Der Ideenwettbewerb Klimaschutz nebenan macht sichtbar, wie aus nachbarschaftlicher Initiative kleine, alltagstaugliche Antworten auf große ökologische Fragen entstehen.
geschrieben von Luisa Ehlers
Nach den zehn bereits im Juli von der nebenan.de Stiftung ausgezeichneten Ideen konnten sich jüngst weitere Projekte im Online-Voting Hoffnung auf ein Preisgeld machen. Nun stehen auch hier die Gewinner:innen für den Ideenwettbewerb Klimaschutz nebenan fest. Jede Idee erhält 1.000 Euro Förderung und startet mit der Umsetzung ihrer Projekte.
In diesem Artikel stellen wir acht der Publikumslieblinge vor, die demonstrieren, wie Nachbarschaft und Klimaschutz zusammenwirken können.
Ergänzend sei erwähnt, dass eine unabhängige Fachjury unter den insgesamt 20 ausgezeichneten Ideen zusätzlich fünf Projekte mit je 1.000 Euro ausgezeichnet hat.
Berlin-Moabit
Mobile Lebensmittelrettung
Mit einem neuen Fahrradanhänger sollen gerettete Lebensmittel direkt im Kiez transportiert werden. So können größere Mengen Obst, Gemüse und Backwaren ohne Auto verteilt und damit täglich bis zu 100 Nachbar:innen im Rahmen der Initiative „foodsharing Moabit“ versorgt werden.
Was möchtest du mit deiner Idee in der Nachbarschaft verändern?
Wir wollen Lebensmittelverschwendung sichtbar verringern und zeigen, dass gemeinsames Teilen im öffentlichen Raum Nachbarschaft stärkt. Aus Überschuss wird ein Ort der Begegnung – solidarisch, offen und nachhaltig.
Wir wollen Lebensmittelrettung noch einfacher und gemeinschaftlicher machen: Mit einem großen Fahrradanhänger oder Lastenrad können wir gerettete Lebensmittel klimafreundlich transportieren und lagern – für eine starke, solidarische Nachbarschaft.
Welche besondere Geschichte ist bereits passiert?
Unsere tägliche „Fairteilung“ ist längst mehr als nur das Retten von Lebensmitteln – sie schafft Begegnungen, Vertrauen und ein starkes Netzwerk. Das zeigt sich in vielen kleinen und großen Geschichten: So kommen manchmal spontan Händler oder Zulieferer bei unserem „Fairteilort“ vorbei und übergeben überschüssige Lebensmittel direkt an die Nachbarschaft. Sie wissen inzwischen: Wir sind zuverlässig täglich da und teilen fair mit allen Anwesenden. Das ist eine niedrigschwellige Möglichkeit auch für Lebensmittelbetriebe, der Lebensmittelverschwendung entgegenzuwirken.
Eine weitere Anekdote: Im heißen Sommer 2023 konnten wir dank unseres Netzwerks kurzfristig eine ganze Tonne Frischmilch retten, die bei einem Festival übrig geblieben war – mit Hilfe unserer großen Messenger-Netzwerke konnten wir innerhalb weniger Stunden Transport und Verteilung im Kiez bewerkstelligen und so dafür sorgen, dass die Milch schnell in heimische Kühlschränke kam und so vor der Tonne bewahrt werden konnte.
Diese Geschichten zeigen, wie eng Klimaschutz, Solidarität und Nachbarschaft bei uns zusammengehören.
Link zur Idee: Mobile Lebensmittelrettung Berlin-Moabit
Dresden (Sachsen)
Umsonstladen für Kinderkleidung & Zubehör „KiKlA-Stube”

Die „KiKlA-Stube” sammelt gespendete Kinderkleidung, Spielsachen und Mobiliar und gibt sie kostenfrei an Familien weiter. Über einen Umsonstladen, Märkte und eine Telegram-Gruppe werden gut erhaltene Dinge weiter genutzt und so Ressourcen geschont.
Was möchtest du mit deiner Idee in der Nachbarschaft verändern?
Mit der „KiKlA-Stube” schaffen wir einen lebendigen, barrierefreien Ort des Austauschs – für Kleidung, Kinderzubehör und vor allem für Begegnungen. Unser Ziel ist es, Familien in unterschiedlichen Lebenslagen zu unterstützen, soziale Teilhabe zu fördern und Nachbarschaft aktiv zu gestalten. Neben unserem Laden organisieren wir kulturelle Veranstaltungen, Tauschmärkte und Konzerte, die Menschen zusammenbringen und Gemeinschaft erlebbar machen. Wir möchten zeigen: Solidarität, Nachhaltigkeit und gegenseitige Hilfe können Alltag sein – mitten in der Stadt. Wir wollen unsere Nachbar:innen und auch schon die Jüngsten unserer Gesellschaft im Sinne des Umweltschutzes und der Ressourcenschonung mit unserer Arbeit bilden. Mit gutem Beispiel gehen wir voran und schaffen damit ein kollektives Bewusstsein: Antikapitalismus schützt unsere Umwelt und damit die Zukunft unserer Kinder.
Welche besondere Geschichte ist bereits passiert?
Eine geflüchtete Mutter in der Erstaufnahmeeinrichtung gebar ihr Baby zwischen Weihnachten und Neujahr – genau dann, als auch unser Laden geschlossen war. Der Hilferuf erreichte uns auf der Autobahn zu unseren Familien, Hilflosigkeit und auch ein bisschen Wut machte sich breit: Da muss doch mal was zu machen sein! Unsere „Baby-in-Not-Taschen“ improvisierten wir bis dahin nur aus dem Stehgreif. Das Baby Aroleya motivierte uns, einen Antrag bei der Stadt zu stellen, um unser „Baby-in-Not-Taschen“-Projekt finanzieren zu können. Es wurde bewilligt und wir hatten für ein halbes Jahr liebevoll gepackte Taschen in unserem Lager vorrätig. Aroleya ist jetzt 2 Jahre alt. Sie und ihre Familie besuchen uns regelmäßig.
Link zur Idee: KiKlA-Stube
Schwedt/ Oder (Brandenburg)
Stark für die Umwelt: Mehrweg im Gewichthebe-Sportverein

Bei Festen und Spielen setzt der Sportverein TSV Blau-Weiß 65 künftig auf Mehrwegtassen, -teller und -besteck. So landen deutlich weniger Abfälle im Müll, und Veranstaltungen werden umweltfreundlicher.
Was möchtest du mit deiner Idee in der Nachbarschaft verändern?
Wir möchten zeigen, dass Nachhaltigkeit im Alltag ganz einfach umsetzbar ist. Durch Mehrweggeschirr reduzieren wir Müll, schonen Ressourcen und stärken gleichzeitig den Zusammenhalt in unserer Nachbarschaft.
Welche besondere Geschichte ist bereits passiert?
Unser erster Meilenstein war die Einführung von Kaffeetassen statt Einwegbechern. Was klein wirkte, hatte große Wirkung: Es war der Startschuss für unser Projekt, das viele motiviert hat, sich zu beteiligen.
Link zur Idee: Mehrweg im Gewichthebe-Sportverein
Ludwigsburg (Baden-Württemberg)
Blätterteigwald

Unter dem Motto „Ein Café kauft einen Wald” soll ein Nachhaltigkeitstreffpunkt in Ludwigsburg entstehen. Das Café soll künftig gerettete Lebensmittel zu Speisen verarbeiten, deren Preise die Gäste selbst wählen. Die Einnahmen fließen dann in den Kauf von Waldflächen, die CO₂ binden.
Was möchtest du mit deiner Idee in der Nachbarschaft verändern?
Wir möchten mit unserem Café einen Ort für nachhaltigen Konsum schaffen.
Welche besondere Geschichte ist bereits passiert?
Wir haben über Instagram sehr spannende Tipps für Standorte bekommen, an denen wir unser Café hoffentlich sehr bald eröffnen können.
Link zur Idee: Blätterteigwald
Ubstadt (Baden-Württemberg)
Solidarische Landwirtschaft für Gemüse im Ort

Gemüse für ein ganzes Dorf: Zwei Frauen haben sich zum Ziel gesetzt, nachhaltig ihr Dorf mit frischem Grün zu versorgen. Auf einem Acker bauen die beiden eine ökologische Landwirtschaft auf, die bis zu 100 Haushalte versorgen kann – ganz ohne lange Transportwege und Pestizide.
Was möchtest du mit deiner Idee in der Nachbarschaft verändern?
Wir möchten unsere Nachbarschaft mit regionalem Bio-Gemüse versorgen, welches aktuell nirgendwo bei einem Bauernhof bei uns in der Nähe erhältlich ist. Insgesamt 100 Haushalte können jährlich von uns versorgt werden. Dies soll zu einer direkten Verknüpfung mit unseren „Ernteteilern“ (die Kund:innen) in der Nachbarschaft führen. Unsere „Ernteteiler“ können komplett offen die ganze Produktion ansehen und, wenn Sie möchten, auch auf dem Acker helfen.
Welche besondere Geschichte ist bereits passiert?
Wir konnten die letzten neun Monate wirklich sehr viel auf unserem 5.300 Quadratmeter großen Acker aufbauen. Eins der größten Geschenke waren zwei riesige Foliengewächshaustunnel (8 mal 32 Meter und 6 mal 20 Meter) von einer Gärtnerei. Das ganze Jahr über haben liebe Menschen mit angepackt. Viele haben sich außerdem gefunden, die immer wieder gerne kommen und unser Gemüse kaufen.
Einen langen und steinigen Weg haben wir mit den Ämtern hinter uns, aber auch hier konnten wir jetzt zu einem positiven Ende kommen und sind nun wirklich offiziell Landwirtinnen und dürfen einen Zaun stellen und alles aufbauen. Auch einen Brunnen konnten wir bereits bohren lassen. Wir freuen uns wirklich sehr auf das kommende Jahr.
Link zur Idee: Solidarische Landwirtschaft Ubstadt
Dresden (Sachsen)
Reparaturcafé Kleinzschachwitz

Gemeinsames Reparieren bei Kaffee und Kuchen – das gibt es im Reparaturcafé Kleinzschachwitz. Mit Werkzeug und Kleber werden Alltagsgegenstände so wieder fit gemacht. Nebenbei kommt die Nachbarschaft zusammen und lernt sich besser kennen.
Was möchtest du mit deiner Idee in der Nachbarschaft verändern?
Mit dem Reparaturcafé wollen wir Menschen zusammenbringen, um Dinge wieder nutzbar zu machen, statt sie wegzuwerfen. Das spart einerseits Ressourcen und Geld, andererseits kann es die Menschen verändern,
a) im Denken: Reparieren ist auch heute noch möglich,
und
b) im Verhalten: Wir gestalten Nachbarschaft lebendig; Menschen, die sich vermutlich sonst nie begegnet wären, kommen ins Gespräch und unterstützen sich gegenseitig.
Das fördert Vertrauen, das spätestens mit der Corona-Krise stark verloren gegangen ist, und eine Kultur des Teilens und Helfens in Dresden-Ost.
Welche besondere Geschichte ist bereits passiert?
Ein besonders schöner Moment war, als eine ältere Nachbarin, bei der ich den neuen DSL-Anschluss eingerichtet und ihren Router neu konfiguriert hatte, sich mit einem tollen Bienenstich-Kuchen bedankt hat – und ihre Freude war ansteckend.
Genau solche Momente zeigen, warum sich unser Engagement lohnt.
Link zur Idee: Reparaturcafé Kleinzschachwitz
Freiburg (Baden-Württemberg)
Gründung eines eigenen Foodsharing-Cafés
In Freiburg schaffen Ehrenamtliche einen Treffpunkt für die Anwohner:innen, an dem kostenlos gerettetes Essen verzehrt oder mitgenommen werden kann. Die „foodsharing-Initiative“ bietet zusätzlich Kultur- und Diskussionsveranstaltungen an, die die Nachbar:innen zusammenbringen.
Was möchtest du mit deiner Idee in der Nachbarschaft verändern?
Durch unser Café werden die Menschen in der Nachbarschaft zum einen über Lebensmittelverschwendung aufgeklärt und sensibilisiert und zum anderen schaffen wir einen offenen Treffpunkt für alle. Durch verschiedene kulturelle oder Bildungsveranstaltungen bieten wir außerdem einen Raum für vielfältige sozial-ökologische Themen, beleben dadurch die Nachbarschaft und werden gleichzeitig unserem Bildungsauftrag gerecht.
Welche besondere Geschichte ist bereits passiert?
Mit dem Café als Treffpunkt und Kreativ-Hub im Rücken und vielen freiwilligen Helfer:innen vor Ort konnten wir im September 2024 zentral in der Stadt eine Ausstellung mit allen an einem Tag durch Foodsharing geretteten Lebensmitteln realisieren. Das waren 3,5 Tonnen noch genießbare Lebensmittel, die andernfalls in der Tonne gelandet wären.
Link zur Idee: Neues Foodsharing-Café Freiburg
Wenzendorf (Niedersachsen)
Beerenkombinat

Am Rande der Nordheide kümmern sich Engagierte gemeinsam um Obstbäume und Beerensträuche. Die Ernte wird anschließend solidarisch geteilt. Die Gartenaktion hilft nicht nur dabei, einen Lebensraum für Insekten zu bewahren, sondern bringt Nachbar:innen auch zusammen: Nach der Ernte wird zusammen gegessen.
Was möchtest du mit deiner Idee in der Nachbarschaft verändern?
Den Blick von „mein“ auf „unser“ wenden. Die Zäune in den Köpfen niedriger machen, sodass die Menschen darüber steigen können.
Gesunde, lokale und nachhaltige Ernährung für alle? Häufig scheitert es an der finanziellen Barrierefreiheit. Gerade biologisches und regionales Beerenobst ist für viele nicht zugänglich. Mit dem „Beerenkombinat“ zeigen wir, dass dies doch möglich ist. Mit nachbarschaftlichem Gärtnern wird hochwertiges Obst zu einem reichlich verfügbaren Gemeingut.
Welche besondere Geschichte ist bereits passiert?
Eine Nachbarin sagte, sie komme so gerne wegen der Atmosphäre. Wenn sie doch mal etwas erntet, trägt sie das Gefäß mit den Beeren auf dem Kopf davon.
Link zur Idee: Beerenkombinat
Hier kannst du über weitere tolle Ideen nachlesen, die von nebenan.de ausgezeichnet wurden.
Beitragsbild: © foodsharing / Katharina Mölter