Wie viel Vielfalt steckt in Kinderbüchern?

das ist ein GNM+ ArtikelEin Wandel: Kinderbücher im Laufe der Zeit

von | 8. Oktober, 2023

Seit Pippi Langstrumpf und der Raupe Nimmersatt hat sich viel getan in der Kinderliteratur, doch die Begeisterung für ferne Welten bleibt bestehen. 

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Was früher noch zu Erziehungszwecken diente und konservative Werte vermittelte, ist heute bunt, spielerisch und vor allem fantasiereich. Wie alles in der Welt wandeln sich auch die Erzählungen, welche Kinder von ihren Eltern vorgelesen bekommen, und passen sich der aktuellen Zeit an. So sind Gleichberechtigung, Rassismusbekämpfung und das Aufbrechen von klassischen Familienbildern nicht nur präsent in unserem Alltag, sondern auch zunehmend Inhalt von Kinderbüchern. Kinder ziehen aus diesen Geschichten wichtige Lehren und viel Inspiration.

Wer viel liest, wird empathischer

„Lesen macht schlau!“ ist eine typische Aussage, die man als Kind immer mal wieder zu hören bekommt. Es heißt dann, dass man lernt, sich besser ausdrücken zu können, wenn man viel liest, oder dass man ausgeglichener wird. Deshalb wird empfohlen, jungen Kindern vorzulesen, ihnen Geschichten zu erzählen und gemeinsam Fantasiewelten aufzubauen. Diese paar Minuten am Abend können nämlich nicht nur den Intellekt des Kindes, sondern auch die Verbundenheit zwischen Kind und Elternteil fördern. Denn es stimmt wirklich: Lesen fördert die Kreativität, die Konzentrationsfähigkeit und nicht zuletzt die Empathie der Kinder. Wer immer mal wieder in Geschichten von fremden Tieren, Menschen und Familien eintaucht, lernt, sich in andere Charaktere einzufühlen, unbekannte Umgebungen zu verstehen und Unvertrautes zu tolerieren. Kinder, die viel lesen, haben darum eine höhere Fähigkeit, sich in andere Menschen hineinzuversetzen und Mitgefühl zu zeigen – wertvolle Eigenschaften für das weitere Leben und für die Gesellschaft, in der wir leben.

Während wir lesen, werden zahlreiche Areale im Gehirn verbunden, darunter visuelle, emotionale, sprachliche und auch motorische. Psychologischen Studien zufolge hat das Lesen sogar die Fähigkeit, die Strukturen in unserem Gehirn zu verändern, da durch komplexe Denkvorgänge neue Verbindungen im Gehirn entstehen. Wenn Kinder also früh mit dem Lesen beginnen oder von ihren Eltern vorgelesen bekommen, erweitert sich nicht nur ihr Wortschatz und ihre Empathie, sondern auch ihre Fantasie wird maßgeblich ausgebaut. 

Kinderbücher im Wandel der Zeit

Das Zeitalter der Kinderliteratur begann erst am Ende des 18. Jahrhunderts. Mitverantwortlich dafür war der Philosoph und Schriftsteller Jean-Jacques Rousseau, der 1762 mit seinem Buch “Emil oder Über die Erziehung“ die Erkenntnis verbreitete, dass Kinder die Welt anders wahrnehmen als Erwachsene. Zuvor galten Kinder als “kleine Erwachsene”, deren Denken, Sehen und Fühlen mit dem der Erwachsenen verglichen wurde. Durch das Bewusstsein für die Kindheit als eigenständiger Lebensabschnitt konnte auch die Erziehung neu aufgestellt werden und Bücher gewannen an Bedeutung.

Die frühe Zeit der Kinderliteratur war vor allem durch eines geprägt: moralisierende Wirkungen. Kinder sollten durch Schauergeschichten lernen, sich zu benehmen, und die grundlegenden Werte der Gesellschaft kennenlernen. Eines der prominenten Beispiele hierfür ist die 1845 erschienene Geschichtensammlung “Struwwelpeter” von Heinrich Hoffmann. Alle illustrierten Geschichten des Buches sollten eine moralische Lehre für die Kinder veranschaulichen. So wurden beispielsweise in “Die Geschichte vom Daumenlutscher“ dem Jungen Konrad der Daumen abgeschnitten, da er nie aufhörte, daran zu lutschen. Viele von uns kennen wohl auch noch die Geschichte des Suppenkaspers, dersich weigerte, seine Suppe zu essen, und dann immer dünner wurde, bis er letztendlich starb. Für Fantasie, fliegende Figuren oder knuddelige Tierchen war zu diesem Zeitpunkt wenig Platz in Kindergeschichten.

Mit Anfang des 20. Jahrhunderts begann sich das Wesen der Kinderbücher vor dem Hintergrund zunehmender Zivilisationskritik langsam zu wandeln. Den Kindern wurde nun nähergebracht, dass die Einheit zwischen Mensch und Natur zu schwinden scheint. Typische Beispiele hierfür sind die Bücher Heidi oder das Dschungelbuch. Im Dschungelbuch wird das Menschenvolk als größter Feind von Mogli und seinen Dschungelbewohnerfreunden dargestellt, während in Heidi das große Frankfurt als “böser” städtischer Ort im Vergleich zu den idyllischen Alpen gezeigt wird.

Es zeigt sich also, dass sich die Entwicklung der Kinderbücher von der moralisierenden Wirkung über die Zivilisationskritik bis heute stets den politischen und soziologischen Umständen der Gesellschaft anpasste. Erst in der Nachkriegszeit kam es zu bunten und autonomen Geschichten, in denen den jungen Protagonist:innen erstmals Intelligenz und Eigenständigkeit zugesprochen wurde. Das wohl prominenteste Beispiel hierfür ist die 1944 erschienene Pippi Langstrumpf, gefolgt von Die kleine Hexe (1957). Mit den heutigen autonomen Kinderbüchern wurden zunehmend Kindheitshelden geschaffen, die in einer frei ausgedachten Welt so ein Leben lebten, wie es sich die Kinder auch wirklich wünschten.

Manche dieser Klassiker in der Kinderbuch-Branche, die bisher nahezu alle Generationen erreicht haben, sind Jim Knopf, Das doppelte Lottchen, Die fünf Freunde, Puh der Bär oder auch Das fliegende Klassenzimmer. Die Erzählungen sind zeitlos und die Begeisterung dafür ist generationenübergreifend. 

Diverse Bücherwelt

Es ist kein Geheimnis, dass die Welt sich ständig verändert. Das hat sie vor 800 Jahren getan und wird sie auch noch in zehn oder dreißig Jahren tun. Nachdem sich die Kinderbücher erst zur Autonomie und Fantasie hinentwickelt hatten, stehen sie jetzt mitten in einem neuen Wandel. Ein Wandel in eine Welt, in der Diversität als die Norm anerkannt wird. Passen sich die Protagonist:innen und Held:innen der Kinderzimmer an die neue Vielfalt an?

Wenn man heute in die Kinderbuchabteilung geht, fällt auf, dass sich die Themen auf den Covern im Vergleich zu vor zehn Jahren geändert haben. Bunt illustrierte Kinderbücher mit den Namen “Von acht Prinzessinen, die keinen Retter brauchen”, “Raffi und sein pinkes Tutu” oder “Du und ich und alle anderen” lassen darauf schließen, dass die Geschichten heute darauf bedacht sind, typische Geschlechterrollen aufzubrechen, Toleranz zu steigern und Kindern näherzubringen, dass wir eben alle nur Menschen sind. Egal wie wir aussehen, woher wir kommen oder wie wir sein wollen.

Kinder richten ihre Geschlechtsidentität und ihr Verhalten an den ihnen zur Verfügung stehenden Vorbildern aus, sie suchen aktiv nach Rollenmodellen und konstruieren dadurch ihr Wissen über die Geschlechter.

Prof. Dr. Weertje Willms, Professorin für Neuere deutsche Literatur an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Professorin Dr. Weertje Willms von der Universität Freiburg lehrt Neuere deutsche Literatur und forscht zu Geschlechterrollen in der Kinder- und Jugendliteratur. Sie erklärt gegenüber Deutschlandfunk Kultur, dass die Geschlechtszugehörigkeit für Kinder die zentralste Form der sozialen Identität sei. Schon im frühen Alter fingen sie an, danach zu streben, geschlechterkonform zu leben und ihren Platz in der Welt zu finden. Dabei sind selbstverständlich Kindermedien wie Bücher, Spiele und Serien die erste Referenzquelle dafür, wie sie sich zu verhalten haben. Ein oft genanntes Beispiel für veraltete Rollenansichten in Kinderserien ist die Rolle der Frau. Denn die weibliche Figur in Kindersendungen ist meist auch nicht mehr als eben das – die Frau. So ist beispielsweise Schlumpfine die einzige weibliche Schlumpf-Figur in einer Männerwelt und alles, was ihren Charakter ausmacht, ist ihre Weiblichkeit. Weitere Beispiele mit ähnlichen Mustern sind Miss Piggy in der Muppet Show oder Kanga in Winnie Pooh. Sie alle sind die einzige weibliche Rolle in den bunten, männerdominierten Welten. Ihre Aufmachung ist dabei größtenteils mit stereotypisch ‘femininen’ Geschlechterzügen aufgeladen wie Sanftmütigkeit, einer Quietschestimme oder hysterischen Reaktionen. Dass diese Darstellungsweise lange nicht mehr zeitgemäß ist, sollte nicht erwähnt werden müssen. Zum Glück ist der Wandel in den Kindermedien inzwischen Realität und dabei höchst sinnvoll. Denn Kinder brauchen Figuren und Charaktere, die ebenso vielfältig sind, wie die Menschen, die sie umgeben, so Professorin Willms:

“Kinder brauchen vielfältige Figuren. Charaktere mit unterschiedlichen Verhaltensweisen und Eigenschaften, unterschiedlicher Herkunft und wechselnden Emotionen. Komplex und widersprüchlich, so wie echte Menschen auch.” 

Prof. Dr. Weertje Willms

In neueren Kinderbüchern wird genau das angestrebt: Unsere Gesellschaft so abzubilden, wie sie wirklich ist. Dazu gehören auch Familienbilder, die zunehmend der neuen Realität angepasst sind. Denn nicht jeder Haushalt sieht aus wie der in der Buchreihe Conni mit dem ständig arbeitenden Papa Jürgen, der Hausfrau Mama Anette und dem Bruder Jakob mit Kater Mau.

Ein Beispiel für Bücher im neuen Stil ist die Bücherreihe Papa und Paul von Susanne Weber. Die Geschichten dieser Reihe sind ein Paradebeispiel in Sachen aktiver Vaterschaft. Pauls Papa kocht, macht Ausflüge mit seinem Sohn und holt ihn vom Kindergarten ab. Die Mutter arbeitet in Vollzeit, während Vater und Sohn kleine Alltagsabenteuer erleben. Ebenfalls mit “neuem” Familienbild sind die Bücher der Reihe „Familie Flickenteppich“ von Stefanie Taschinski. Die relativ neue Kinderbuchreihe handelt von einem bunten Mietshaus. Hier leben Eltern mit und ohne Migrationshintergrund, ein alleinerziehender Vater, ein queeres Paar und ältere Menschen. Erzählt wird davon ganz ohne klischeehafte Zuspitzung oder pädagogischen Zeigefinger, dafür mit warmherziger Erzählweise. Nicht zuletzt ist natürlich der Klassiker Pippi Langstrumpf zu nennen, welcher aus dem klassischen Vater-Mutter-Kind-Haushalt ausbricht, da Pippi, wie jedem bekannt ist, glücklich mit Pferd und Affe alleine wohnt.

Das Erfolgsrezept dieser Erzählungen ist ihre Natürlichkeit. Es soll nichts aufgezwungen werden, aber die Kinderbücher dürfen gerne die neue Realität darstellen. Es sind Fakten, dass es alleine in Deutschland 2.2 Millionen alleinstehende Mütter und 487.000 alleinstehende Väter gibt und ca. 12% der Familien sogenannte “Patchworkfamilien” sind. Für Kinder, die also nicht in dem vermeintlich klassischen Familienbild groß werden, ist es schön, Geschichten zu lesen, die in dem gleichen Umfeld spielen wie zu Hause.  

Was darf man denn noch sagen?

Zu dieser Anpassung an die Zeit gehört es auch, alte Redewendungen und Zeichnungen anzugleichen. Manche mögen es schon beim Vorlesen alter Bücher erlebt haben, dass Bezeichnungen auf den Seiten erschienen, die man so nicht mehr im täglichen Wortschatz finden würde. Die Folge ist eine schnelle Improvisation beim Vorlesen, um den eigenen Kindern keine diskriminierenden Wörter beizubringen. Viele Verlage reagieren mittlerweile darauf und lassen solche Bezeichnungen in Originalfassungen von alten Büchern streichen oder umschreiben. Um diese Änderungen in den Kinderbuchklassikern gab es diverse Streitereien in den zugehörigen Verlagshäusern. Schnell wird von „Canceln“ oder gar Zensur gesprochen.

Dabei geht es nicht darum, Astrid Lindgren oder anderen bekannten Schriftsteller:innen Rassismus oder Diskrimierung zu unterstellen, sondern zeitgemäß zu sein und weiterzudenken. 

In Pippi Langstrumpf wird der Vater beispielsweise in der alten Fassung als “N-König” bezeichnet, was in neueren Auflagen zu „Südseekönig“ abgeändert wurde. Der zugehörige Oetinger Verlag entschied sich dazu, da die Sprache einen großen Einfluss auf Kinder habe.

Und auch der kleine Jim Knopf, welcher einer der wenigen schwarzen Protagonisten in Kinderbüchern ist, wird in den Erzählungen mit dem N-Wort gerufen. Hier entschied sich der Thienemann Verlag wiederum für das Beibehalten der Originalfassung. Bei dem Kinderbuch-Klassiker “Die kleine Hexe” von Otfried Preußler folgte der Verlag dem Beispiel von Oetinger und änderte mehrere Passagen ab. In der Originalfassung war zuvor noch von “Chinesenmädchen” und  “Türken” die Rede, wenn die Hexe auf ein Fest ging. Der Verlag betonte nach der Streichung der Wörter, dass es nötig sei, Bücher dem sprachlichen und politischen Wandel anzupassen, denn: „Nur so bleiben sie zeitlos.“ Schließlich wurde das Buch über die kleine Hexe, welche nur Gutes hexen kann, in 47 Sprachen übersetzt und ist ein weltweiter Erfolg.

Es bleibt an dieser Stelle zu erwähnen, dass die Anpassung einzelner Wörter auch nur ein Schritt in die richtige Richtung ist. Um die Reproduktion von oft rassistisch aufgeladenen Stereotypen zu verhindern, hilft neben einer Umbenennung von Bezeichnungen auch ein kritischer Blick auf das, was uns die Geschichten vermitteln. Warum zum Beispiel regiert der weiße Vater von Pippi überhaupt als König Übersee und symbolisiert weiße Überlegenheit, die koloniale Muster reproduziert? Natürlich ist den Kindern dieser kritische Blickwinkel in dem Ausmaße nicht bewusst, nichtsdestotrotz werden Werte vermittelt, die sagen: “So ist es okay, so ist es nun mal.”

In der Praxis sollten also nicht nur Bezeichnungen geändert, sondern auch Repräsentation geschaffen werden. Jim Knopf bleibt nämlich nicht der einzige Kinderheld of Color, wie weitere Beispiele mit schwarzen Protagonist:innen zeigen. In den Abenteuern von “Kalle und Elsa” erleben zwei beste Freunde verschiedenste Abenteuer, für die sie nur ihre eigene Fantasie benötigen. Ihre Reisen erleben sie fernab von Unterschieden in Geschlecht und Herkunft. Kalle ist ein schwarzer Junge, der rosa trägt, und Elsa ein weißes Mädchen, das grüne Kleidung bevorzugt. In einem anderen Kinderbuch namens “Akissi” von Marguerite Abouet erlebt die schwarze Heldin Akissi die verrücktesten Tage in ihrer Heimatstadt Abidjan an der Elfenbeinküste. Ihr Bruder Fofana geht dem fröhlichen Wirbelwind Akissi gehörig auf die Nerven und ihr Äffchen Boubou muss ständig unter Beobachtung stehen, damit er nichts anstellt. In dem Buch werden neben der bunten Welt von Akissis Heimat gleichwertig die sozialen Probleme auf kinderfreundliche Art und Weise thematisiert und dargestellt. Vor allem aber steht Akissi als schwarze Kinderheldin für junge Mädchen, die genauso aussehen wie sie. So wird Repräsentation geschaffen.

Zuletzt gilt es, das Kinderbuch “Odo” von Kayan Kodua zu erwähnen. In diesem liebevoll illustrierten Kinderbuch hat es sich die Autorin Kodua zum Ziel gemacht, eine geborgene ghanaische Kindheit darzustellen mit dem schwarzen Mädchen Odo als Protagonistin. “Kinderbücher sollten Spiegel der Welt und Fenster zur Welt zugleich sein”, sagt die Autorin selbst und weist darauf hin, dass nicht-weiße Kinder kaum positive Identifikationsfiguren in den deutschen Kinder- und Jugendmedien haben. Zu oft würden schwarze Kinder mit Themen wie Armut und Krieg in Verbindung gebracht. Mit ihrem eigenen Kinderbuch möchte sie mit Odo eine schwarze Heldin schaffen, damit auch schwarze Kinder sich verstanden und gesehen fühlen.

Sozialpädagogin und Gründerin von Afrokids Germany, Ndey Bassine Jammeh-Siegel, erklärt es in einem Satz gegenüber dem Spiegel sehr zutreffend: “In meinen Kinderbüchern kamen lauter weiße Prinzessinnen vor.” Warum also nicht anders? Oder wie Jammeh-Spiegel selbst fragt:

“Children of Color lesen andauernd Geschichten über weiße Kinder, warum sollte es andersherum nicht funktionieren?”

Ndey Bassine Jammeh-Siegel, Sozialpädagogin

Kinderbücher sind im ständigen Wandel: Während früher noch gewaltvolle Szenen wie das Verbrennen von Kindern oder das Abschneiden von Daumen in Kindergeschichten geduldet wurden, ist das heute keineswegs die Norm. Und dieser Wandel wird sich auch in den kommenden Jahren immer weiter fortsetzen. Schon jetzt gibt es mehr Kinderbücher mit muslimischen Protagonist:innen wie die Buchadaption des Erfolgsfilms “Das Mädchen Wadjda” von Hayfa Al-Mansour. Darin kämpft die 10-jährige Wadjda für ihren großen Traum: ein eigenes Fahrrad. Das “stärkste Mädchen der Kinderliteratur” kümmert sich dabei herzlich wenig darum, dass das Fahrradfahren Frauen in Wadjdas Heimatland Saudi-Arabien gar nicht erlaubt ist. Und auch inter- und transsexuelle Kinder dürfen in Kinderbüchern inzwischen eine Hauptrolle einnehmen, wie in Luzie Lodas “PS: Es gibt Lieblingseis” oder der herzerwärmenden Geschichte “Julian ist eine Meerjungfrau”. Jede Generation wächst in einer anderen Welt auf, warum sollten sich da nicht auch die Geschichten an ihr Umfeld und vor allem die Menschen  anpassen?

Wohlfühlfaktor Kindheit

Doch manche Konstanten wird es immer geben. Geschichten wie “Die Raupe Nimmersatt” oder “Der Räuber Hotzenplotz” haben schon unsere Eltern gelesen, bevor wir überhaupt auf der Welt waren, und vermutlich werden noch unsere Kinder sie an ihre eigenen weitergeben.

Die eine oder der andere mag sich manchmal auch dabei ertappen, alte Bücher, Filme oder Hörspiele aus der Kindheit herauszusuchen, um herunterzukommen, sei es ein kurzer Blick in den Hasen-Klassiker „Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich habe?“ oder ein Hörspiel von  “Die drei ???“ zum Einschlafen. Die Kindheitsgeschichten lösen bei vielen von uns ein Wohlbefinden aus, lassen uns von der Unbeschwertheit und Sorglosigkeit träumen, die im Kindheitsalltag das Leben bestimmte. Einfachheit, knuddelige Protagonisten, Lehren fürs Leben wie „Helfe denen, die Hilfe benötigen“, „Gib nicht auf“ und „Du bist gut so wie du bist“ schlummern zwischen den meist bunt illustrierten Seiten.

Gerade dann, wenn der Erwachsenen-Alltag mal wieder zu stressig wird oder der Blick nicht mehr auf dem Schönen im Leben liegt, kann es helfen, sich in die Kindheit zurückzuversetzen und das sorgenfreie Gefühl mit alten Erzählungen zurückzubekommen. Viel Weisheit liegt in der Einfachheit. Das ist für Erwachsene mindestens genauso wichtig wie für Kinder.

Kindheitshelden sterben nicht. Aber auch sie dürfen die Welt mit neuen Augen wahrnehmen.

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Mara Betjemann

Mara Betjemann ist Redakteurin bei Good News Magazin und freie Autorin. Sie ist der Meinung, dass Medien maßgeblich das Denken vieler Menschen beeinflussen und genau deswegen positiver Journalismus noch viel mehr etabliert werden sollte. Neben dem Schreiben für Good News Magazin, studiert sie Sozialwissenschaften in Düsseldorf und genießt das Leben im Rheinland.

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