Positive Wirkung auf Temperaturen und Artenvielfalt

Mannheim: Erster Tiny Forest Baden-Württembergs

von | 25. März, 2024

Mannheim hat bald einen besonderen Wald: Einen Tiny Forest, Mikrowald, der auf kleiner Fläche einen großen Beitrag für Klima und Artenschutz leisten kann.

In Europa entstehen immer mehr sogenannte Tiny Forests, also sehr kleine, dicht bepflanzte Waldflächen. Diese eignen sich durch die dichte Bepflanzung nicht besonders gut zum Spazierengehen. Sie sind nicht, wie viele andere Wälder, Erholungsgebiete, sondern haben vor allem viele positive Effekte auf ihre Umgebung und können bei der Anpassung an den Klimawandel helfen. Ein solcher Wald entsteht nun auf Initiative einer Gruppe Ehrenamtlicher auch im Mannheimer Stadtteil Lindenhof und ist damit der erste Tiny Forest Baden-Württembergs. Dadurch hat Mannheim, aktuell regelmäßig eine der heißesten Städte im Süden Deutschlands, die Chance, zu einer Beispielstadt für Klimaanpassung zu werden. 

Die Notwendigkeit von Grünflächen wie Tiny Forests

Nicht versiegelte, also unbebaute und nicht betonierte oder gepflasterte Flächen können Regenwasser aufnehmen und füllen damit die Grundwasserreserven auf. Außerdem ist der Boden auf unversiegelten Flächen meist fruchtbar und kann Raum für Tiere und Pflanzen bieten. Laut Bundesumweltamt sind allerdings in Deutschland aktuell ungefähr 45 Prozent der als Siedlungs- oder Verkehrsflächen ausgewiesenen Gebiete versiegelt. Das heißt, fast die Hälfte dieser Flächen ist bebaut, betoniert oder auf andere Weise befestigt. Dabei haben unversiegelte Flächen wie schon erwähnt viele Vorteile. Durch die Fähigkeit des Bodens, Wasser aufzunehmen, reduziert sich bei Starkregen die Gefahr für Überschwemmungen, da das Wasser besser versickern kann. Außerdem beeinflusst der Bodenbelag auch das Mikroklima, also das Klima in einem bestimmten Gebiet, beispielsweise in einem Stadtviertel. Begrünte Flächen kühlen ihre Umgebung, da sie im Vergleich zu bebauten Flächen tagsüber einen geringeren Anteil des Sonnenlichts absorbieren und daher nachts weniger Wärme abgeben. Bäume haben zusätzlich noch einen positiven Einfluss – sie spenden Schatten und begünstigen das Verdunsten von Wasser.

Mehr Grünflächen und Bäume machen das Stadtbild also nicht nur attraktiver, sondern haben direkte positive Auswirkungen​ auf die Umwelt, die Temperaturen und damit das Leben in der Stadt oder dem Gebiet. Oft sind Freiflächen in Städten aber begrenzt. Um trotzdem diesen positiven Effekt von Grünflächen zu erzielen, können Mikrowälder angelegt werden. Als Mikrowald, oder auch Tiny Forest, wird ein besonders dicht bepflanzter Wald auf einer kleinen Fläche von mindestens 100m2 bezeichnet. Diese Bepflanzungsart eignet sich besonders für Städte. Auf geringster Fläche kann schon ein funktionierendes Ökosystem entstehen, welches das Mikroklima verbessert und vielen Kleintieren ein Zuhause bietet. Ulrich Holl, der Vorsitzende der Bürger-Interessen-Gemeinschaft Lindenhof erklärt hierzu: 

„Der Miniwald soll das ganze Jahr blühen. So haben Schmetterlinge, Vögel und Insekten zu jeder Jahreszeit das passende Nahrungsangebot.“

Was sind Tiny Forests?

In Deutschland gibt es bereits einige dieser kleinen Wälder, der erste wurde im Jahr 2020 durch eine von zwei Studenten geleitete Initiative in der Uckermark in Brandenburg gepflanzt. Seither haben sich einige Organisationen oder Initiativen gegründet, die es sich zum Ziel gemacht haben Mikrowälder in Deutschland und Europa anzulegen und das Konzept bekannt zu machen. 

So auch in Mannheim, wo nun auf einer Fläche von 350m2 der erste Tiny Forest Baden-Württembergs entsteht. Bei einer gemeinsamen Pflanzaktion haben sich 30 ehrenamtliche Helfer:innen zusammengefunden, um 900 Sträucher und 450 Bäume in den Boden zu pflanzen. Für einen Tiny Forest​ werden möglichst unterschiedliche, an die Standortbedingungen angepasste Pflanzenarten sehr dicht gepflanzt. Diese Methode stammt von dem Japaner Akira Miyawaki und hat viele Vorteile. 

Der Vorsitzende der Bürger-Interessen-Gemeinschaft (BIG) Lindenhof Ulrich Holl erklärte gegenüber dem SWR, dass durch die dichte Bepflanzung von vier bis fünf Sträuchern und Bäumen pro Quadratmeter, der Wald viel schneller wachse. Nach bereits fünf Jahren könne die gleiche Menge an Kohlenstoffdioxid gespeichert werden, wie bei einem normal bepflanzten Wald nach ungefähr 15 Jahren. Dafür müsse der Wald nur alle zwei bis drei Jahre gepflegt werden, wofür sich im Fall des neu angelegten Mannheimer Mini-Waldes ehrenamtliche Helfer:innen gefunden haben. Durch den Schattenwurf und die Verdunstung von Wasser verbessere sich in der unmittelbaren Umgebung eines solchen kleinen Waldes die Temperatur, also das Mikroklima.

Daraus lässt sich schließen, dass ein einzelner Tiny Forest noch keinen großen Effekt auf die gesamte Stadt hat. Werden aber mehrere solcher Wäldchen auf freien Grünflächen oder ehemals versiegelten Flächen, wie ehemaligen Parkplätzen, angelegt, kann sich das positiv auf die gesamte Stadt auswirken. Außerdem können die kleinen  Waldstücke Bildungszwecke erfüllen. Der Tiny Forest in Mannheim liegt in der Nähe eines Kindergartens und kann zur Beobachtung von Pflanzenwuchs, zur Bestimmung von Gewächsen und Tieren und damit als reales Lehrmittel genutzt werden.

Einer der Initiatoren des ersten Tiny Forests in Deutschland, Lukas Steingässer beschreibt gegenüber dem Magazin Umwelt Dialog im Jahr 2020 seine Vision:  

„Denkbar wäre, dass es langfristig Projekte im Bereich der Bildung für nachhaltige Entwicklung gibt, bei denen Kinder und Jugendliche Tiny Forests auf ihren Schulhöfen oder ihren Schulorten anpflanzen. Gerade im urbanen Raum besteht ein dringendes Bedürfnis, die Menschen für die Natur zu sensibilisieren.“

In Mannheim kann in dem frisch angelegten Tiny Forest nun der Effekt und die Funktionsweise gut beobachtet und auch die Nutzung durch den Kindergarten erprobt werden. Der Vorsitzende der BIG Holl hofft auf weitere Flächen für die Anlage von mehreren Tiny Forests im Stadtgebiet und weiteres Engagement, „damit das Mikroklima um die jeweiligen Flächen besser wird.“

Die Anpflanzung von Tiny Forests ist eines von vielen Bestreben zur Aufforstung.

Beitragsbild: flickr.com

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Antonia Scheurer

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