Alles begann mit einer Mahlzeit für Kinder im kolumbianischen Bürgerkrieg. Zwanzig Jahre später haben David Höner und seine Cuisine sans frontières in den größten Krisenregionen weltweit Wirtshäuser, Restaurants und haushaltswirtschaftliche Ausbildungsstätten errichtet, die Begegnung und gewaltfreien Austausch fördern.
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David Höner ist Jahrgang 55, aber wenn es um die Projekte seiner Cuisine sans frontières geht, berichtet er mit der Begeisterung eines jungen Mannes, der die Küchendiplomatie gerade erst für sich entdeckt hat. Dabei gründete der gelernte Koch vor zwanzig Jahren bereits einen ehrenamtlichen Verein, dessen erstes Projekt der Aufbau einer Gemeinschaftsküche mitten im kolumbianischen Bürgerkrieg war. Seitdem sind viele Freiwillige zur „Küche ohne Grenzen“ dazugekommen, die in unterschiedlichen Krisen- und Kriegsgebieten weltweit mit lokalen Partnerorganisationen Räume der Begegnung durch gemeinsames Essen und Kochen schaffen.
Im Interview mit dem Good News Magazin erzählt der Gründer von Cuisine sans Frontières die Erfolgsgeschichte seines ungewöhnlichen Vereins und erklärt, warum soziales Gastgebertum und hauswirtschaftliche Ausbildungsprojekte gute Rezepte für den Frieden sind:
FRIEDE
FREUDE
FEIJOADA
In unserer Rubrik Good Food Stories sammeln wir Rezepte gegen die Probleme unserer Zeit. So wie die Küchendiplomatie der Cuisine sans Frontières, die Menschen über Essen verbindet und Frieden anregt.
FLORIAN VITELLO: David, ich erreiche dich im Zuge eines Events von Cuisine sans Frontières (CsF), ausnahmsweise heute in deiner Schweizer Heimat.
DAVID HÖNER: Ja, genau. Vor zwanzig Jahren haben meine Frau und ich beschlossen, nach Ecuador auszuwandern. Das Land war lange ein Hort des Friedens.
VITELLO: Bis vor kurzem haben wir beim Good News Magazin eine gute Nachricht nach der anderen aus Ecuador verkünden dürfen. Engagierte Gruppen, insbesondere indigene, haben in vielen Aspekten internationale Maßstäbe für Umweltschutz und soziales Miteinander gesetzt. Im Moment ist die Gesellschaft aber in einer tiefen Krise.
Die Cuisine sans Frontières arbeitet auch in Ecuador mit indigenen Gruppen: Es gibt ein Schulungsschiff auf dem Río Napo und ein Ausbildungsprogramm gemeinsam mit der staatlichen Universität in Puyo. Beide Angebote vermitteln praktisches Wissen aus der Gastronomie in Verbindung mit (Öko-)tourismus.
Wie kamst du ursprünglich auf die Idee, soziale Themen über Essen anzupacken?
HÖNER: Ich bin gelernter Koch, habe auch lange in dem Beruf gearbeitet, mich dann aber als Quereinsteiger auf Food-Journalismus spezialisiert. Der Fokus meiner Berichterstattung lag auf der Produktion qualitativ hochwertiger Lebensmittel. Eine größere Schweizer Zeitung beauftragte mich 2005, eine Reportage über Sprühflugzeuge im kolumbianischen Putumayo zu machen. Farcolandia wurde das damals genannt, weil der Landstrich von den FARC (Fuerzos Armados Revolucionarios de Colombia), also den Revolutionären Streitkräften Kolumbiens, verwaltet wurde.
„Wie kann man die Zivilgesellschaft so unterstützen, dass die Leute wieder miteinander in Kontakt kommen und sich über Lösungen für ihre Probleme austauschen?.“
Es gab viele, viele Auseinandersetzungen und unzählige Tote in diesem Bürgerkrieg in Kolumbien, der über 50 Jahre dauerte. Viele Menschen litten ökonomisch so sehr, dass sie zum Überleben keine andere Wahl hatten, als Koka für die Kokainherstellung anzubauen. Die amerikanischen Unterstützer der kolumbianischen Regierung haben darum große Koka-Anbauflächen, die bis zum Horizont reichten, mit Pestiziden besprüht. Das wurde damals offiziell im Rahmen des „War against Drugs“ (Krieg gegen Drogen) legitimiert.
Tatsächlich ging es darum, die kolumbianische Guerilla zu bekämpfen. Die Kämpfe und die Sprühaktionen zerstörten vor allem jedoch die zivile Infrastruktur. Will heißen, am Konflikt Unbeteiligte trauten sich gar nicht mehr vor die Türe. Ganze Familien vereinsamten. Auch das Ackerland wurde in Mitleidenschaft gezogen. Bauern gerieten in Abhängigkeit und wurden von allen Kriegsfronten missbraucht. Das war und ist bis heute eine unglaubliche Tragödie.
Ich kam entsprechend erschrocken zurück, habe die Reportage geschrieben und mich gefragt: „Wie könnte man die Zivilgesellschaft so unterstützen, dass die Leute wieder miteinander in Kontakt kommen und sich über Lösungen für ihre Probleme austauschen?“ Mit befreundeten Gastronomen in der Schweiz habe ich dann gesagt: „Lass uns doch da ein Restaurant aufmachen, wo die Zivilgesellschaft am meisten leidet.“
VITELLO: Weshalb der gastronomische Ansatz?
HÖNER: Das lag nahe, weil für uns ein Restaur…