Statt Tabletten verordnen Ärzt:innen Museumsbesuche oder kreative Aktivitäten – ein neuer Ansatz gegen Einsamkeit, Depression und Stress, der auch in Deutschland und der Schweiz ankommt.
Einsamkeit und psychische Erkrankungen zählen zu den größten gesundheitlichen Herausforderungen unserer Zeit. Studien zeigen: Soziale Isolation erhöht das Sterberisiko ähnlich stark wie das Rauchen von 15 Zigaretten täglich. In Ländern wie Großbritannien und Kanada hat sich daher bereits ein neuer Ansatz bewährt: „Social Prescribing“ – Kulturangebote auf Rezept.
Pilotprojekte in Deutschland und der Schweiz
Auch in Deutschland wird dieser Ansatz nun aufgegriffen. An der Berliner Charité startet ein Pilotprojekt, unterstützt von der Europäischen Kommission mit knapp sieben Millionen Euro. Dabei überweisen Ärztinnen und Ärzte ihre Patientinnen und Patienten an sogenannte Link Worker, die passgenaue kulturelle Aktivitäten vermitteln – vom Töpferkurs über Museumsbesuche bis zum Tanzunterricht. Besonders im Fokus stehen ältere, alleinlebende Menschen, LGBTQIA+-Personen sowie Geflüchtete und Migrantinnen und Migranten.
In Neuenburg in der Schweiz können Hausärztinnen und Hausärzte ihren Patientinnen und Patienten seit Februar 2025 eine „ordonnance muséale“ ausstellen – ein Rezept für den kostenlosen Eintritt in eines von vier städtischen Museen. Das Projekt zielt darauf ab, das Wohlbefinden durch kulturelle Teilhabe zu fördern und wird mit 10.000 Franken finanziert.
Wissenschaftliche Bestätigung
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat 2019 in einer umfassenden Studie die positiven Effekte von Kunst und Kultur auf die Gesundheit bestätigt. Gemeinsames künstlerisches Erleben fördert den sozialen Zusammenhalt, hilft, schwierige Emotionen zu bewältigen, und stärkt die psychische Widerstandskraft. Besonders wirkungsvoll ist die Verbindung von kreativem Selbstausdruck und kulturellem Austausch in Gruppen.
Wie erhält man ein Kultur-Rezept?
In Bremen, wo es ein solches Konzept ebenfalls seit einiger Zeit gibt, und in Berlin erfolgt die Verschreibung durch teilnehmende Hausärztinnen, Hausärzte oder psychotherapeutische Praxen. Diese stellen ein „Kunstrezept“ aus, das bei Partnerinstitutionen wie der Volkshochschule eingelöst werden kann. In Neuenburg wird das Rezept direkt von der Hausärztin oder dem Hausarzt ausgestellt und berechtigt zum kostenlosen Eintritt in ausgewählte Museen.
Kultur als Bestandteil der Gesundheitsversorgung
Das Konzept „Kunst auf Rezept“ zeigt, dass kulturelle Teilhabe mehr ist als Freizeitgestaltung – sie ist ein wichtiger Baustein für die psychische Gesundheit. Es bleibt zu hoffen, dass solche Initiativen weiter ausgebaut werden und Kulturangebote für alle Menschen zugänglich gemacht werden, unabhängig von Wohnort oder Einkommen.