Im Interview erzählt Klaus-Peter Land, wie die Wanderbaumallee in Bremen umgesetzt wurde und wie diese das Viertel verändert hat.
Sieben Minuten zu früh bin ich beim Treffpunkt mit meinem Interviewpartner an der Ecke Graf-Moltke-/Elsasser Straße im Bremer Stadtteil Schwachhausen. Genug Zeit, um einen Eindruck davon zu bekommen, wie wichtig das ist, worüber ich gleich mit Klaus-Peter Land sprechen werde. Denn diese zunächst unauffällige Kreuzung im eher gutbürgerlichen Bremer Stadtteil Schwachhausen ist Schauplatz des Engagements der Bürger:innen vor Ort – und zeigt, wie die Aufenthaltsqualität in urbanen Räumen durch simple Maßnahmen verbessert werden kann.
Diese Veränderung möglich machen sieben 1,50 x 1,50 Meter große Pflanzgefäße, aus denen Blaseneschen, Baumhaseln, Gold Gleditschien und eine Zierkirsche sprießen. Verkleidet sind die Gefäße mit bankähnlichen Holzkonstruktionen, die Menschen dazu einladen, sich niederzulassen und damit den öffentlichen Raum attraktiver zu nutzen. Wie das aussieht, erlebe ich bereits in meiner siebenminütigen Wartezeit: Schulkinder tummeln sich an den Bänken ebenso wie eine Mutter mit ihrem Kleinkind und ältere Menschen nutzen die Bänke für einen kurzen Plausch.
Wanderbaumallee nennt sich dieses Projekt, das bereits in anderen Städten wie Aachen, Hannover und Köln realisiert wurde. In allen Städten sorgen „wandernde“ Bäume durch bewegliche Gefäßkonstruktionen temporär für mehr Grün in den Straßen und schaffen zugleich neue soziale Treffpunkte. In Bremen ist der Verein SozialÖkologie hauptverantwortlich, mit dessen Vorstandsmitglied Klaus-Peter ich an diesem windigen Oktobernachmittag zum Gespräch verabredet bin.
Im Gespräch mit Klaus-Peter Land
GNM: Wie ist das Projekt Wanderbaumallee entstanden?
Klaus-Peter Land: Die Idee von Wanderbaumalleen gibt es schon seit den 90er-Jahren in München und mittlerweile auch in anderen deutschen Großstädten. Nach Bremen ist die Idee auf Initiative der Grünen Beiratsfraktion hier im Stadtteil Schwachhausen gekommen. Dort haben wir vor drei Jahren überlegt: Was könnte denn unserem Stadtteil guttun? Es ist zwar schon ein relativ grüner Stadtteil, aber viele Bäume werden krank und müssen gefällt werden. Neupflanzungen sind dann sehr, sehr schwierig, denn in den Straßen und Wegen liegen inzwischen viele Leitungen.
Außerdem mussten hier im Stadtteil in den letzten Jahren wegen einer Fernwärme-Trasse einige Bäume gefällt werden. Die Fernwärmeversorgung aus Abwärme bei der Müllverbrennung ist natürlich auch ein Klimaschutzprojekt, denn dadurch kann hier in Bremen ein Kohlekraftwerk abgeschaltet werden, aber es hat eben einige Bäume gekostet, für die wir dann Ersatzstandorte gesucht haben. Dabei haben wir gemerkt, dass es total schwierig ist, im Stadtteil Ausgleichsflächen zu finden. Aber es ist eben nicht das Gleiche, wenn ein alter Baum gefällt und ein neuer gepflanzt wird. Es dauert immer viele, viele Jahre, bis da die gleiche Wirkung erzielt wird. Daher waren wir auf der Suche nach Projekten, die obendrauf einen kleinen Bonus geben. Da sind wir auf diese Idee der Wanderbaumallee gestoßen.
Die Idee ist, mit Wanderbäumen auf Zeit ein bisschen Grün in diesen Straßen zu schaffen, was einerseits die Anwohner:innen dieser Straße anregt, sich damit auseinanderzusetzen, wie grün die Stadt eigentlich sein soll und erleben lässt, wie wohltuend es ist, wenn man auf was Grünes blickt, das Schatten spendet und insgesamt den Stadtraum verändert. Das ist ja nicht nur ein Projekt, das der Begrünung dient, sondern auf jeden Fall auch ein soziales Projekt. An der Idee waren von Anfang an auch andere Anwohner:inneninitiativen interessiert, die uns dabei unterstützt haben.
Letztes Jahr erhielten wir dann Förderungen durch den Umweltfonds der swb, dem regionalen Energieversorger, und den Ortsbeirat hier, der große und kleine lokale Projekte fördert. So konnten wir die ersten sieben Bäume realisieren.
Wie habt ihr die Baumsorten ausgesucht? Und wer hat euch bei der Auswahl unterstützt?
Wir haben einen Ortsamtsleiter, der früher beim Grünbetrieb der Stadt Bremen gearbeitet hat, eine Landschaftsplanerin und Baumschulen befragt. Dann hatten wir eine Auswahlliste und haben auf Basis dieser verschiedenen Beratungen entschieden, welche Bäume passen.
Wir haben Sorten ausgesucht, die bienen- und insektenfreundlich sind und in trockenen Phasen eine gewisse Zeit in diesem Kübeln überleben können – drei bis fünf Jahre ist die Erwartung. Danach können sie ausgepflanzt werden und einen festen Standort bekommen. Da gibt es bereits Interesse von einigen, die sie übernehmen wollen, sei es eben tatsächlich als Straßenbaum oder auf Schulhöfen.
Jetzt könnte man kritisch fragen, was so ein paar Bäume wirklich bringen. Geht es tatsächlich um Klimaschutz oder mehr um die Symbolwirkung von mehr Grün in der Stadt?
Es ist von allem etwas. Es ist einerseits ein Zeichen, dass wir uns in Städten grundsätzlich viel mehr auf die Klimaveränderungen, die Klimakatastrophen, die auf uns zukommen, einstellen müssen. Wir brauchen Städte, die das Wasser halten, Schwammstädte. Wir merken einfach, wie die Städte sich aufheizen und jedes bisschen Schatten und jedes bisschen Grün nützt da.
Vor allen Dingen ist es auch ein Projekt der Begegnung. Je länger die hier stehen, desto öfter sieht man Leute, die sich hier hinsetzen, sich zusammensetzen, Pause machen oder Nachbar:innen, die sich hier im Sommer abends zum Grillen treffen. Wir haben hier an der Rückseite kleine Blumenkästen vorgesehen, die sind praktisch selbstständig von der Nachbarschaft hier bepflanzt worden. Das war ein Angebot sich dieser Sache hier anzunehmen und das hat, genauso wie die Gießpatenschaften, wunderbar funktioniert.
Das klingt nach einem vollen Erfolg! Sind also schon weitere Wanderbäume in Planung?
Ja, es werden im nächsten Jahr wahrscheinlich noch mal sieben dazu kommen, wesentlich mitfinanziert von der swb. Drei Bäume davon fördert wieder der Beirat Schwachhausen, das ist schon sicher. Außerdem stellen wir in anderen Ortsteilen Anträge an die Beiräte und hoffen, dadurch die Zahl der Bäume verdoppeln und dann auch in andere Stadtteile ziehen zu können – oder eben auf weitere Straßen hier im Stadtteil. Hier gibt es noch in mehreren vor allem breiten Straßen den Wunsch, dass die Bäume dort auch gastieren und wo es in diesem Jahr aufgrund großer Baustellen schwierig war. Grundsätzlich sollen die Bäume ja jedes Jahr an zwei bis drei verschiedene Standorte wandern.
Durch die Räder unter den Pflanzgefäßen kann man die Bäume ganz gut bewegen, eine Deichsel wird angesteckt und dann zu dritt oder viert geschoben. Wenn die Module dann an Ort und Stelle angekommen sind, lassen sich vier Stützen ausfahren, sodass sie fest stehen.
Welche Tipps würdest du anderen, die in anderen Städten auch eine Wanderbaumallee errichten wollen, mitgeben?
Man kann wirklich viel von den anderen Wanderbaumallee-Projekten lernen und sich angucken, wie die solche Module konstruiert haben. Unsere haben wir sehr stabil und mit komfortabler Sitzfläche ausgelegt, dadurch sind sie vielleicht ein bisschen zu schwer geraten. Beim nächsten Mal werden wir sie kompakter bauen, damit sie etwas einfacher zu bewegen sind. Auch sollten die Stützen leichter abzusenken sein. Außerdem hatten wir überwiegend Vollgummireifen genommen, merkten aber, dass die Reifen mit Luft wesentlich leichter rollen. Bei der Auswahl der Bäume sollten nicht zu schnell wachsende gewählt werden, damit man in der Stadt beim Wandern auch unter Straßenbahnoberleitungen durch kommt. Das sind so Punkte, die man dann in der Praxis lernt und die wir bei den nächsten Modellen dann noch ein bisschen besser machen.
Außerdem ist es wichtig, sich rechtzeitig mit den Behörden in Verbindung zu setzen, also mit dem Ordnungsamt oder dem Amt für Straßen und Verkehr. Unsere Wanderbäume können grundsätzlich gemäß der Straßenverkehrsordnung als Handwagen gelten. Die können im Straßenverkehr bewegt und am Straßenrand oder auf Nebenanlagen abgestellt werden. Das macht vieles glücklicherweise einfacher, es ist keine Sondernutzungserlaubnis erforderlich. Das sollte aber mit den örtlichen Behörden auf jeden Fall vorher noch mal abgestimmt werden. Die einzige Bedingung der Straßenverkehrsordnung ist dann, dass abgestellte Handwagen bei Dunkelheit beleuchtet sein müssen, weshalb wir kleine Solarlichter montiert haben.
Der andere Punkt ist eben, sich mit den Nachbar:innen vor Ort über die ganz konkreten Standorte auszutauschen. Wir haben zum Beispiel den Tipp gekriegt, das Modul zwischen zwei Grundstückszufahrten zu platzieren, weil das ein Bereich sei, wo sowieso nur illegal geparkt werde. So freut sich nun ein Garagenbesitzer. Es lohnt sich, da ganz genau hinzugucken, und das hilft, Konflikte zu vermeiden.
Beitragsbild: Wanderbaumallee Bremen