Die Logistik-Branche im Wandel

das ist ein GNM+ ArtikelDort bewegt sich die Logistik-Branche hin

von | 27. Mai, 2024

Die Logistik-Branche steht unter großem Druck. Während das Gütervolumen steigt, sieht die Europäische Union vor, dass die Emissionen bis 2030 stark sinken müssen. Der CEO des Smart Freight Centre Christoph Wolff erklärt uns, wo sich die Branche gerade befindet und warum er trotz großer Herausforderungen zuversichtlich ist.

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Hinter den Docks des Hamburger Hafens geht die Sonne auf. Es ist 7:30 Uhr morgens. Während ein Teil der Stadt noch schläft, wuseln bereits etliche Gesichter den Hansekai entlang. Menschen rufen sich gegenseitig Anweisungen zu. Die Wellen schwappen gegen die Steinwände des Hafenbeckens. Riesige Containerschiffe steuern die Bucht an. Maschinerie wird aufgefahren, um die großen bunten Quader mit den unterschiedlichen Firmenaufschriften vom Schiff zu laden und an anderer Stelle wieder abzusetzen.

Es ist 3:00 Uhr morgens, draußen ist es stockdunkel. Auf den Straßen ist nicht viel los, vereinzelt nehmen LKWs die lange Strecke in eine unbekannte Richtung auf sich. Neben Ingo ertönen schrille Geräusche aus seinem Smartphone. Guten Schlaf bekommt er selten in diesem Beruf. Ingo räkelt sich, seine Hände und Füße stoßen gegen die Außenwände seines LKW. Er befindet sich auf der Fahrt von Italien nach Kopenhagen, im Gepäck frisches Gemüse. Seine Familie hat er bereits seit einer Woche nicht mehr gesehen. Seine Fahrten treiben ihn immer wieder in die unterschiedlichen Metropolen Europas – im Laderaum lag dabei schon alles: von Frischware über Kühlschränke bis hin zu Textilien.

Und so reisen überall auf dieser Welt verschiedenste Güter an ihre Ziele – tags und nachts, sieben Tage die Woche, 365 Tage im Jahr. Die Branche steht selten still. Und während sich die Güter fortbewegen, stoßen große Gefährte dauerhaft enorme Massen an Emissionen aus. Im Jahr 2022 wurden 19,8 Prozent der Emissionen in Deutschland durch den Verkehr verursacht. Weltweit macht der Güterverkehr dabei rund acht bis zehn Prozent der Emissionen aus. Das Gütervolumen ist laut Deutschem Zentrum für Luft- und Raumfahrt seit 1990 kontinuierlich gewachsen, von 383,9 Milliarden Tonnenkilometern* auf 678,7 Milliarden im Jahr 2019 – ein Anstieg von rund 77 Prozent. Corona-bedingt ging das Volumen in den darauffolgenden Jahren leicht zurück, befindet sich mittlerweile aber wieder auf einem neuen Rekordniveau.

Die deutsche Regierung hat es sich zum Ziel gemacht, die CO2-Emissionen bis 2030 um die Hälfte im Vergleich zu 1990 zu reduzieren. Zeitgleich beeinflusst der Klimawandel die Transportbranche erheblich, beispielsweise durch extreme Trockenheit und sinkende Wasserstände in Flüssen. Neben den Klimazielen üben steigende Kosten, zum Teil durch den CO2-Preis für Treibstoffe, Druck auf die Branche aus. Wandel muss her, doch wie schafft man es, eine ganze Branche nachhaltig zu verändern? Besonders, wenn sie maßgeblich aus globalen Vernetzungen und Abhängigkeiten besteht?

Um uns ein besseres Bild von der Transportbranche zu machen – und zu verstehen, wie Wachstum und Wandel nebeneinander existieren können – haben wir mit Christoph Wolff, Smart Freight Centre-CEO gesprochen. Und wurden überrascht: Von der Schnelligkeit und Zielstrebigkeit, mit der der Transport sich weiterentwickelt. Und von Wolffs Überzeugung, dass sich die ambitionierten Klimaziele trotz Wachstum der Branche erreichen lassen.

Über Christoph Wolff und Smart Freight Centre:

Dr. Christoph Wolff ist Chief Executive Officer des Smart Freight Centre, einer internationalen gemeinnützigen Organisation, die sich auf die Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Güterverkehr konzentriert. Bis Ende 2021 war Christoph Wolff Mitglied des Exekutivkomitees des Weltwirtschaftsforums und leitete die Plattform „Mobility & Transport”, die die Initiativen des Forums zu Nachhaltigkeit und Digitalisierung in der Logistik umfasst.

Christoph headshot
© Smart Freight Centre

Zuvor war er von 2014 bis 2018 Geschäftsführer der European Climate Foundation. Als Vorstandsmitglied von DB Schenker war er für das internationale Geschäft und den Betrieb der Bahnsparte des Unternehmens verantwortlich.

Herr Wolff, wie wird man eigentlich CEO des Smart Freight Centre?

Bevor ich vor zwei Jahren die Geschäftsführung des Smart Freight Centre übernommen habe, war ich lange Zeit in der Industrie und Beratung sowie beim Weltwirtschaftsforum für die Plattform “Mobilität und Transport” tätig und habe mich eigentlich immer mit Mobilität und Logistik beschäftigt. Ich habe außerdem eine Ausbildung als Ingenieur hinter mir. 

Was macht Smart Freight Centre eigentlich genau?

Smart Freight Centre ist ein gemeinnütziges Unternehmen, mit Sitz in Amsterdam und zehn Jahre alt. Wir sind eine global agierende Plattform – so könnte man es nennen – und wir haben den Standard entwickelt für Emissions Accounting, das Quantifizieren von CO2-Emissionen in vollständigen Lieferketten, also von einem Versender zu einem Empfänger. Das kann über verschiedene Modi gehen: See, Land (Straße oder Schiene) und Luft.

Smart Freight Centre hat also vor zehn Jahren eine Methodik entwickelt, mit der man diese Emissionen berechnen kann. In einer Art und Weise, mit der sie direkt in der Unternehmensberichtserstattung aufgegriffen werden können. Das ist quasi ein Jahresreport, den Unternehmen veröffentlichen können (und häufig auch müssen) und der unter anderem sämtliche Emissionen, die in der Lieferkette entstehen, transparent zusammenfasst.

Warum braucht man für das Messen von Emissionen überhaupt einen Standard?

Man braucht in unterschiedlichen Unternehmen die gleiche Grundlage für Methoden. Nur so sind Angaben verlässlich, nachvollziehbar und vergleichbar. Ansonsten wirken diese Angaben unglaubwürdig und willkürlich zusammengewürfelt. Unsere Methodik ist vor Kurzem ISO Standard geworden. Wir haben da eine Führungsrolle eingenommen. Der ISO Standard ist ein weltweit anerkannter Standard. Wir arbeiten eng zusammen mit der Science Based Targets Initiative (SBTi).* Da hängen sehr viele Unternehmen dran. Wir sind ein strategischer Partner und helfen diesen Unternehmen, ihre Emissionen zu messen und richtig zu kommunizieren.

Wie genau kann man sich das vorstellen?

Wir haben eine Plattform entwickelt, auf der wir gemeinsam Emissionen messen und die Informationen in Berichten zusammenfassen. Wir sind mittlerweile eine globale Community von 200+ Organisationen – sozusagen alle großen Versender, die Güter durch die Welt schicken, egal ob mit Containern auf Schiffen oder als Luftfracht oder auf der Straße. Der Transportmodus spielt keine Rolle, auch nicht die Industrie. All diese unterschiedlichen Unternehmen vereinen wir und gemeinsam arbeiten wir daran, diese Emissionen zu messen, zu analysieren und dann natürlich gemeinsam zu reduzieren.

Auf der Logistik-Branche lastet ein ziemlich großer Druck, sich zu verändern, zukunftsorientierter zu werden, zu dekarbonisieren, während die Branche gleichzeitig aber deutlich am wachsen ist. Wie funktioniert das, dass Prozesse angestoßen werden, damit sich so eine riesige, stark vernetzte Branche überhaupt verändern kann?

Das ist genau die Herausforderung. Die Logistik ist eine globale Industrie. Der Transport ist für etwa 25 Prozent der Emissionen zuständig – die Logistik ein Drittel davon – also etwa acht bis zehn Prozent. Sie hat damit genauso viel Gewicht wie die globale Stahlindustrie.

Letzten Endes gibt es die großen Versender, also diejenigen, die dafür verantwortlich sind, dass Güter durch die Gegend transportiert werden. Sie lassen Lieferketten entstehen. Und ihre Aufgabe ist es deshalb auch, Lieferketten transparenter zu machen und Verantwortung für die Emissionen in den Lieferketten zu übernehmen.

Wie genau kann man sich das vorstellen?

Also es gibt so eine Art Rahmenwerk für die Bezeichnung von Emissionen. Man unterscheidet zwischen Scope 1, Scope 2, und Scope 3. Scope 1 und Scope 2 beschreiben, was im unmittelbaren Umfeld eines Unternehmens passiert – quasi durch die eigenen Aktivitäten. Und Scope 3 beschreibt, was in den Lieferketten passiert. Das sind beispielsweise Emissionen aus Material oder Transport eines Materials oder der Endprodukte. Die Idee ist, dass die großen Unternehmen dieser Welt sagen: Wir nehmen uns der Verantwortung für die Emissionen unserer Partner in den Lieferketten an. Das erfordert sehr viel Koordination. Stellen wir uns ein fiktives Beispiel vor: Ein Unternehmen wie Kühne + Nagel nämlich muss nicht mehr nur noch auf die eigenen Emissionen schauen, sondern sich stattdessen zum Beispiel mit UPS zusammen tun und mit Schenker und sich mit diesen Versendern ganz intensiv austauschen. Gemeinsam arbeiten sie an Standards und Datenplattformen, die eine Aggregation der Emissionen über die vollständige Lieferkette möglich machen. Jedes dieser Logistiknetzwerke arbeitet mit den Transporteuren, Dienstleistern und Unterauftragnehmern zusammen, die für sie arbeiten, um die gesamten Emissionen zu messen.

Und welche Rolle übernimmt dann Smart Freight Centre?

Wir arbeiten mit diesen Unternehmen zusammen. Wir helfen ihnen dabei, diese Emissionen in der Lieferkette zu messen. Das Messen ist dabei der entscheidende und vor allem auch erste Schritt. Ohne Messen kann man nichts verändern. Das muss also die Basis fürs Handeln sein. Und dann folgen eine ganze Reihe an Maßnahmen und Schritten, die man als Unternehmen lernen kann. Es gibt in den meisten Unternehmen Abteilungen, die sich mit Nachhaltigkeit in der Logistik beschäftigen. Das sind unsere Partner. Wir arbeiten mit diesen Menschen zusammen, die bei den großen Unternehmen dieser Welt in der Logistik sitzen. Die sind beispielsweise verantwortlich für den Nachhaltigkeitsbericht. Es ist eine Vorgabe für die meisten Unternehmen, dass sie einmal im Jahr einen Bericht über ihre Bemühungen in den Bereichen Environmental, Social, Governance (dt.: Umwelt, Soziales und verantwortungsvolle Unternehmensführung, kurz: ESG) vorlegen müssen. Und in dem Rahmen müssen die Unternehmen zeigen, wo ihre Emissionen aus Scope 1, 2, und 3 herkommen und wie sie diese reduzieren. Das können die Unternehmen alleine aufgrund der Komplexität in der Regel nicht leisten – denn in Zeiten globaler Zusammenarbeit hängen an einer Lieferkette in der Regel sehr viele Unternehmen, die nicht unbedingt alle verlässliche Daten erheben und diese transparent weitergeben. Und deshalb gibt es uns. Wir vernetzen all diese Leute. Wir schaffen es, mit ihnen gemeinsam langfristig Emissionen zu reduzieren.

Können Sie das noch ein bisschen konkreter machen, Herr Wolff? Angenommen, man sitzt jetzt bei einem riesengroßen Unternehmen in der Logistik. Weiß man da überhaupt so genau, was alles an der Lieferkette dranhängt? Wie viele Details hat man da vorliegen und wie viel Unsicherheit gibt es dabei?

Das ist eine der großen Herausforderungen. Wie gesagt: Die großen Unternehmen, die machen das zum großen Teil nicht selbst, sondern arbeiten mit Logistikdienstleistern zusammen. Die sind dazwischen geschaltet und die beauftragen die Transporteure. Das ist ein ganz großes Netzwerk. Mittlerweile gibt es viele Lösungen, die vom Smart Freight Center überprüft werden. Nicht alle messen genau genug, um durch uns zertifiziert zu werden. Die Logistiker:innen bedienen sich dieser Methoden. In diesen Lösungen werden dann ganze Lieferketten und die einzelnen Transporte abgebildet. Die Herausforderung ist, dass das Level, auf dem man sich bewegt, immer kleiner wird. Und da ist natürlich die Datenlage nicht immer so toll. Manchmal fehlen Papiere und damit wichtige Informationen, was die Genauigkeit der Daten beeinflusst.

Man hat dann zwei Möglichkeiten: Entweder man versucht dennoch, auf Basis von Primärdaten zu arbeiten – also Daten, die direkt und akkurat gemessen werden. Das heißt, dass man diese Transporte irgendwie erfasst und abfragt. Diese Methodik ist natürlich am besten, weil man damit die reale Situation widerspiegelt.

Die zweite Möglichkeit ist eine Modellierung, die ungenauer ist, aber dennoch einigermaßen erfassen kann, was bei einem Transport passiert. Das kann dann so aussehen: Man hat eine Straße von A nach B, das ist eine gewisse Entfernung. Und darauf fährt ein LKW mit einem gewissen Gewicht oder Volumen und dann kann man sich der Realität über eine Modellierung annähern.

Das macht man also, wenn die Daten fehlen. In der Realität beobachten wir allerdings, dass immer öfter Daten im Kleinteiligen existieren. Wir unterstützen die Unternehmen dabei, eine gemeinsame Datenbasis zu bilden. Als Smart Freight Centre besitzen wir ein Exchange Network, über das unsere Partner in Kontakt treten und sich austauschen können.

Der erste Schritt ist also, die Daten möglichst weltweit vollständig abzubilden. Und was passiert danach?

An diesem Punkt weiß man, dass LKW A den Verbrauch X hat und das bedeutet einen Ausstoß von einer bestimmten Menge Emissionen. Wenn man die kennt, stellt man sich die Frage: Wie kann man die jetzt reduzieren? Da gibt es eine ganze Bandbreite an Hebeln. Die sind in der Regel sehr simpel. Es ergibt beispielsweise wenig Sinn, wenn ein LKW ohne Fracht durch die Gegend fährt. Oder wenn da nur ein kleines Paket hinten drin liegt. Letztendlich möchte man so viel Ware wie möglich mit so wenig Emissionen wie möglich transportieren. In diese Kategorie an Hebeln fällt alles, was sich mit der Beladung beschäftigt, beispielsweise wie viel Fracht sich in einem LKW befindet und wie Routen möglichst effizient geplant werden.

Darüber hinaus kann man an der Technologie arbeiten. Man kann also Schritt für Schritt den Straßengüterverkehr elektrifizieren. Das ist der Punkt, an dem wir derzeit stehen, das wird in den nächsten Jahren passieren. Da arbeiten wir eng mit der Industrie zusammen. Wir bauen Ladenetzwerke auf und, und, und… Das ist Teil unserer Aufgabe und da hilft natürlich vor allem staatliche Unterstützung. In Europa haben wir dafür den European Green Deal, der dem ganzen Sektor Regulierungen vorgibt. Er besagt beispielsweise, dass im Straßengüterverkehr bis 2039 keine zusätzlichen Diesel-LKWs auf die Straße kommen dürfen. Die EU verschärft regelmäßig die Grenzwerte für den Ausstoß von Emissionen. Im Personenverkehr ist das ähnlich.

Nebenbei muss man dann natürlich die entsprechende Infrastruktur aufbauen. Das ist jetzt ein bisschen ein „Henne-Ei-Problem”. Deshalb ist die staatliche Regulation hier sehr wichtig.

Wie werden solche großen Veränderungen denn bezahlt? Gerade kleine Unternehmen haben vielleicht nicht das Kapital, jetzt all ihre LKWs auszutauschen.

Das ist eine große Herausforderung. Zum einen ist es so: Je mehr von solchen LKWs auf die Straße kommen, desto mehr gehen die Preise runter. Zum anderen gibt es das Konzept des sogenannten Total Cost of Ownership, also eine Kalkulation, wie teuer ein Produkt über den gesamten Lebenszyklus ist. Und da zeigt sich, dass E-LKWs erstmal teurer in der Anschaffung sind, aber sehr viel billiger im Gebrauch. Damit werden elektrifizierte LKWs immer rentabler. Wenn erst einmal die großen Unternehmen anpacken, dann können sich das mit der Zeit kleinere Transporteure leisten. Aber noch sind wir da eben am Anfang. 

Wir erleben gerade bei den PKWs, bei den E-Modellen, dass die Preise allmählich runtergehen und dann braucht man eben entsprechende Infrastruktur. Und gerade für kleinere Carrier, also kleinere Transporteure, einen Finanzrahmen, der ihnen den Zugriff darauf erlaubt.

Sieht man denn insgesamt, dass die Maßnahmen, die bisher eingeführt wurden, Wirkung zeigen bei der Reduktion von Emissionen?

Die größte Reduktion von Emissionen haben wir in den letzten Jahren, vor allem in Deutschland, im Energiesektor gesehen. Dort wurde umgeschaltet auf erneuerbare Energien, Kohle wird abgebaut und so weiter. Das ist im Wesentlichen entsprechenden Regulationen der EU geschuldet.

Im Verkehr lief diese Umstellung erst sehr langsam ab. Vor allem im Personenverkehr hat sich der Wandel allerdings zuletzt stark beschleunigt. Im Güterverkehr ist das Ganze zeitversetzt. Und neben der Straße und der Schiene gibt es natürlich noch die Schifffahrt und Luftfahrt. Da kommt man mit Batterien und Elektrifizierung nicht so weit, weil die Entfernungen viel zu weit sind. Also setzt man auf nachhaltige Kraftstoffe. Aber da gibt es entsprechende Regulierungen über den Handel mit Emissionen. Das ist also ein Prozess, in dem es Schritt für Schritt vorangeht. Es muss ja beispielsweise die Produktion für entsprechende Kraftstoffe aufgebaut werden.

Das heißt, grundsätzlich kann man schon sagen, dass wir auf der Straße bisher am weitesten sind, oder? 

Ja, ich würde sagen, real schon. Man muss dazu sagen, dass die Containerschifffahrt und Luftfracht die deutlich kleineren Anteile ausmachen in der Logistik. Die Straße macht ungefähr drei Viertel der Emissionen im Güterverkehr aus. Daher ist es sinnvoll, sich zunächst einmal darauf zu fokussieren. Aber auch in den anderen Transportmodi passiert viel. Gerade in der Schifffahrt ist man dabei, auf Schiffsmotoren umzustellen, die sowohl Diesel als auch Methanol oder Ammoniak vertragen können. Beim Flugverkehr ist das wiederum ein bisschen einfacher, weil nachhaltige Treibstoffe chemisch identisch sind mit Kerosin, insofern braucht man an der Infrastruktur selbst eigentlich nichts zu ändern.

Ist es Ihrer Meinung nach noch realistisch, dass wir die Ziele, die die EU für 2030 und 2050 gesetzt hat, erreichen können? 

Ja, das würde ich sagen. Da ist natürlich noch einiges zu tun, aber wir sind überall damit beschäftigt, Lösungen zu entwickeln. Wir arbeiten an allen drei Transportmodi und sind weltweit vertreten. Natürlich sieht man schon Unterschiede, wenn wir uns die USA, Europa oder auch den Globalen Süden anschauen, aber es arbeiten so viele Menschen, so viele Unternehmen rund um den Erdball daran, Lösungen für die Probleme zu finden.

Welche Rolle spielen dabei Kommunikation und Zusammenarbeit? Zwischen geografischen Regionen sowie zwischen verschiedenen Akteur:innen entlang einer Lieferkette?

Das Credo des Smart Freight Centre ist: Ohne Kollaboration geht gar nichts und das liegt eben daran, dass wir uns mit systemischen Umstellungen beschäftigen. Wenn man in einer Phase elektrifiziert, aber nicht gleichzeitig die Infrastruktur aufbaut, wenn man dann nicht gleichzeitig das Volumen an Bestellungen bündelt, damit die Preise für die Elektrifizierung runtergehen, dann ist dieser ganze Prozess nicht machbar.

Kommunikation ist extrem wichtig. Dafür kann man sich Fallstudien und langfristig geplante Regulationen anschauen. Es gibt Vorreiter in der Branche und Pilotprojekte und Finanzinstrumente – daraus kann man extrem viel mitnehmen. Das geht nur über gute und offene Kommunikation.

Und was ist mit der Politik? Welche Rolle spielt die in dem ganzen Prozess?

In der EU haben wir klare Regeln, Gesetze, zum Erreichen der Klimaneutralität. Das sind Rahmenvorgaben, die wir ja bereits umsetzen. Es macht natürlich schon einen Unterschied, ob ich das in Schweden oder Holland oder Bulgarien umsetze. In Bulgarien muss man vermutlich mehr werben und erklären, warum die Umstellung sinnvoll ist. Wir haben einen internationalen Rahmen, der dann auch für Amerika gilt. Da passiert viel über finanzielle Anreize. Im Großen und Ganzen passiert da eine ganze Menge und wir arbeiten sehr intensiv mit vielen Regierungen zusammen. In Europa wurde mit dem European Green Deal die Basis für eine klimafreundliche Zukunft gelegt. Jetzt geht es nur noch um die Umsetzung – und das in enger Abstimmung mit internationalen Handelspartnern.

Das ist schön zu hören. Vielen Dank für all die Informationen und für Ihre Zeit.

* Tonnenkilometer sind eine Maßeinheit der Logistik, die beschreibt, wie viele Tonnen Güter auf einer Strecke von A nach B transportiert werden

** Die SBTi ist eine Organisation, über die Unternehmen sich zur Einhaltung verschiedener Klimaziele verpflichten können. In Zusammenarbeit mit der SBTi werden diese Ziele ausgearbeitet und in die Praxis umgesetzt.

Beitragsbild: Jaroslav Pachy | depositphotos.com

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Lara Schmalzried

Lara ist Online-Chefredakteurin des Good News Magazins. Lange hat sie von einer besseren Welt geträumt. Jetzt schreibt sie Artikel, die den Blick auf die Welt verändern.

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