Fell statt Cape und Pfoten statt Hände? Hunde und andere Tiere retten täglich Menschenleben. Doch oft bleiben die Geschichten der Held:innen im Dunkeln, obwohl sie sowohl tugendhaft, als auch häufig aus reiner Gutherzigkeit handeln. Es wird Zeit, dass wir den Tieren ein bisschen mehr Aufmerksamkeit schenken.
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Ihre Arbeit vollzieht sich im Stillen. Der eine verlässt sich auf sein Gespür und sucht Überlebende von Lawinenunglücken oder Minen, um die Welt sicherer zu machen. Der andere schlüpft in die Rolle eines “Superarztes”, der Krankheiten schon vor dem Ausbruch identifizieren kann. Tagtäglich retten unsere Vierbeiner Leben. Und sie fordern weder Ruhm noch Geld. Nur Liebe – und vielleicht den ein oder anderen Snack.
Fellnasen als wahre Superhelden
Tag ein Tag aus arbeiten vor allem die besten Freunde der Menschen im Auftrag für ihr Wohlergehen. Der Hund ist wahrscheinlich der erste Einfall, wenn man an Tiere, die dem Menschen helfen, denkt. Und das kommt nicht von irgendwo. Schon in der Steinzeit wussten die Höhlenmenschen, dass Hunde, beziehungsweise zu der Zeit noch Wölfe, sehr gute Komplizen bei der Jagd und zur Witterung von Gefahren waren. Sogar auf Höhlenwänden wurden sie mit Menschen verewigt: Die wahrscheinlich älteste Darstellung, circa 8.000 Jahre alt, zeigt Wölfe, einer angeleint, mit Menschen auf der Jagd.
Auch heute noch, über 14.000 Jahre später, ist der Hund nicht mehr aus dem Leben der Menschen wegzudenken. Sowohl seine soziale Ader als auch seine feine Nase, die bis zu drei Meter unter die Erdoberfläche riechen kann, lässt ihn scheinbar Unmögliches vollbringen. Spürhunde finden beispielsweise Menschen unter Lawinen begraben, sogar unter acht Metern Schnee. Speziell ausgebildete Hunde können Elektronik wie USB-Sticks aufspüren. Auch bei anderen Ermittlungen und zum Aufspüren von bedrohten Tierarten werden Spürhunde ebenfalls eingesetzt. Bei vermissten, verschwundenen, dementen oder suizidgefährdeten Personen muss es im Zweifelsfall schnell gehen. Besondere Hunde, “Mantrailer” genannt, werden von der Polizei eingesetzt, um für die Ermittler:innen ausweglose Fälle zu lösen.

Eine von diesen Hunden ist die 11 Jahre alte Miss Ellie von der nordrhein-westfälischen Polizei. Zu jeder Tageszeit nimmt sie mit Herrchen Wolfgang Fischer die Fährte auf. Fischer war ein Pionier beim Einsatz von Hunden in der Polizei und schon dabei, als die Gruppe 2006 noch in den Startlöchern stand. Seitdem haben er und Miss Ellie schon so manches Mysterium zusammen gelöst. Zum Beispiel hat Miss Elli den Täter eines Mordes nur nach dem Schnuppern an einer Socke quer durch eine ganze Stadt aufgespürt. Innerhalb eines Jahres werden Mantrailer wie Miss Ellie in Nordrhein-Westfalen über 2.000 Mal angefragt.
Auch im medizinischen Kontext können die Vierbeiner vielseitig eingesetzt werden. Ob verschiedene Krebsarten, Allergien, Diabetes oder Infektionen – dem Riechorgan der Hunde sind scheinbar keine Grenzen gesetzt. Was vor wenigen Jahren noch wie Science-Fiction klang, ist heute Realität: In Großbritannien werden Hunde (Cocker Spaniels, Labradors, Flat‑coated Retriever) seit 2024 darauf trainiert, Darmkrebs anhand von Urinproben zu erkennen – als sanfte, frühe Alternative zur Koloskopie. Auch in Israel laufen klinische Studien, bei denen speziell ausgebildete Spürhunde gemeinsam mit KI-Systemen Brust-, Lungen- oder Prostatakrebs mit beeindruckender Trefferquote aufspüren. Ihre feinen Nasen schlagen oft früher an als moderne Medizintechnik – ein medizinischer Durchbruch auf vier Pfoten.
Ihre Hörfähigkeit kann ebenfalls eine große Hilfe sein, zum Beispiel für blinde Menschen. Blindenführhunde geben ihnen sowohl Lebensqualität, Selbstständigkeit als auch Sicherheit. Knapp 2.000 Blindenführhunde sind derzeit in Deutschland im Einsatz und unterstützen ihre Frauchen und Herrchen im Alltag. Sie verstehen über 75 verschiedene Hörzeichen, können ihre Besitzer:innen zur nächsten Bank oder zur Bushaltestelle führen, um Hindernisse herum führen und sogar mit „antrainiertem Ungehorsam”, dem intelligenten Verweigern von Befehlen, ihre Bezugsperson vor Verletzungen schützen.
Sogenannte “PSB-Hunde” können bei einer Reihe von psychischen Erkrankungen helfen, wie Autismus, Angststörungen, Posttraumatische Belastungsstörung, Demenz, ADHS, Essstörungen, Schizophrenie und noch viele weitere. Julias Hund Yoshi ist beispielsweise ein Assistenzhund, der ihr bei ihrer posttraumatischen Belastungsstörung hilft.

Wenn der Kopf der 32-Jährigen abdriftet und die altbekannte Panik oder Dissoziation einsetzt, ist Yoshi zur Stelle – er versucht Julia wieder in die Realität zurückzubringen. Das macht er entweder mit “sturem” Sitzenbleiben, Angucken, Kratzen, Stupsen, oder indem er sie von anderen Personen fernhält. Er gibt ihr auch Halt und Orientierung, wenn sie in ihrer Dissoziation nicht Herrin über ihren Körper ist, bringt sie an einen ruhigen Ort, holt ihre “Skilltasche” mit speziellen Hilfsmitteln oder holt Nothilfe. Und all das habe ihr schon nach zwei Monaten ihre Lebensqualität verbessert, berichtete sie in einem Interview mit der ZEIT.
Unsere tierischen Freunde können in so gut wie allen Lebenslagen behilflich sein und einen gravierenden Unterschied machen. Wie viele Menschen jedes Jahr durch Hunde gerettet werden, ist jedoch leider nirgends bekannt – ein weiteres Zeichen dafür, wie selbstverständlich wir unsere Helfer annehmen.
Balto und Togo: Wie Hunde eine ganze Stadt gerettet haben
Unsere treuen Gefährten auf vier Pfoten können sogar fast übernatürliche Dinge erreichen.Das zeigt die besondere Heldengeschichte um die Schlittenhunde Balto und Togo.
Die kleine Stadt Nome in Alaska war über die Wintermonate quasi von der Außenwelt abgeschnitten. Die Winter in Alaska sind hart: Heftige Schneestürme, die tagelang anhalten und Temperaturen mit hohen Minusgraden. Als im Winter 1924 Diphtherie, eine sehr ansteckende und tödliche Krankheit, in dem Dorf ausbrach, musste schnell gehandelt werden. Das lebensrettende Serum konnte beschafft werden, jedoch nur über 1000 Kilometer entfernt von der nächstgrößeren Stadt. Der einzige Weg durch den Schneesturm waren Hundeschlitten. Unter dem Spitznamen „Rennen der Barmherzigkeit“ wurde eine Staffel von 20 Teams erstellt, die die Bewohner von Nome retten und das Serum transportieren sollte. Unter den Teams war auch Alaskas berühmtester Schlittenhundeführer, auch Musher genannt, Leonard Seppala mit seinen Hunden Togo und Balto.
Die Reise war hart und anstrengend und der 12-jährige Togo musste als Anführer an der Spitze viele wichtige eigenständige Entscheidungen treffen, mehrere Meter von dem Musher getrennt. Wenn ein Hindernis kam, war er der Erste, der die Hürde sah. Doch Togo war gut, laut Seppala sogar der beste Hund, den er je hatte.

Während das Team schon auf dem Weg war, wurde durch einen schweren Schneesturm die Tour komplett pausiert. Togo und Seppala wussten davon nichts. Gemeinsam legten sie fast die Hälfte der gesamten Strecke zurück, über 400 Kilometer. Balto, der lange Zeit in dem berühmten Comic als alleiniger Held der Geschichte gefeiert wurde, lief nur knapp ein Fünftel von Togos Strecke. Beide wurden für die Rettung der Stadt geehrt: Eine Statue zu Ehren Baltos wurde nur zehn Monate nach der Heldentat im Central Park New York aufgestellt und sowohl Togos als auch Baltos Geschichten wurden jeweils verfilmt. Togo wurde zudem 2011 von dem TIME Magazin für seine Taten als der heldenhafteste Hund aller Zeiten betitelt.
Noch viel mehr tierische Heldengeschichten
Doch nicht nur Hunde retten Menschenleben. Tiere üben Empathie ohne ersichtlichen Eigennutzen. Das tun vor allem streunende Tiere. Ein solches Beispiel geschah vor knapp drei Jahren in Moskau. In klirrender Kälte wurde ein Säugling in einer Box ausgesetzt. Die Straßenkatze Masha legte sich zu dem Säugling und rettete sein Leben, indem sie ihn die ganze Nacht warm hielt und am nächsten Tag die Nachbarn auf das Kind aufmerksam machte. In dem Stadtteil wird sie nun als Heldin gefeiert.
Auch in den Ozeanen gibt es heldenhafte Tiere. Zum Beispiel Delfine oder Belugawale, die ertrinkende Menschen oder verunfallte Taucher retten. In Kalifornien hatte eine Gruppe Delfine einen schützenden Ring um einen hilflosen Taucher gebildet, der von einem Weißen Hai angegriffen wurde. Der Taucher schaffte es durch diese Hilfe an Land und lebend aus der Situation.
Eine ähnliche Geschichte ereignete sich 2018 mit der Meeresbiologin Nan Hauser, die in der Nähe der Cookinseln tauchte, als ein über vier Meter großer Hai ihre Witterung aufnahm. Sie hatte das Tier mit einem Wal verwechselt und die Situation falsch eingeschätzt. Als sie plötzlich bemerkte, wie ein Wal sie mit seiner Flosse nahm und sanft zurück an die Oberfläche stupste, wurde ihr klar, dass dieser sie wahrscheinlich gerade vor einer tödlichen Haiattacke gerettet hatte. Hauser nannte es einen Beweis, dass Wale nicht nur andere Meerestiere, sondern intuitiv auch Menschen beschützen. Das Verhalten beschrieb sie so: “Diese Tiere haben ein altruistisches Verhalten, sie riskieren ihr eigenes Leben, um das eines anderen zu retten, wie ein Feuerwehrmann auch in ein brennendes Haus rennen würde.” (Aus dem Englischen übersetzt).

Diese Geschichten sind nur Schlaglichter und einige dokumentierte Einzelfälle, in denen Tiere die Rettung waren. Doch unter der Oberfläche liegen noch viel mehr unbekannte Heldentaten, die nur darauf warten, entdeckt zu werden.