Das inklusive Rap-Video-Projekt „Sprich mit mir!“ gibt Menschen mit Behinderung die Möglichkeit, ihre ganz eigenen Geschichten zu erzählen.
Rappen ermöglichen, obwohl die Stimme dazu fehlt, das war die Idee der UK-Theatergruppe (UK: Unterstützte Kommunikation) der Stiftung KBZO aus dem baden-württembergischen Weingarten. Die Teilnehmenden der Gruppe kommunizieren mittels Sprachcomputern, die elektronisch Stimmen erzeugen. Auf diese Weise Theater zu spielen, ist für die Gruppe schon lange normal – mit dem Projekt “Sprich mit mir!” versuchen sich die Schauspieler:innen nun auch an Rap.
Kreativität zum Ausdruck bringen
Die Idee dazu entstand in der Coronakrise, die für die Kultur- und Musikszene vor allem einer langen Dürreperiode glich – nicht nur finanziell, auch Auftritte wurden über lange Zeit unmöglich. Um den Schauspielenden der inklusiven Theatergruppe dennoch Raum für ihre Kreativität zu geben, ließen die Organisatoren Tobias Langlois, Thorsten Mühl, Moritz Herz und Timo Baumeister sie Texte über ihr Leben schreiben. Und so fingen die Kreativen, teils in Zusammenarbeit mit ihren Familien, an, aus Gedanken und tiefen Gefühlen Texte zu formen.
Es entstand ein buntes Text-Potpourri, in dem auch Empfindungen zum Ausdruck kommen, die wohl viele kennen. Lena Kaip, Andelina Smiljcic, Felix Pascher, Lukas Engele, Pascal Wörner, Sameh Mhafel, Hannes Baumeister, Max Kemmler und Silvan Buck schreiben über Wünsche nach Anerkennung, Liebe und Sexualität, aber auch über Fluchterfahrung und das Ankommen in Deutschland. Immer wieder betonen die Musiker:innen außerdem, dass es sich meist vielmehr um vermeintliche Unterschiede zu nicht-behinderten Menschen handelt – sie haben ebenso Hobbys, genießen das Leben und Musik: “Bin ein Mensch genau wie du, hab viel Mut, hab viel erlebt”, heißt es etwa in einem Part. Und in einer weiteren Line: “Ich bin perfekt, so wie ich bin, aber ihr behandelt mich immer wie ein Kind.” Manche Teile klingen wie ein Appell an die Gesellschaft, ganz ohne erhobenen Zeigefinger:
“Ich will Vielfalt, will das bunte Leben, will Respekt, Toleranz, brauche Freunde, will erleben. Will die Welt erkunden, nicht nur auf Distanz, bin ein Mensch, genau wie du, komm ich nehm dich an der Hand, zeige dir ein anderes Land.”
Ein Musiker im „Sprich mit mir!“-Musikvideo
Auch das namensgebende “Sprich mit mir!” wird textlich aufgegriffen und soll die Bereitschaft zum offenen Austausch mit Menschen ohne Einschränkungen verdeutlichen.
Ein Rap-Musikvideo für mehr Sichtbarkeit
Ein Musikvideo in Zusammenarbeit mit dem senseable art e.V., der sich für Menschen mit Behinderung einsetzt, sollte den Texten entsprechenden Ausdruck und den Menschen hinter den Texten zugleich mehr Sichtbarkeit ermöglichen. Johannes Knott der Ravensburger Film- und Contentproduktion Call me content nahm sich diesem Projekt an. Für das Musikvideo von “Sprich mit mir!” übernahm er die Rolle des Regisseurs.
Gemeinsam mit DJ und Beatproduzent Ulrich Beller aka DJ Caspa, der die synthetische Sprache mit einem von ihm komponierten Musikstück vereinte, betrat er dabei unbekanntes Terrain. Nie zuvor hatte der Musiker und Videoproduzent ein solches Projekt umgesetzt, doch der Videodreh war dennoch ein solcher Erfolg, dass die Teilnehmenden dabei vielmehr von einer Party sprechen.
Für Feierstimmung sorgte dabei neben Live-Musik von DJ Caspa auch die Breakdance-Gruppe ATHF Crew aus Biberach, Skater und viele weitere Menschen, die das Projekt vor und hinter der Kamera unterstützten. Als besonderer Gast wirkte auch der ehemalige Oberbürgermeister Markus Ewald mit, der seit einem Unfall selbst im Rollstuhl sitzt.
Breites Medienecho für gelebte Inklusion
Anfang Dezember war es dann soweit: Vor großem Publikum fand die Uraufführung des Rap-Video-Projekts „Sprich mit mir!“ der UK-Theatergruppe statt. Doch die Resonanz auf das inklusive Projekt war nicht nur an diesem Abend positiv. Auch verschiedene Musikmagazine aus Deutschland und Österreich fanden lobende Worte. Und sogar der internationale Musik-TV-Sender MTV widmete dem Weingartener Projekt einen Beitrag.
“Der Track ist ein außergewöhnlicher Beitrag zu Deutschlands oft sehr eintönigen Mainstream-Hip-Hop-Kultur und hat eine Message für absolut jeden von uns”, heißt es im entsprechenden Artikel.
Eine Message wird durch Texte und Video mehr als deutlich: Musik ist für alle da. Und fördert zugleich den gesellschaftlichen Dialog, den wir so dringend brauchen.