Ein Unternehmen rettet die ausgebürstete Unterwolle von Haustieren und verarbeitet sie zu Wolle weiter. Statt Rohstoffe zu verschwenden, soll die Textilindustrie umgekrempelt werden. Jeder kann mitmachen!
Einen Pullover aus dem eigenen Vierbeiner zu tragen, mag für viele von uns in erster Linie grotesk klingen. Für die Gründerinnen vom Rohstoffe retten e.V. – hat das aber einen ernsten Hintergedanken: Alleine in Europa entsorgen Haustierbesitzer:innen jährlich 8.000 Tonnen ausgebürsteter Unterwolle. Zeitgleich werden Alpakas oder Schafe gezielt für deren Fell gezüchtet, oftmals unter fragwürdigen Bedingungen. Zeit zum Umdenken finden Ann Cathrin Schönrock und Franziska Uhl. Sie haben das weltweit erste industriell gesponnene Garn aus Hundewolle auf den Markt gebracht. Schönrock und Uhl kommen beide aus der Textilindustrie, erstere als Strickdesignerin, zweitere als Textilingenieurin. Dort lernten sie die Missstände rund um Alltagsmode kennen und beschlossen, nicht mehr tatenlos zuzusehen. Mit ihrem Mode Start-up Modus Intarsia helfen sie Tier und Umwelt, indem sie den regionalen bereits vorhandenen Rohstoff „Haustierwolle” vor der Mülltonne retten und weiterverarbeiten.
Was genau ist Wolle von Haustieren?
Chiengora® nennt sich der Garn, der sich aus dem französischen Begriff für Hund, chien, und dem Wort Angora zusammensetzt. Die Hundewolle soll bis zu 80 Prozent wärmer halten als reguläre Wolle und temperaturregulierende Eigenschaften besitzen. Ziel von Modus Intarsia ist, flauschige, luxuriöse Wollgarne und -produkte aus dem ausgekämmten Fell herzustellen. Besonders langhaarige Hunderassen wie Huskys oder Samojeden haben einiges an Unterwolle aufzuweisen, weil sie dafür gezüchtet sind, in kälteren Regionen zu überleben. Die feine Wolle unterscheidet sich vom groben Deckhaar, das ganzjährig darüber liegt. Während des Fellwechsels sterben die wärmenden Haare ab und fallen aus. Obwohl die Unterwolle unsere Vierbeiner im Winter vor Kälte schützt, weil sie wenig bis gar keine Luft an die Haut lässt, ist sie für das Tier im Sommer nachteilig. Ohne menschliche Hilfe kann sich unser Haustier schwer vom ausfallenden Winterpelz befreien – das Fell verfilzt, Bakterien besiedeln die toten Haare. Somit hilft das Ausbürsten und Sammeln der Unterwolle Mensch und Tier gleichermaßen.
Wie hygienisch ist Wolle aus Hundehaaren?
Die Besitzer:innen, Züchter:innen und Hundesalons sammeln Unterwolle, die sie sowieso regulär auskämmen müssen, und senden sie kostenlos ein. Hier kommt aber nur die Wolle von Hunden in frage, die gesund und frei von Hautkrankheiten ist. Um Gerüche oder Zeckenschutzmittel zu entfernen, reinigt der Verein anschließend die Faser heiß und gründlich. Damit die Produktion Wasser und Chemie einspart, werden die Garne nicht eingefärbt. Um die Hochwertigkeit des Chiengora® zu garantieren, muss allerdings Alpaka-, Schafswolle oder eine Holzfaser beigemischt werden. Die Gründerinnen arbeiten hierfür mit Alpaka-Höfen und Schäfer:innen aus Deutschland zusammen. Fürs Tierwohl ist weiterhin gesorgt, denn die Alpakas werden auf den zwei Höfen als Haustiere gehalten, die Merinoschafe lediglich für Landschaftspflege eingesetzt. Die Wolle sei hier ein Nebenprodukt, das sowieso entstehe und sonst entsorgt werden müsse. Wichtig ist den Gründerinnen Wertschätzung für die Tiere, die den Rohstoff liefern. Ihren Erlös nutzen sie, um beispielsweise rumänische Hunde in Not zu unterstützen.
Wie kann ich mithelfen?
Jede:r aus Deutschland, Österreich und der Schweiz kann hier die gesammelte Unterwolle einsenden. Für die einzelnen Haare gibt es keine Mindestlänge. Auch ausgekämmtes Deckhaar darf im gesammelten Fell mit dabei sein, weil der Verein es maschinell von der feinen Unterwolle trennen kann. Sammler:innen dürfen sich beim Einsenden ein Projekt aussuchen, an das der Erlös geht. Modus Intarsia ist zu 100 Prozent gemeinnützig, da die Gründerinnen jeden Cent an eine Tierschutzorganisation spenden, dazu haben sie sich sogar rechtlich verpflichtet! Die Hoffnung ist, dass das Unterwollesammeln vielen hilfsbedürftigen Vierbeinern im Tierschutz ein besseres Leben ermöglicht und gleichzeitig sogenannten Nutztieren zugutekommt. Denn jedes Kilo Haustierwolle in der Textilindustrie könnte die “Arbeit” einer Kaschmirziege oder eines Merinoschaf erledigen.
Wenn ich die Unterwolle meiner Vierbeiner einsende, kann ich dann einen Pullover vom eigenen Haustier tragen? Ja! Haustierbesitzer:innen können derzeit Wolle des eigenen Vierbeiners erwerben oder diese zu Schals, Mützen etc. weiterverarbeiten lassen. Obwohl der Fokus derzeit auf Hundewolle liegt, können auch Katzenhaare eingesandt werden. Garne aus Pferdehaaren sind derzeit in Entwicklung.
Bild: Camylla BattaniHire / Unsplash