Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird uns oder jemandem in unserem Umfeld im Laufe des Lebens der Begriff „palliativmedizinische Versorgung“ begegnen. Bei den meisten Menschen löst der Begriff erst einmal Angst, Schock und Sorgen aus. Das ist tatsächlich auch ganz normal und geradezu verständlich, denn es bedeutet für diejenigen, dass er oder sie früher oder später an einer schweren Erkrankung oder in Zusammenhang mit einer schweren Erkrankung versterben wird.
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Und in dem Moment, in dem klar wird, das kommt jetzt näher auf mich zu, ist es natürlich, dass diese Konfrontation Ängste und Sorgen verursacht. Die gute Nachricht, in einer solch durchaus schweren und drastischen Situation: Die Palliativmedizin bietet multiprofessionelle Hilfs- und Versorgungsangebote, diesen beschwerlichen letzten Weg in den allermeisten Fällen schmerzfrei, menschlich und würdevoll zu gestalten und zu begleiten. Das Zentrum für Palliativmedizin der Uniklinik Köln wurde 1983 als erste Palliativstation Deutschlands gegründet. Patient:innen und Mitarbeitende des “Mildred Scheel Hauses” sowie Angehörige von bereits verstorbenen Patient:innen berichten.
„Eine Hospizbetreuung hat immer in erster Linie mit Lebensqualität zu tun hat, mit Lebensqualität bis zum Tod.“
Hille Schüren, Koordinatorin Hospizdienst, Trauerbegleiterin, Zentrum für Palliativmedizin Uniklinik Köln
Zitate von Angehörigen
„Dann haben wir noch gelacht, und meine Tochter war so happy, das war so schön.“
„Da wird man eben ganz toll in den Arm auch genommen“
„Da fiel es mir auch auf: Wie gut sie da aufgehoben war.“
„Die Leute waren nicht nur so traurig, sondern die haben da noch Fröhlichkeit vermittelt.“
„Sehr gut umsorgt und umhegt und umpflegt.“
“Eine liebevolle Betreuung, wo Zeit gegeben wird zum Abschied nehmen.“
„Die Atmosphäre ist wirklich toll, wo man einfach sagen kann: Hier kann ich in Ruhe gehen.“
Zitate von Patient:innen
„Wenn es dieses Haus nicht geben würde, wäre es viel, viel schwerer zu verarbeiten. Also ich kann jetzt nur aus meiner Erfahrung sprechen: Ob ich damit hätte so umgehen können, wie ich es hier gelernt habe, wage ich zu bezweifeln. Man spricht hier offen drüber [über das Sterben], man bekommt hier die Angst etwas genommen. Es wird einem ermöglicht, in Würde zu sterben.“
„Die haben mir Lebensqualität gegeben in der Form, dass ich von den Schmerzen wegkomme. Sie müssen sich vorstellen, das Schlimmste, was Sie haben, sind die Schmerzen. Und wenn Sie die Schmerzen nicht haben, haben Sie auch wieder Lebensqualität. Und das hat das Mildred Scheel Haus mir gegeben: Vertrauen zu sich selber wieder und das Vertrauen zu denen!“
„Ich freue mich hier über das Umfeld, was ich hier gefunden hab. Das ist super, so doll. Sie glauben’s gar nicht. …. Und es macht mir, erstaunlicherweise, muss ich mich über mich selber wundern, es macht mir weder Angst noch IRGENDwas.“
„Seitdem ich hier bin, brauche ich keinen Sauerstoff mehr. Ich habe die letzten vierzehn Tage rund um die Uhr am Sauerstoff gehangen. Und dann komme ich hierhin – „das machen wir hier anders!“ Und klar, ich kann keinen Marathon laufen. Aber ich kann mich bewegen, ohne Sauerstoff. Und ich denke mal, wenn man mich gut eingestellt kriegt, dann kann ich vielleicht auch noch mal nach Hause.“
„Jetzt im Moment bin ich einfach komplett zufrieden, schon seit Tagen, nicht nur heute. Mit Leib und Seele hängen die dahinter, die stehen dahinter. Das ist das Steckenpferd von denen hier. Das rechne ich ihnen hoch an. Die Pfleger, die ich bis jetzt kenne, die mich betreuen – denen vertraue ich blind. Denen würde ich mein Leben direkt in die Hand reinlegen. Ich genieße das Leben. Da ist einfach Freude, das hatte ich vorher nicht. Ich hatte früher alles so eingefroren. Jetzt sind drei Personen hier im Haus gewesen, die haben es geschafft, mich aufzutauen. Die haben es geschafft, dass ich das erste Mal in 25 Jahren geweint habe. Die Frauen [hier] sind einfach Bombe. Ich fühle mich hier super aufgehoben – in guten Händen. Ich weiß, hier passiert mir nichts. Die tun alles Menschenmögliche, dass ich es so gut wie möglich habe, ohne Schmerzen. Und das ist das Maßgebende. Und das ist mehr wert wie Gold. Das kann kein Diamant, kein Brillant, das ganze Gold der Welt, kein Platin kann das aufwiegen. Das gibt es nicht. Die tun das wirklich mit Herz, mit Liebe, mit Hingabe.“
Zitate von Mitarbeitenden
„Palliativ zu sein, ist kein Einzelschicksal – palliativ zu sein, verbindet Sie mit vielen Menschen. Etwa zehn Prozent der Bevölkerung durchleben zu jedem Zeitpunkt direkt oder indirekt eine palliative Krankheitsphase, eine Sterbesituation oder eine Trauer. Zunächst kommt das Wort „palliativ“ von pallium, lateinisch für Mantel – so wie die Funktion eines Mantels, der im Winter zwar das Grundproblem, die Kälte, nicht nehmen kann, Sie als Mensch jedoch trotzdem wärmt, also die Folgen abmildert. Bei der Gestaltung der letzten Lebensphase gibt es kein richtig oder falsch, nur das für Sie Passende. Sobald sie den Palliativmediziner vor Augen haben, heißt das nicht, dass sie gleich deswegen morgen sterben werden, es können auch Monate oder Jahre sein, während denen es sinnvoll ist, dass Palliativmedizin hinzukommt.“
Prof. Dr. Raymond Voltz, Direktor des Zentrums für Palliativmedizin, Uniklinik Köln
„Es ist wichtig, das kann man nicht genügend betonen, dass man in der Palliativmedizin Lebensqualität enorm wiederherstellen kann. Das ist schon etwas sehr Bereicherndes, wir haben da schon sehr, sehr, sehr viele Erfolgserlebnisse und kleine Überraschungen, z. B. Patienten, die schmerzgeplagt zu uns kommen, und im Prinzip eigentlich noch die Energie hätten, zum Beispiel mal im Rollstuhl zu sitzen und mal rauszufahren, aber dies eben aufgrund der Schmerzen nicht können und durch eine gute Schmerzeinstellung, das dann wieder schaffen. Da wird viel geweint und viel getrauert, da wird aber auch sehr, sehr viel gelacht – das ist halt so wie das Leben. Natürlich ist es oft belastend und schwer, aber oft es ist auch sehr gewinnbringend und sehr erfüllend, weil man eben noch so viel machen kann. Grundsätzlich: Egal ob man jetzt krank ist oder nicht, oder wie alt man ist, es ist immer gut sich mit diesem Thema Endlichkeit auseinanderzusetzen.“
Patrick Arnold, Pflegeteamleitung
„Es wird uns sehr häufig berichtet, dass man sich gewünscht hätte, dass „palliativ“ schon früher da gewesen wäre. Dass man schon gewusst hätte, was es für Palliativangebote und hospizliche Angebote gibt. Das ist ein sehr häufiger Wunsch.“
PD Dr. Dr. Julia Strupp, Forschungskoordinatorin
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