Wie im Verein HerzCaspar die Vision von Caspar von Schiller weiterlebt

das ist ein GNM+ Artikel“Einen Verlust in etwas Positives umwandeln”

von | 29. März, 2023

„Der Tod öffnet unbekannte Türen” – das ist einer dieser viel zitierten Sprüche und Aphorismen, der Trauernden in Todesanzeigen, in Beerdigungsreden oder bei Beileidsbekundungen helfen sollen. So platt er im Angesicht der Gefühle auch sein mag, so ist er bei den Menschen hinter dem Verein HerzCaspar e.V. doch Programm: Ohne den Tod in ihrer persönlichen Geschichte hätten sie womöglich nie ihre Arbeit aufgenommen und jungen, erkrankten Menschen Glücksmomente im Klinikalltag ermöglicht.

Doch beginnen wir am Anfang: Mit der Mission des Vereins HerzCaspar e.V. setzen die Schwestern Fernanda Wolff Metternich (31) und Xenia von Schiller (27) den Wunsch ihres Bruders Caspar von Schiller um. Er erlebte als Jugendlicher durch eine Herzerkrankung, wie kräftezehrend und isolierend ein langer Krankenhausaufenthalt sein kann, und wünschte sich Abwechslung vom Klinikalltag. Mit HerzCaspar wollte er für Kinder und Jugendliche während ihres Klinikaufenthalts Lichtblicke schaffen.

Caspar selbst erlebte nicht mehr mit, wie aus seinen Ideen Realität wurde: Im April 2014 verstarb er 20-jährig in Hamburg an den Folgen von Abstoßungserscheinungen nach einer Herztransplantation. “Seine Familie und Freundinnen und Freunde erweckten mit der Gründung des Vereins HerzCaspar Caspars Vision zum Leben“, so Fernanda Wolff Metternich: “Die Vereinsgründung 2017 war für uns alle sehr emotional. Damals war der Verein noch sehr nah an Caspars Idee, doch mittlerweile ist er so viel größer geworden, als er es sich womöglich vorgestellt hätte. Für mich fühlt es sich so an, als hätte Caspar die Idee gepflanzt und wir haben sie gegossen. Manchmal denkt man schon darüber nach, was aus der Idee geworden wäre, wenn Caspar nicht gestorben wäre. Es erfüllt mich mit Dankbarkeit, dass wir den Verlust in etwas so Positives und Wichtiges umwandeln konnten.”

HerzCaspar bringt “Aktion auf Station”

Herzcaspar: Besuch im Krankenhaus am Altonaer Kinderkrankenhaus, Foto: HerzCaspar e. V.
Besuch im Krankenhaus am Altonaer Kinderkrankenhaus, Foto: HerzCaspar e. V.
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Den oft eintönigen Klinikalltag von jungen Patientinnen und Patienten etwas farbenfroher gestalten: Das ist die Mission der beiden HerzCaspar-Gründerinnen und der rund 50 Ehrenamtlichen, die sich bei HerzCaspar engagieren. „Buddies“ heißen im Verein die Mitglieder, die aktuell in Hamburg, Berlin, Bielefeld und Gießen direkt im Kontakt mit jungen erkrankten Menschen stehen und Zeit mit ihnen verbringen. Die andere Hälfte des 2017 gegründeten Vereins besteht aus dem Organisationsteam, das sich um Aufgaben wie Akquise der Ehrenamtlichen und Kooperationspartner:innen, Marketing und Public Relations, Finanzen, Fundraising und Events kümmert.

Für junge Erwachsene, die lange im Krankenhaus oder Rehazentrum sind, gibt es kaum Ablenkung, wie Fernanda Wolff Metternich weiß: „Zu Kindern kommen Klinikclowns, zu Erwachsenen der Besuchsdienst. Bei Jugendlichen ist da eine Lücke.“ Diese Leerstelle will HerzCaspar mit den Buddies füllen. 

Unter dem Motto „Mit Aktion auf Station“ basteln, spielen und kochen die 18- bis Mitte-30-Jährigen im Krankenhaus beispielsweise mit den Patientinnen und Patienten. Auch in der Pandemiezeit hielt HerzCaspar den Kontakt: So trafen sich Kinder und Jugendliche und deren Geschwister regelmäßig per Zoom mit „ihren“ Buddies. Virtuelle Quiz-Formate, Lesungen und Bastelaktionen gelangten so auf digitalem Weg ans Krankenbett – auch zu denjenigen, die ambulant zu Hause waren.

Die Corona-Vorsichtsmaßnahmen bedeuten für uns, dass wir auch jetzt noch viel digital machen müssen und erst vereinzelt auf Station dürfen. Das dient dem Schutz der Kinder und Jugendlichen. Ohne eine Vertrauensperson vor Ort, die über unsere Zoom-Abende informiert und das Bindeglied zwischen uns und den Patient:innen ist, geht es nicht. Nach einem tollen Jahr 2019 auf Station war das für uns alle eine große Umstellung. Aber die Kinder und Jugendlichen freuen sich auch riesig über diese Art Treffen.”

Fernanda Wolff Metternich, im Gespräch mit dem Good News Magazin

Diese Freude gilt auch für die Buddies selbst. Kayla Möller ist eine solche Buddy und wusste vor ihrem ersten Treffen nicht, was sie erwarten sollte, wie sie uns sagte: “Mein erstes Online-Treffen war mit Bielefelder Epilepsie-kranken jungen Erwachsenen. Und dann haben wir gemeinsam online Waffeln gebacken! Das konnte ich mir erst nicht wirklich vorstellen, es war aber richtig cool und hat viel Spaß gemacht. Da wusste ich bereits: Es war die richtige Entscheidung, Buddy zu werden – und bisher hat mir jedes Treffen Spaß gemacht.”

Wie wird man Buddy?

Kayla arbeitet in Gießen und ist eine der wenigen Buddies, die auf Station dürfen. Im UKGM Gießen/Marburg besuchen/treffen die Ehrenamtlichen Kinder und Jugendliche seit Kurzem in der Kinder- und Familienpsychosomatik. “Der Vorteil gegenüber anderen Stationen ist, dass unsere jungen Patient:innen hier nicht immungeschwächt sind und so ein Besuch weniger problematisch ist”, erklärt Kayla, die selbst eine Ausbildung zur Kinderkrankenschwester macht.

Sie selbst stolperte über HerzCaspar, als sie 2021 nach Medizin-Podcasts suchte: “Ich habe alle Folgen durchgehört und fand das Projekt so cool. Ich hatte vorher nie ein passendes Ehrenamt für mich gefunden, aber das klang toll! Und auch wenn der Verein damals nur in Hamburg aktiv war, empfingen sie mich sofort mit offenen Armen. Mittlerweile habe ich es gemeinsam mit dem Verein geschafft, hier in Gießen in kürzester Zeit weitere 14 Buddies zu gewinnen und die Besuche auf Station zu starten. Das macht mich einfach stolz und bringt den Kindern und Jugendlichen so viel Freude.”

Dabei muss man als Buddy auch mal über den eigenen Schatten springen, wie Kayla sagt: “Ich hätte nie gedacht, dass ich nach der Schulzeit nochmal Fußball spielen muss. Aber da ein 13-jähriger Junge sich das wünschte, kickte ich also eine Stunde mit ihm. Und es hat Spaß gemacht!” 

Für ihre eigene Ausbildung lernt Kayla vor allem, ihre sozialen Fähigkeiten und Kommunikation zu verbessern – denn bei HerzCaspar wird Empathie großgeschrieben, wie Kayla sagt. Wenn sie künftigen Buddies eins mit auf den Weg geben kann, dann ist das dies: “HerzCaspar ist ein so herzlicher, toller Verein! Ich war mittlerweile schon ein paar mal in Hamburg und obwohl ich niemanden kannte, haben mich alle so herzlich aufgenommen! Wenn man Ideen hat, egal ob für den Verein oder die Patient:innen, wird man unterstützt. Man bekommt durch die Arbeit so viel zurück. Und man kann sich auf so vielen Ebenen austoben. Ich bin über den Podcast darauf aufmerksam geworden und habe mittlerweile sogar schon eine Podcast-Folge moderiert! Das hätte ich mir vorher nie vorstellen können.” 

Auszeichnung für Engagement

Buddy Lara beim Besuch im Krankenhaus, Foto: HerzCaspar e. V.
Lichtblicke im Krankenhaus: Die Buddys helfen Kindern und Jugendlichen mit Ablenkung vom Klinikalltag.

Für ihre Arbeit wurden die Ehrenamtlichen des Vereins im November gleich zweimal ausgezeichnet: Mit dem mit 12.000 Euro dotierten Leuchtturmpreis Ehrenamt 2022 der Stiftung Ravensburger Verlag und dem mit 10.000 Euro dotierten Nachsorgepreis 2022 der „Deutschen Kinderkrebsnachsorge – Stiftung für das chronisch kranke Kind“. Das Geld wird HerzCaspar unter anderem für die kontinuierliche Aus- und Fortbildung der Buddies, Materialien für die Buddy-Treffen, Fahrtkosten, Infomaterial sowie die Begleitung der Buddies und Ehrenamtlichen einsetzen. 

Arzt und Fernsehmoderator Dr. Johannes Wimmer würdigte in seiner Laudatio bei der Verleihung Leuchtturmpreis Ehrenamt 2022 den Einsatz der beiden Schwestern und des gesamten HerzCaspar-Teams: „Menschen brauchen Menschen – und junge Menschen brauchen junge Menschen, damit die Krankheitslast für den Moment etwas weniger drückend ist“.  

“Es ist so schön, zu sehen, wie sehr unser Engagement geschätzt wird. Natürlich bekommen wir das wichtigste Feedback von den jungen Patient:innen und deren Eltern. Doch die beiden Auszeichnungen helfen uns dabei, HerzCaspar noch bekannter machen und in Zukunft noch mehr junge erkrankte Menschen zu erreichen”, resümiert Lizanne Kraft, ehrenamtliche HerzCaspar Buddy, bei der Preisverleihung in Stuttgart. 

Im Alltagsgeschäft von HerzCaspar ist der namens- und ideengebende Bruder fast neun Jahre nach seinem Tod nicht mehr allgegenwärtig – ein normaler Prozess der Trauer. Solche Auszeichnungen erinnern jedoch an das Erbe, das Caspar hinterlässt und das weiterwächst: “Für meine Eltern waren die Auszeichnungen nochmal etwas ganz anderes und doch emotional, sie waren in Berlin auch dabei. Da merkt man einfach, dass Caspar zwar gestorben ist, die Idee aber weiterlebt”, erzählt Fernanda Wolff Metternich. 

Der Verein steht mit weiteren Krankenhäusern in Kontakt: „Wir haben bereits viel erreicht und wollen bald an weiteren Orten deutschlandweit aktiv sein“, sagt Xenia von Schiller.

Die Vision von Caspar ist über sich hinaus gewachsen

Warum Buddys manchmal die besseren Kompagnons sein könnten, denn die eigene Familie oder Freund:innen, zeigen Fernanda die Erfahrungen ihres Bruders: “Caspar war ständig von Freunden und Familie umgeben. Bei Fremden jedoch gab es eine ganz andere Leichtigkeit: Da musste er nicht mehr den Starken geben, der Anderen die Sorgen nimmt.” Schwere Krankheiten oder sogar das Befassen mit einem möglicherweise eher als erwartet eintretendem Tod belasten die engsten Vertrauten und Patient:innen wollen ihnen diese Sorge meist nehmen oder erleichtern. So berichtet auch Kayla, dass sich ein Junge so auf ihr erstes Treffen gefreut hätte, obwohl sie sich noch gar nicht kannten. “Das hat mich so motiviert und gefreut, das war wirklich emotional!”

“Auch wenn Caspars Krankheit nicht einfach für uns alle war: Wir lernen durch unsere Arbeit so viel krassere Geschichten kennen, da bekommt man Demut. Bei HerzCaspar geht es mittlerweile um so viel mehr als Caspar.“ Fernanda Wolff Metternich ist dankbar, dass sie den Verlust in etwas Positives umwandeln konnte. Wenn HerzCaspar in Zukunft wächst, dann denkt sie schon jetzt an ein Programm, das auch die Rolle der Geschwister im Blick hat und künftig Schattenkinder auf ihrem Weg durch die Krankheit eines Geschwisterkinds begleitet. Vor allem, wenn diese keine anderen Geschwister haben.
Denn auch abseits von HerzCaspar hat der Tod Caspars auch andere Türen aufgestoßen: “Wir sind uns als Geschwister viel näher gekommen. Unser jüngster Bruder Tassilo kam im Januar in das Alter, in dem Caspar gestorben war – das war uns sehr bewusst. Wir wohnen zwar alle woanders, aber wir sorgen dafür, dass wir mindestens einmal im Jahr ein richtiges Geschwister-Wochenende machen, wo wir bewusst Zeit miteinander verbringen.”

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Viktoria Franke

Unsere Chefredakteurin a.D. Viktoria begann noch während des Studiums, als Sportjournalistin durch die Welt zu ziehen. Mittlerweile berät sie kleine Einzelkämpfer und große Unternehmen in ihrer Innen- und Außenkommunikation und organisiert weltweit Pressebereiche bei Sportevents. Good News sind bei all dem Trubel genau so wichtig für ihre mentale Gesundheit wie ein Stück Schokolade.

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