Politisches Engagement für schönere Spielplätze und weniger Müll auf dem Schulhof

das ist ein GNM+ ArtikelSo verbessern Kinderparlamente politische Entscheidungen

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von | 23. September, 2023

Durch den Einsatz von Kinderparlamenten werden politische Entscheidungen bunter, diverser und inklusiver.

Das ist ein Beitrag aus unserem vierten Printmagazin mit dem Thema „(Keine) Kinder“. Diesen und weitere exklusive Beiträge gibt’s im GNM+ Abo

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„Ich gehe ins Kinderparlament, weil ich möchte, dass die Kinder sicher zur Schule kommen und die Autos auf den Schulwegen nicht so schnell fahren. Außerdem möchte ich, dass die Spielplätze immer sauber sind, deshalb fand ich die Aktionen gegen Hundekot auf Spielplätzen gut. Da haben wir Hundebesitzer angehalten und mit ihnen gesprochen.“

Marvin (11), Kinderparlament Hilden

Die meisten Studien sind sich einig: Die Jugend von heute ist politikverdrossen! Seit Jahren geht das politische Engagement junger Menschen in Deutschland immer weiter zurück. Bei der letzten Bundestagswahl beispielsweise lag die Wahlbeteiligung der 21- bis 24-Jährigen rund 10 Prozentpunkte unter der Beteiligung der 60- bis 69-Jährigen. Zusätzlich sind nur rund 1,5 Prozent der jungen Menschen bis zum 20. Lebensjahr Mitglied in einer politischen Partei. Besonders Jugendliche stehen der Politik oft sehr kritisch gegenüber. 

Gleichzeitig ergeben Untersuchungen jedoch, dass Jugendliche sich überdurchschnittlich von politischen Entscheidungen betroffen fühlen und sich sehr stark für gesellschaftliche Fragen interessieren. Woran liegt es also, dass das Engagement so gering ist? Viele Stimmen vermuten, dass konventionelle politische Beteiligungsmodelle für junge Menschen einfach nicht mehr interessant sind. Da wichtige Entscheidungen jedoch auf diesem Wege gefällt werden, sehen insbesondere Politiker:innen den Dialog mit jungen Menschen als essenziellen Weg, um die Meinungen und Wünsche der jungen Generation aufgreifen zu können.

Politik mit statt für Kinder

Aus diesem Dilemma heraus entstand der Wunsch, junge Menschen so früh wie möglich politisch abzuholen. In den Achtzigerjahren wurde damit das Zeitalter der politischen Kinderbeteiligung eingeläutet. Eine heutzutage sehr verbreitete Art, Kinder in politische Entscheidungen einzubinden, sind örtliche Kinderparlamente. Hier können Kinder gemeinsam mit den Erwachsenen über politische Themen, die sie betreffen, entscheiden und eigene Anträge einbringen.

So lernen die Kinder bereits früh, wie politische Systeme funktionieren. Gleichzeitig übernehmen sie schon in jungem Alter Verantwortung und müssen sich mit Konfliktlösung und der Konsensfindung bei der Entscheidungsfindung auseinandersetzen. Im Kinderparlament Hilden beispielsweise sowie in Memmingen finden die jungen Mitglieder immer mehr Spaß an der Arbeit im Parlament: Neben Themen wie Sauberkeit auf dem Schulgelände, Geschwindigkeitsbegrenzungen in Schulnähe und Events für die Schulen tauschen sich die Parlamentarier:innen auch direkt mit dem Bürgermeister selbst aus. Projekte, die dabei entstehen, sehen ganz unterschiedlich aus. In Hilden wurde auf diesem Weg eine Meckerecke eingeführt, in der Kinder direkt an den Schulen zweimal im Monat Themen ansprechen können, die die Parlamentarier:innen in ihre Arbeit mitnehmen. Die Kinder sind sich zudem einig: Frustrierend an ihrem Engagement ist, wenn Anträge aus finanziellen Gründen abgelehnt werden oder dass es oft sehr lange dauert, bis ein genehmigter Antrag auch in die Tat umgesetzt wird. 

Ein Blick zurück in der Geschichte

Die Idee der Kinder- und Jugendbeteiligung ist keine neue. Doch in den vergangenen Jahren ist die Umsetzung eines Kinderparlaments in vielen Teilen Deutschlands zur Regel geworden. Lokale Regierungen können so sicherstellen, dass Kinder bei politischen Entscheidungen nicht übergangen werden. Neben dem Kinderparlament gibt es aber auch noch andere Beteiligungsformen, wie Kinder- und Jugendräte, Schulvertretungen, Landtage der Jugend und Kinderbürgermeister:innen. Für keine dieser Formen gibt es konkrete Vorschriften bei der Einführung. Deshalb sehen Kinderparlamente oft sehr unterschiedlich aus. Im Kern haben sie aber alle das gleiche Ziel: Kinder so gut und realistisch wie möglich in politische Entscheidungen einzubeziehen.

Erfolg haben die Konzepte nicht nur in Deutschland. Auch in Frankreich, der Schweiz und Italien sind diese politischen Mechanismen sehr verbreitet. Die erstmals 1994 gewählten Kinderbürgermeister:innen der italienischen Stadt Aulla gelten sogar vielerorts als Vorbild. Mit eigenem Büro im Rathaus, umfangreichen Kompetenzen und einem Etat von rund 50.000 Euro kann der oder die gewählte Vertreter:in umfangreiche Entscheidungen für das Wohl der Kinder und der Jugend treffen.

Da das Rahmenwerk für politische Kinderbeteiligung in verschiedenen Gemeinden unterschiedlich ausschaut, können Prozesse innerhalb von Kinderparlamenten nicht immer verallgemeinert werden. Die grundlegenden Abläufe sind allerdings sehr ähnlich. Exemplarisch haben wir für euch den Aufbau des Kinderparlaments Hilden veranschaulicht:

kinderparlamente

INFOBOX:

Die ersten deutschen Kinderparlamente entstammen der Gründung des ersten baden-württembergischen Jugendgemeinderates in der oberschwäbischen Stadt Weingarten im Jahr 1985, welches auch als internationales Jahr der Jugend bekannt ist.

Ein Recht auf Mitsprache für Kinder

Dass Kinder ein Recht auf Mitsprache haben, wurde bereits von den Vereinten Nationen zu Papier gebracht. 1989 hat die Institution in einer Kinderrechtskonvention festgehalten:

„Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife“ (Art 12. Abs. 1 UN-Charta). Auch das Kinder- und Jugendhilfegesetz äußert sich zur politischen Teilhabe von Kindern: „Jungen Menschen sind die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen. Sie sollen an den Interessen junger Menschen anknüpfen und von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet werden, sie zur Selbstbestimmung befähigen und zur gesellschaftlichen Mitverantwortung und zu sozialem Engagement anregen und hinführen“ (§ 11 I KJHG). 

Deutschland möchte hier sogar noch einen Schritt weiter gehen und die Kinderrechte im Grundgesetz verankern. Der Gesetzesentwurf dafür wurde bereits 2021 vorgestellt. Kritische Stimmen sehen ihn jedoch bisher nicht als ausreichend, da der Bereich der politischen Teilhabe nach wie vor keine konkrete Einbeziehung von Kindern in politische Entscheidungen vorsieht.

Regionalpolitik nicht mehr ohne Kinder

Auch wenn nicht alle Stimmen zum Potenzial von Kinderparlamenten positiv sind, sehen vor allem politische Vertreter:innen den Austausch mit den Kindern als essenziell an. Der Jurist Ali Dogan arbeitet mit dem Kinderparlament von St. Augustin bei Bonn zusammen, welches bereits seit 18 Jahren aktiv ist. Er findet die Zusammenarbeit mit den Kindern essenziell für die Regionalpolitik: „Das Kinderparlament ist keine Spielerei, die unser Image verbessert. Die Kinder sind Bürger dieser Stadt und ihre Bitten und Forderungen landen auf der To-do-Liste der Verwaltung. Nicht alles geht, aber ich will ehrlich zu den Kindern sein.“

Auch die Leiterin des Kinderparlaments Buxheim Yvonne Jeckle ist begeistert von der Arbeit mit den Kindern. Jedes Jahr wirbt sie in den Schulen für die Teilnahme am Kinderparlament. In diesem Jahr sind bereits 36 Kinder hier tätig – so viele wie noch nie seit der Gründung vor zehn Jahren. Insgesamt haben bereits circa 300 Kinder zwischen sieben und zwölf Jahren an dem Kinderparlament mitgewirkt. 

In der neuen Konstellation haben sich die Kinder in zwei Reporter:innengruppen sowie eine Umwelt- und eine Freizeitgruppe aufgeteilt. In den Einzelgruppen werden Themen vorgeschlagen und über jene, die umgesetzt werden sollen, abgestimmt. Zweimal im Jahr treffen die Kinder sich dann im Rathaus mit dem Bürgermeister. Hier können die Kinder Anträge stellen und mit der regionalpolitischen Leitung über mögliche Umsetzungen diskutieren. Diese Treffen simulieren tatsächliche politische Prozesse so nah wie möglich. So bekommen die Kinder ein Gefühl dafür, wie politische Entscheidungen zustande kommen und welche Probleme dabei aufkommen können.

Besonders die Verwaltung von Budgets ist immer wieder ein großes Thema. Das Kinderparlament Hilden wurde 1996 gegründet. Viele eingebrachte Vorschläge der Kinder wurden im Laufe der Jahre bereits umgesetzt. Dazu zählen Aktionen mit der Polizei zur Rücksichtnahme der Autofahrer:innen vor der Schule sowie Projekte rund um Kinderrechte in Form von Vorträgen an Schulen. Aber es gibt auch viele Anträge, die aus Kostengründen abgelehnt werden müssen. Dennoch sind viele lokale Regierungen begeistert von der Arbeit mit den Kindern. Und auch wenn sich nicht immer alle Projekte umsetzen lassen, lassen sich die Kinder in ihrer Arbeit nicht irritieren – im Gegenteil: Sie kämpfen weiter für ihre Herzensthemen.

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    Lara Dehari

    Lara ist Redakteurin beim Good News Magazin. Sie träumt nicht nur von einer besseren Welt, sondern gestaltet sie mit ihren Artikeln aktiv mit. Sie hat Wirtschaftspsychologie und Medienmanagement studiert, bevor sie den Journalismus für sich entdeckte.

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