Eine 19-jährige Medizinstudentin schreibt Geschichten, um Kindern Krankheiten und medizinische Abläufe zu erklären.
Sonja Marschall studiert seit 2019 Medizin und arbeitet nebenbei im Rettungsdienst. Ihre Bücher erklären Krankheiten wie Krebs, Herzfehler oder Allergien. Weil Kinder dann die Möglichkeit haben, einen positiven Umgang damit zu finden und nicht „im Dunkeln tappen“ oder ihrer Fantasie überlassen sind.
Wir haben uns mit ihr zu einem Interview verabredet:
Good News Magazin: Worum geht es dir bei deinen Büchern?
Sonja Marschall: Es gibt Abenteuergeschichten, Geschichten über Freundschaft, Gute Nacht-Geschichten oder Geschichten für die Schule, aber nichts über Krankheiten. Es gibt einfach keine Bücher, die Kindern die Situationen erklären, in denen sie sich dann befinden.
Bei einer Krankheit, wie Krebs, reagieren die meisten Eltern ziemlich panisch, reden nicht mehr viel und haben den Tod vor Augen. Obwohl Kinder mittlerweile hohe Chancen haben, Krankheiten wie diese zu überstehen.
Mir war es wichtig, den Kindern etwas mitzugeben. Ihnen den Raum zu lassen, neugierig und naiv sein zu dürfen, weil sie einfach Kinder sind. Alles mit der Hilfe einer sachlichen Ebene, abseits von dem, was die Eltern spiegeln, wenn eine solche Diagnose aufkommt.
Es geht darum, Kindern etwas Positives oder viel mehr etwas Ehrliches zu vermitteln, damit sie wissen, woran sie sind. Das würde uns Erwachsenen, in so einer Situation, auch guttun.
Was hat dich denn für dieses Denken geprägt?
Ich habe häufig wahrgenommen, dass Kinder sehr viel fragen und dann wie beruhigt erscheinen, wenn man ihnen eine Antwort gibt. Dann merkt man, wie es in ihren Köpfen rattert. Ich finde es wahnsinnig schön zu sehen, wie Kinder nachdenken. Wenn man ihnen so ein bisschen links und rechts den Weg baut und sie nicht ganz allein im Dunkeln tappen lässt, glaube ich, dass da ganz gute Sachen bei rumkommen.
Aber wenn man Kindern gar nichts sagt und sie allein lässt, beginnen die tausend Fantasien in ihren Köpfen, die sie nicht ganz einordnen und die auch mal falsch sein können. Das ist etwas, was man vermeiden kann, indem man auf ihre Fragen antwortet.
Hast du die Erfahrung gemacht, dass du Eltern oder das Umfeld durch deine Bücher mit an die Hand genommen hast?
Wir Erwachsene wissen bei Krankheiten ja selbst oft nicht: Was ist das, was macht das, wozu führt das, wie lange dauert das? Ich habe mitbekommen, wie Eltern erzählt haben, dass sie nichts über die Diagnosen und somit über die Krankheiten wussten. Das sind für Erwachsene dann total krasse Situationen – gerade die Notfallsituationen, wenn das Kind etwas gegessen hat und auf einmal keine Luft mehr bekommt.
Ich glaube, dass die Bücher auch Eltern helfen zu verstehen. Das merke ich an mir selbst, wenn ich Kinderbücher über Technik lese oder Nachrichten für Kinder sehe, da verstehe ich teilweise mehr, als später bei der Tagesschau.
Ich denke, wir haben als Gesellschaft keine vernünftige Trauerkultur. Das heißt, wenn Erwachsene nicht gelernt haben über den Tod zu reden, weil dieser bei ihnen Angst auslöst, dann sind sie überfordert, wenn sie ihn Kindern erklären müssen, weil sie diese ja schützen wollen.
Du schreibst gerade an einem Buch über Herzinfarkt, wie gestaltest du das?
Auch das wird ein Kinderbuch, aber es ist tatsächlich das erste Mal, dass ich die Perspektive wechsle. In den vorherigen Büchern waren die Kinder erkrankt und dann erklärten Geschwister oder die Kinder selbst die Krankheiten.
In dem nächsten Buch erleidet der Opa des Kindes einen Herzinfarkt, während sie unterwegs sind. Ich erkläre zum Beispiel, was am Anfang gemacht wird, wenn es passiert, zeige den Aufbau des Herzens, was es für Erstmedikamente gibt, dass sich die Betroffenen schonen müssen und wie der Prozess bis zu der Reha verläuft.
Bereitest du das dann auch psychologisch auf?
So ein ganzes Buch ist ja psychologisch angehaucht, weil es Kindern etwas nahebringen soll. Mir ist es wichtig, bei Krankheiten wie Krebs oder Herzinfarkt auch zu zeigen, dass diese zum Tod führen können. Dann gibt es Schilderungen, in denen ich erkläre, dass bei einem anderen Kind, beispielsweise die Oma verstorben ist.
Dabei zeige ich, dass das vorkommt. Aber erkläre auch, dass die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, wieder gesund zu werden.
Vielen Dank für das Gespräch, Sonja!
Sonja wird zukünftig weiter Bücher schreiben. Sie kann sich auch vorstellen, nicht nur Krankheiten für Kinder aufzubereiten. Ausprobiert hat sie das schon, mit: „Blaue Briefe“, ein Drehbuch und Film.
„Entstanden ist ein Film, der zeigt, wie sehr jeder Einzelne – egal welchen Alters – dazu beisteuern kann, dass wir eine offene Gesellschaft bilden, in der Antisemitismus und Rechtsextremismus keinen Platz einnehmen.“
Bundesfestival junger Film
Beitragsbild: © medhochzwei Verlag — Illustration: Eva Marina Burckhardt