Das Projekt HundeDoc in Berlin bietet kostenlose Tierarztbesuche für mittellose Menschen. Menschen aus sozialen Brennpunkten sollen so über ihre Tiere erreicht werden.
„Es scheint so zu sein, dass es viel einfacher ist, für sein Tier um Hilfe zu bitten als für sich selbst”, sagt Tierärztin Jeanette Klemmt. Die Tierärztin versorgt unentgeltlich Haustiere von Menschen in prekären Lebensverhältnissen, die sich einen gewöhnlichen Tierarztbesuch nicht leisten können. Seit über 20 Jahren ist Klemmt in den Straßen Berlins unterwegs zu Sozialeinrichtungen. Dort muss sich ihre Klientel im Vorfeld registrieren, um das eigene Tier untersuchen zu lassen. Für einen Termin beim HundeDoc nehmen die Haustierbesitzer:innen Kontakt zu Sozialarbeitenden auf. So soll Tierschutz mit effektiver Hilfe für die Menschen verbunden werden.
Spenden und eine private Stiftung übernehmen sämtliche Kosten. Ins Leben gerufen wurde das Projekt, da die Hunde wohnungsloser Jugendlicher an Bahnhöfen zum Sicherheitsrisiko wurden und Fahrgäste bissen. Deshalb wollte man die Menschen durch ihre Haustiere besser erreichen – mit Erfolg!
Tierliebe verbindet
Direkt nach Studienabschluss versuchte sich Jeanette Klemmt als erster HundeDoc. Anfangs zog sie noch mit ihrem privaten PKW los – die ersten Sprechstunden fanden im eigenen Kofferraum statt. Heute hat der HundeDoc eine mobile Praxis in einem umgebauten Rettungswagen.
Viele der Personen, die ihre Dienstleistungen annehmen, kennt die Tierärztin seit Jahren. Sie erfährt viel über die Menschen, da sie sich mehr Zeit nehmen kann als in einer regulären Praxis. So berät sie ihre Klient:innen nicht nur zur Tierhaltung, sondern auch zu deren Lebenssituation. “Weil eins ist klar, dem Tier kann’s immer nur so gut gehen, wie’s dem Besitzer gut geht”, so Klemmt. Ein Leben auf der Straße bekommt auch umgekehrt den Tieren nicht. Ständig wechselnder Schlafplatz, viele verschiedene Menschen und Hunde erhöhen den Stresspegel bei den Tieren. Deshalb versuchen manche Halter:innen ihrem Tier zuliebe, eine dauerhafte Bleibe zu finden.
Tierärztin Klemmt wurde bereits Teil von vielen Erfolgsgeschichten, in denen ehemals wohnungslose Menschen wieder ein Dach über dem Kopf erhielten. So schaffte es einer der mittellosen Tierbesitzer:innen von der Straße zum selbstständigen Veranstaltungskaufmann. Eine junge obdachlose Frau erhielt den Schulabschluss und eine Ausbildung zur tiermedizinischen Fachangestellten. All das dank der Unterstützung vom HundeDoc. Klare Regeln und viel Verständnis sind der Schlüssel für solch positive Resultate. Die Tierärztin möchte Menschen animieren, es “besser und anders zu machen”.
Helfer auf vier Pfoten
Für von Armut Betroffene sind Tiere wichtige Sozialpartner. Oft die verlässlichsten, manchmal die einzigen. Kaum verwunderlich also, dass wohnungslose Menschen sich mit besonderer Hingabe ums eigene Tier kümmern. Vom Tierarztbesuch profitiert aber nicht nur die Gesundheit des Vierbeiners: Obdachlose Personen lernen, Struktur und feste Abläufe wieder in den Alltag zu etablieren. Wichtige Schritte für eine Wiedereingliederung in die Gesellschaft.
Als HundeDoc erhält Jeanette Klemmt nicht nur Dankbarkeit von ihren Klient:innen.
Für ihr Engagement wurde die Tierärztin mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.
Beitragsbild: Priscilla Du Preez/ Unsplash