Der Bionische Öl-Adsorber macht Hoffnung

Neue Methode befreit Gewässer von Ölverschmutzungen

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von | 20. Februar, 2023

Der Bionische Öl-Adsorber nutzt die Oberflächeneffekte des Schwimmfarns, um Gewässer von Ölverschmutzungen zu befreien.

Jedes Jahr gelangen circa 6.000 Tonnen Öl ins Meer und werden dort zur relevanten Bedrohung für das Ökosystem und dessen Bewohner. Als dünner Film verbreitet sich das Öl rasch auf der Wasseroberfläche, beim Verdunsten gelangen erhebliche Schadstoffmengen in die Luft und besonders Vögel geraten schnell in Gefahr: Die Atmungs- und Verdauungssysteme werden angegriffen, außerdem genügen bereits wenige Tropfen Öl, um dem Gefieder dessen isolierende Wirkung zu nehmen, sodass die Tiere unterkühlen und sterben.

Medial präsent wurde diese Gefahr besonders durch die Explosion der Förderplattform  Deepwater Horizon 2010 im Golf von Mexiko. Dabei kamen elf Menschen ums Leben und fast 800 Millionen Liter Erdöl gelangten ins Meer – mit erheblichen Folgen für die Tier- und Pflanzenwelt an der US-amerikanischen Südküste. Zudem gelangt durch Förderplattformen jeden Tag Öl in die Ozeane, das erst innerhalb Jahrzehnten abgebaut wird. Ein Projekt der Universität Bonn will nun gegen dieses globale Problem angehen und nimmt sich dafür die Natur als Vorbild. 

Die Natur als Vorbild

Das Bonner Forschungsteam entwickelte den sogenannten Bionischen Öl-Adsorber (Bionic Oil Adsorber, BOA), an dessen Oberfläche Öl von Gewässeroberflächen haften bleibt und so vom Wasser getrennt wird. Nach einem physikalischen Prinzip – ganz ohne Energieaufwand – wird es dann in einen Behälter weitergeleitet und gesammelt. 

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Auf dem Blatt des Schwimmfarns Salvinia molesta perlt ein Wassertropfen ab. Öl dagegen wird schnell und vollständig aufgesaugt und weitertransportiert. Foto: Wilhelm Barthlott

Teamleiter Prof. Dr. Wilhelm Barthlott war bereits 1999 Preisträger des Deutschen Umweltpreis der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) für seine weltweit erfolgreichen Forschungen zum Lotuseffekt. Gemeinsam mit seinem Team erkannte er, wie durch raue Mikrostrukturen auf der Blattoberfläche der Lotusblume Wassertropfen abperlen und anhaftende Schmutzpartikel mitreißen. Dieses Wissen wird heute in der Produktion von Fassadenfarben oder Polymeroberflächen eingesetzt, um Reinigungsmittel und Wasser einzusparen – ein immenses Umwelt-Entlastungspotential. 

Auch bei seinem aktuellen Projekt macht er sich Oberflächeneffekte aus der Natur zunutze, um das Ölproblem zu lösen: „Es fanden sich dabei vor allem Pflanzen wie der Schwimmfarn Salvinia molesta, der mit teilweise höchst komplexer Oberflächenstruktur optimal dazu in der Lage ist“, so der Umweltpreisgewinner. Diesen Effekt setzt das Bonner Forschungsteam mit einer Förderung der DBU von rund 365.000 Euro in die Praxis um.

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Ein Rohöltropfen auf einer Wasseroberfläche wird von einem Blatt des Schwimmfarnes Salvinia sekundenschnell adsorbiert und aus dem Wasser gezogen. Dieser Salvinia-Effekt kann – übertragen auf spezielle Funktionstextilien – bei der Reinigung von Gewässeroberflächen helfen. Foto: W. Barthlott, M. Mail/Universität Bonn

Vielversprechender Prototyp gegen Ölverschmutzungen

In Zusammenarbeit mit der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) Aachen und der Heimbach-Gruppe in Düren, Hersteller von textilen Produkten, identifizierte die Forschungsgruppe zunächst geeignete Funktionstextilien. Über sechs Zentimeter breite Streifen sollten diese Diesel-, Heiz- oder Motoröl von einer Wasseroberfläche in einen Sammelbehälter transportieren.  „Der kann dann entleert und das Öl gegebenenfalls sogar wiederverwendet werden“, erklärt Barthlott. In ersten Tests mit einem kleineren BOA-Prototyp konnte das Team bereits erste Erfolge verzeichnen: Bis zu drei Liter Öl pro Stunde konnten mit dem innovativen Verfahren ohne Energieaufwand von einer Gewässeroberfläche gesammelt werden. Nach Barthlott sei dies besonders umweltfreundlich und effizient. 

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Das Schema zeigt, wie ein bionischer Öl-Adsorber ausgelaufenes Öl von Wasseroberflächen vollständig entfernen und auffangen kann – ganz ohne Energiezufuhr. Foto: W. Barthlott, M. Mail/Universität Bonn

Wie schnell das Öl aufgenommen werden kann, hänge dabei von der Beschaffenheit des Öls ab. „Aufgrund der geringeren Zähflüssigkeit wird Diesel 50-mal schneller transportiert als Motoröl.“ Eingesetzt werden könne die Technik insbesondere in Binnengewässern, möglicherweise aber auch in der Schifffahrt oder industriellen Anlagen. Schon bald soll die industrielle Produktion des Bionischen Öl-Adsorbers für die Öl-Wasser-Trennung beginnen. 

Gleichzeitig sind sich Expert:innen einig, dass es nicht genügt, bestehende Ölverschmutzungen zu entfernen, um das dadurch entstandene weltweite Umwelt-Risiko anzugehen. DBU-Generalsekretär Alexander Bonde spricht sich daher für einen Wechsel zu nachhaltigen Alternativen für Erdöl als Energieträger aus:

„Das Ende fossiler Energieträger verringert nicht nur die Erderwärmung, sondern minimiert auch das Risiko von Ölkatastrophen im Meer und auf Gewässern. Wir brauchen effiziente Wege, um Ölverschmutzungen zu vermeiden.“

DBU-Generalsekretär Alexander Bonde

Beitragsbild: Ante Hamersmit/ unsplash

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    Nina Kegel

    Nina ist stellvertretende Chefredakteurin beim Good News Magazin und vor allem eins: Neugierig. Immer auf der Suche nach Good News beschäftigt sie sich am liebsten mit Themen rund um einen nachhaltigen Wandel – egal ob kreatives Bauprojekt, ökologische Initiative oder innovatives Unternehmenskonzept, sie lässt sich für vieles begeistern. Außerdem studiert sie im Master Medienkultur und Globalisierung.

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