Wissen ist Macht und „Die Maus“ ist Kult. Was haben Kindersendungen mit Weisheit gemeinsam?
Das ist ein Beitrag aus unserem vierten Printmagazin mit dem Thema “(Keine) Kinder”. Diesen und weitere exklusive Beiträge gibt’s im GNM+ Abo
Für alle Mitglieder: ePaper
Unsere ePaper hier mit tiun ohne Abo als lesen.
Kinder aus den 2000ern sind mit seiner Stimme und seinen meist ungenierten Sprüchen bei “Wissen macht Ah!” groß geworden, eine große Brille schmückt sein fröhliches Gesicht. Die Rede ist von dem Fernsehmoderator Ralph Caspers, welcher mit seiner Arbeit bei „Die Sendung mit der Maus“ und „Wissen macht Ah!“ an großer Bekanntheit gewonnen hat. Mittlerweile hat der Moderator bereits das Bundesverdienstkreuz für sein Engagement für die Bildung erhalten, arbeitet zusätzlich für das WDR-Wissensmagazin “Quarks” und erweckt in seinem neuesten Kinderbuch „Lumpi“ den ausgestopften Dackel-Kollegen aus „Wissen macht Ah!“ zum Leben. Ralph Caspers verbindet Wissensvermittlung mit Humor und erreicht somit nicht nur die Kinder, sondern auch die Eltern vor dem Fernseher zu Hause. Mit Good News Magazin redet er über seine Arbeit für Kinderformate, den Dackelkollegen Lumpi und darüber, was man von Kindern lernen kann.
Viele Kinder und auch viele Redakteur:innen aus unserem Haus sind mit Ihnen im Fernsehen aufgewachsen. Herr Caspers, woher kommt die Leidenschaft dafür, Kindern im Fernsehen Wissen näherzubringen?
Ehrlich gesagt hat das gar nichts mit Kindern zu tun, sondern eher mit mir (grinst). Ich bin da ja nur so reingerutscht, das war ja gar nicht geplant gewesen, und dass es jetzt zufällig Kinderprogramm geworden ist, ist wirklich Zufall. Eigentlich ist es in erster Linie „Ralph-Programm“. Es klingt egozentrisch, aber es muss mir ja Spaß machen, und wenn es mir keinen Spaß macht, kann ich ja nicht erwarten, dass es anderen Leuten auch gefällt.
Und was ist das „Ralph-Programm“?
Zum einen ist es die Machart und natürlich, dass ich gucke, dass ich dahinterstehen kann. So, dass ich immer das Gefühl habe, auch wenn es sonst keinem gefällt, „mir hat’s gefallen!“. Das ist dann immerhin schon eine Person und das reicht mir dann.
Also war es ein Zufall, dass Sie im Fernsehen gelandet sind?
Ja. Sagen wir mal so: Nach dem Abitur habe ich eine lange Zeit rumgehangen. Irgendwann meinte meine Mutter, ich solle jetzt endlich mal Geld verdienen, und das habe ich auch so gesehen, aber trotzdem weiter rumgehangen (lacht). Irgendwann hat sie mir dann, ganz peinlich eigentlich, ein Praktikum über einen Bekannten besorgt. Da habe ich dann angefangen bei „Geh aufs Ganze“ zu arbeiten. Das war so eine Spieleshow mit Jörg Draeger und da habe ich mir Spiele überlegt. Und irgendwann hat mich jemand von SuperRTL auf einem Video entdeckt und gedacht: „Oh, der wäre gut für dieses Tiermagazin, das wir machen wollen.“ Und dann ging es für mich dorthin. Ich bin eigentlich immer weitergerutscht und hatte nie einen Plan, was ich machen wollte.
Mittlerweile moderieren Sie auch das Wissensmagazin „Quarks“ vom WDR, aber sonst sind sie den Kinderformaten sehr treu geblieben. Gab es auch Momente, in denen sie vollständig ins „Erwachsenen“-Fernsehen abdriften konnten und wollten?
Nö. Ich mache mir nicht Gedanken darüber, für wen es ist, außer vielleicht, dass es für Leute ist, die so sind wie ich.
Ist es anspruchsvoller, komplexe Sachverhalte für Kinder zu erklären oder komplex zu bleiben und es für Erwachsene zu erklären?
Ich glaube, es ist immer schwieriger, Sachen leicht zu machen. Das klingt total doof, aber ich merke das immer, wenn ich mich mit Experten unterhalte, die total Ahnung von ihrem Bereich haben und mir dann etwas erklären wollen, der eben keine Ahnung hat. Sie driften dann ganz schnell in einen Fachjargon ab. Das bedeutet, sie wissen genau, was sie mit bestimmten Begriffen meinen, aber ich weiß es halt nicht. Das klingt dann zwar wie Deutsch, aber ist doch kein Deutsch irgendwie. Und dann frage ich immer nach: „Was heißt das eigentlich?“, „Was bedeutet das?“, und dann müssen sie anfangen zu erklären und ringen total nach Worten. Wenn man nämlich weiß, was etwas bedeutet, ist es ganz schwierig, andere Begriffe und andere Wörter dafür zu finden. Und das ist total anstrengend für viele. Daran sieht man: Etwas aufzudröseln und etwas simpel zu machen, das kostet Zeit. Wenn man alle Inhalte auf eine Minute komprimieren muss, das ist wirklich zeitintensiv. Und deshalb ist es glaube ich immer schwieriger, Sachen leicht zu machen, ohne dass sie falsch werden, anstatt sie komplexer zu erklären.
Schreiben Sie also an den Sendungen mit und sind neben Moderator auch Redakteur?
Ja, also eigentlich schreibe ich alles selbst. Nur beispielsweise Ansagen bei der „Sendung mit der Maus“, bevor die Sendung losgeht und wir das Publikum begrüßen, sowas schreibe ich nicht selbst. Das passiert ja auch nicht viel. Aber sonst ist alles von mir selbst geschrieben.
Gibt es ein Thema, welches Sie besonders begeistert, wenn Sie darüber berichten?
Ich finde interessant, was wir bei „Dimension Ralph“ machen. Das ist der YouTube-Kanal, den ich zusammen mit den Quarks-Leuten mache. Und die Themen dort finde ich super. Alles, was mit dem Gehirn zu tun hat. Vor allem, wie wir so die Welt wahrnehmen und wie viel wir interpretieren. Da geht es dann auch an die Grenzen der alltäglichen Wissenschaft und das finde ich super.
Nun ist Ihre Stimme vielen Deutschen bekannt und macht einen sofort aufmerksam. Wurden Sie schon einmal an Ihrer Stimme erkannt oder ist es dann doch eher die Brille?
Wenn wir irgendwo Urlaub machen mit der Familie, wo auch andere Deutsche sind, dann kann es auch mal ein bisschen Arbeit werden. Dennnatürlich fragen die Leute, ob sie ein Foto machen dürfen, und dann kann ich nicht sagen: „Ich hab Urlaub, geh weg.“ Ich habe aber auch schon probiert, mich nicht zu rasieren und den Bart stehen zu lassen oder einfach die Brille wegzulassen und Kontaktlinsen zu tragen. Und ich habe auch schon versucht, eine Kappe zu tragen. Und dann ist es auch fast okay, aber sobald ich dann irgendwo stehe und ein Eis bestelle, dann ja … (lacht) dann kann ich die Stimme nicht verstellen.
Das kann ich mir gut vorstellen. Wirklich viele sind eben mit dieser Stimme im Wohnzimmer groß geworden. Wenn wir gerade schon bei der Kindheit vieler sind, kommen wir doch direkt zu “Wissen macht Ah!”, denn da gab es ja immer Lumpi. Er ist nun in ihrem Kinderbuch zum Leben erwacht. Wie kam es zu dem vierbeinigen Kollegen?
Irgendwann hatten wir bei “Wissen macht Ah!” diesen Dackel und man kann einen kleinen Dackel ja nicht namenlos lassen. Also habe ich ihn Lumpi getauft, da ich schon mal einen Dackel kannte, der „Lumpi“ hieß. Wir hatten bei uns im Haus, in dem wir als Kinder lebten, eine ältere Frau. Und da wir keine Großeltern hatten, war sie so etwas wie unsere „Leihoma“ und zu ihr sind wir immer gegangen, wenn unsere Eltern nicht zu Hause waren. Und sie hatte eben Ihren Dackel Lumpi und einen Wellensittich namens „Hansi“… wie es eben früher so war.
Ist Lumpi eigentlich wirklich ein ausgestopfter Dackel?
Ja, der Hund bei „Wissen macht Ah“ ist ein ausgestopfter Dackel. Ich habe ihn nie gekannt. Aber Leute waren sehr irritiert, dass wir ein totes Tier in der Sendung hatten, und das fand ich immer sehr lustig. Deswegen habe ich ihn auch immer öfter eingesetzt und ihm so eine Art “Backstory” gegeben.
In einer Sendung war es auch mal so, dass ich mir anfangs einmal so sehr den Kopf stoße, dass ich praktisch in den Himmel kam und dort den lebendigen Lumpi traf. Wir hatten dafür einen Dackel ausgeliehen, der dann im himmlisch dekorierten Studio rumlief. Das war lustig.
Und Lumpi lebt jetzt in Ihrem Buch weiter.
Ja, jetzt lebt er weiter. Sozusagen „Lumpi Origins“, denn der Lumpi im Studio baut auf dem Lumpi im Buch auf.
Achso, dann wurde also seine Biographie verfasst.
Genau und ich habe auch schon das zweite Buch fertig, das wird auch sehr lustig.
Dann komme ich jetzt direkt zum nächsten Thema. Kinder sind neugierig und stellen Fragen zu Dingen, die im Laufe des Lebens einfach Normalität werden. Denken Sie, dass sie anders durch die Welt gehen, weil Sie in Ihrem Job mit dem hinterfragenden Denken der Kinder ständig konfrontiert sind?
Das Tolle ist ja, wenn man sich die ganze Zeit mit so Fragen beschäftigt, dann wird es ein Automatismus. Das Gehirn wird ja so, wie man es benutzt. Wenn man sich die ganze Zeit mit Mathe beschäftigt, sieht man die ganze Zeit mathematische Formen, wo andere nur Rechtecke sehen. Und wenn man sich die ganze Zeit mit Fragen beschäftigt und überlegt: „Was steckt eigentlich dahinter?“, dann wird es Second Nature, also es steckt so in mir drin. Das würde jedem so gehen. Wenn man sich so intensiv und vor allem mit so viel Spaß damit beschäftigt, sieht man ganz automatisch überall was.
Und was meinen Sie: Was können Erwachsene von Kindern lernen?
Wahrscheinlich total viel. Ich glaube, dass Kinder erst mal sehr furchtlos sind, wenn es darum geht, Sachen zu fragen. Erwachsene haben oft die Befürchtung, als dumm gehalten zu werden, wenn sie etwas fragen, weil das ja dann bedeutet, dass sie es nicht verstehen. Und das wollen Sie natürlich nicht. Wenn Kinder in die Grundschule kommen, stellen sie unglaublich viele Fragen und saugen alles auf wie ein Schwamm und irgendwann lernt man, dass es negative Konsequenzen hat, wenn man etwas nicht weiß. Sprich: Schlechte Noten. Und dann fangen sie an, keine Fragen mehr zu stellen, und das ist doch eigentlich total fatal, weil das doch der beste Weg ist, sich weiterzuentwickeln. Wenn man sich nicht traut, sich zu irren und nicht zu fragen, dann bleibt man stehen. Das können wir Erwachsenen also lernen: Mehr fragen trauen.
Und die Unvoreingenommenheit von Kindern könnten wir uns auch abschauen. Erwachsene haben total viele Vorurteile und kategorisieren alles, bevor sie es überhaupt verstanden haben. Und diese persönlichen Voreinstellungen können einem das Leben super schwer machen. Außerdem fängt man als Erwachsene total schnell an, alles zu interpretieren. „Oh, wie meinte sie das nur? War das böse gemeint?“, solche Sachen. Bei jüngeren Kindern ist das nicht so. Es wäre leichter, wenn man weniger unvoreingenommen und interpretierend durch die Welt geht.
Sind Kinder also weise?
Weise vielleicht nicht direkt, aber sie machen einfach. Sie gehen in Dingen total auf und bekommen nicht mehr mit, was rechts oder links von ihnen passiert. Das ist doch wunderschön.
Sie arbeiten nun schon sehr lange in diesem Bereich. Was ist Ihre persönliche „Good News“, die Sie aus jahrelanger Arbeit mit Kinderformaten mitnehmen?
Was ich immer ganz toll fand, ist, dass wir mit der „Sendung mit der Maus“ immer ganz viel gereist sind und ganz viele Familien in anderen Ländern besucht haben. Und oft, wenn man an ein bestimmtes Land denkt, hat man direkt Vorstellungen und denkt sich: „Oh, da ist es ganz übel“ oder so was. Und ich habe gemerkt, dass in allen Ländern alle Familien etwas gemeinsam haben, und das ist, dass sie wollen, dass es ihren Kindern gut geht. Es ist etwas Universelles und das hat mir gezeigt: „Da ist doch noch nicht alles verloren.“
Die Welt ist voller unfassbar toller Menschen und oft sind das nicht die Lautesten, dann muss man eben auch mal genauer hinsehen und vor allem zuhören.
Und zu guter Letzt: „Wissen macht Ah!“ oder „Die Sendung mit der Maus“?
Puh … „Wissen macht Ah“.
Alles, was dort im Studio passiert ist, war von mir. “Wissen macht Ah!” ist 100% Ich.
Und wie ist die Maus eigentlich persönlich?
Sehr still natürlich, sie spricht ja nicht. Aber die Maus ist sehr sympathisch finde ich.
Nachdem die Aufzeichnung für das Interview beendet wurde, betonte ich noch mal, wie sehr ich Herrn Caspers Stimme mit meiner Kindheit verknüpfe und dass ich mich früher immer riesig auf “Wissen macht Ah!” am Abend gefreut habe. Daraufhin erzählte er mir:
„Früher war das Armin von der “Sendung mit der Maus” für mich. Wenn wir mit der Sendung auf Reisen waren, kamen oft Leute auf ihn zu und meinten, dass er Ihre Kindheit sei. Ich stand oft daneben und grinste, weil ich es herzerwärmend fand. Mittlerweile kommen erwachsene Menschen auf mich zu und sagen das Gleiche zu mir. Das ist wirklich schön.“