Invasion im Februar richten sie ihre Anstrengungen konkret darauf, dass auch Angehörige von Minderheiten humanitäre Unterstützung erhalten.

Gleichzeitig, so berichtet Nick, versuchen die Freefilmers, soweit es die Situation zulässt, weiterhin filmisch aktiv zu sein, denn „sich nicht davon abhalten lassen, weiterhin künstlerisch zu arbeiten, das ist auch eine wichtige Form des Widerstands“. So unterstützen sie Journalist:innen bei der Berichterstattung oder organisieren Filmscreenings in europäischen Großstädten wie Rotterdam und Berlin. Damit wollen sie das Bewusstsein und die Aufmerksamkeit für das, was in ihrem Land geschieht, schärfen und Gelder sammeln, um weiterhin die Menschen mit dem Notwendigsten zu versorgen.

Denn auch die Freefilmers haben einen Fundraiser. Das Geld fließt unter anderem in Erste-Hilfe-Ausrüstung, elektronische Hilfsgeräte, die Unterstützung von Binnenvertriebenen und die Unterstützung von queeren Aktivist:innen und Menschen besonders gefährdeter Gruppen wie Roma, Frauen aus ländlichen Gebieten und Menschen mit Behinderungen. „Das Geld wird auf die bestmögliche Art investiert“, sichert Nick zu und erinnert daran: „Das hier ist nichts, was in naher Zukunft gelöst werden kann, sondern eine Krise, die anhalten wird. Deshalb brauchen wir Unterstützung, von allen, in ganz Europa, in der ganzen Welt.“

Gründe zur Hoffnung

Gibt es denn angesichts dieser Krise, deren Ende wir derzeit noch nicht absehen können, auch Gründe zur Hoffnung, frage ich Nick. Die Antwort kommt prompt und bestimmt: „Absolut!“ Und zwar gleich mehrere: „Die Freefilmers sind ein riesiger Grund zur Hoffnung für uns. Zu sehen, wie unsere Freunde in der Ukraine all diese unglaubliche und schwierige humanitäre Unterstützung leisten und dazu trotzdem immer wieder noch die Kraft finden, sich kreativ auszudrücken und ihre Geschichten zu erzählen, das ist einfach inspirierend. Es gibt uns enorm viel Hoffnung zu sehen, wie viel sie bewegen.“

Und dann ist da noch ein anderer großer Grund: „Die große Solidarität. Es ist eine schreckliche Situation, aber sie ruft das Beste in uns Menschen hervor und es ist Wahnsinn, so viel Großzügigkeit zu sehen.“ Ihr Fundraiser ist dafür das beste Beispiel. „Die Leute haben wirklich keine Mühen gescheut, um uns zu helfen, das war unglaublich“, strahlt Nick. „Eine Person hat anlässlich ihres Geburtstages eine große Summe Geld gesammelt, ein Bekannter hat bei einer Tour seiner Theateraufführung Spenden gesammelt und das komplette Geld an unsere Kampagne gegeben. Am Anfang wussten wir nicht, ob 10.000 € ein realistisches Ziel sind und jetzt haben wir es geknackt!“

Die Großzügigkeit der Spender:innen und ihre Eindrücke aus der Ukraine, wo sie vor Ort bezeugen konnten, wie dringend die Hilfsgüter benötigt werden und wie viel Kraft und Herzblut die Menschen in die Beschaffung und Verteilung solcher Hilfsgüter investieren, haben Marta und Nick dazu bewogen, den Fundraiser zu verlängern: „Jeder Euro den wir erhalten, wird investiert, sei es in Generatoren oder Thermounterwäsche. Wir werden das Geld direkt dorthin lenken, wo es vor Ort am meisten gebraucht wird“, erklärt Nick. Und er appelliert an uns alle: „Wir danken allen, die gespendet haben, von Herzen. Wir brauchen und schätzen jede Unterstützung, die wir erhalten. Wenn es euch möglich ist, spendet.“

Spenden könnt ihr unter Generator – Humanitarian Aid For At-risk Ukrainians.
Den Fundraiser der Freefilmers und genauere Informationen dazu, wie das Geld eingesetzt wird, findet ihr hier.

Beitragsbild: Nick Thomas und Marta Hryniuk

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    Luisa Vogt

    Luisa Vogt ist stellvertretende Print-Chefredakteurin beim Good News Magazin und liebt Sprachen, Reisen und das kennenlernen verschiedenster Kulturen. Beim Good News Magazin lebt sie ihre Leidenschaft für Sprache und für spannende, schöne Berichte aus aller Welt - weil die Welt viel mehr realistischen Idealismus braucht. Außerdem studiert sie nach ihrem Bachelor in Englisch und Französisch inzwischen im Master Asien- und Afrikastudien in Berlin und arbeitet als Lerntherapeutin.

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