Nächtliche Begleitung per Telefon

Wie dein Nachhauseweg nachts sicherer wird

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von | 4. August, 2022

Einige Initiativen wie Heimwegtelefon versuchen, den Heimweg von Nachtschwärmer:innen per Anruf oder per App zu beaufsichtigen, bis sie sicher zu Hause angekommen sind. Wir stellen euch Projekte aus Deutschland und Österreich vor.

Wer von uns kennt das nicht? Ein plötzliches Rascheln lässt uns zusammenzucken. In der Dunkelheit können die wenigen Meter zur eigenen Haustür ganz schön bedrohlich erscheinen. Doch was tun, wenn nachts kein Bus mehr fährt oder kein Taxi erreichbar ist? Sich am dunklen Heimweg zu fürchten scheint für viele von uns unvermeidbar zu sein – doch es gibt Alternativen!

Heimwegtelefon ist nachts für dich da

Der Telefonservice ist zu später Stunde erreichbar und begleitet dich als mentale Unterstützung, bis du sicher zu Hause angelangt bist. Regelmäßige Updates zu deinem Standort sorgen dafür, dass die Telefonist:innen im Ernstfall Hilfe holen können. 

Der Anstoß für das Heimwegtelefon kam aus Schweden, wo die Gründerinnen ein ähnliches Projekt in Stockholm kennenlernten. Da ein derartiger Service im Jahr 2011 in Deutschland nicht existierte, beschlossen die Gründerinnen selbst aktiv zu werden. So entstand das erste Heimwegtelefon mit Freiwilligen, die an ausgewählten Tagen mit den Menschen während deren Weg nach Hause telefonierten. Heute sind 100 Ehrenamtliche jeden Tag in der Woche als virtuelle Begleiter:innen tätig. 

Darf ich das Heimwegtelefon jederzeit anrufen, wenn ich auf dem Weg nach Hause bin? Ja! Der Service kann immer in Anspruch genommen werden, unabhängig davon, ob sich eine Person lediglich unwohl fühlt oder sich tatsächlich in einer potenziellen Gefahrensituation befindet. In erster Linie gehe es darum, Sicherheit zu vermitteln. Statt ängstlich geduckt dunkle Gassen entlang zu huschen, könne man mithilfe des Telefonats nach außen hin größere Sicherheit ausstrahlen. Das kann Übergriffen präventiv entgegenwirken, im Ernstfall alarmieren Helfer:innen die Polizei.

Von Sonntag bis Donnerstag ist das Heimwegtelefon von 20 Uhr bis Mitternacht erreichbar, donnerstags bis samstags von 20:00 Uhr bis 03:00 Uhr.
Ein Anruf kostet nicht mehr als normale Mobilfunkgebühren. Die Ehrenamtlichen sind unter der Nummer +49 30/120 74 182 erreichbar.

Österreich bei Nacht

Gibt es auch ein Heimwegtelefon in Österreich? Ja und zwar nicht nur eines! Statt einem einheitlichen Service gibt es von öffentlicher und privater Hand organisierte Projekte. In Städten wie Wien, Graz, Villach und Linz bieten einen offiziellen nächtlichen Begleitservice per Telefon an. Geschulte Ordnungswächter betreuen dort die nächtlichen Anrufenden.

In Krems herrscht eine andere Herangehensweise: Hier können sich Nachtschwärmer:innen sogar von einem persönlichen Bodyguard heimbegleiten lassen. Die Bodyguards sind geschulte Mitarbeiter:innen einer Sicherheitsfirma, die sich ehrenamtlich als nächtliche Heimbringer:innen engagieren. „Angefangen haben wir als Verein mit einem ehrenamtlichen Security Service”, erzählt uns Gründerin Verena Bogner. Sie rief neben dem persönlichen Heimbringservice auch eine Variante des Heimwegtelefons ins Leben. Wieso es das persönliche und das telefonische Heimbegleiten gibt? Eine ehrenamtliche Person zu engagieren benötige schlichtweg mehr organisatorischen Aufwand im Vorfeld. Telefonisch könne man viel spontaner nach Hause begleitet werden. Der Unterschied zu anderen Initiativen: Das Heimwegtelefon steht den Anrufenden rund um die Uhr zur Verfügung. Von öffentlicher Hand organisierte Heimwegtelefone hätten nämlich den Nachteil, dass Mitarbeiter:innen nur bis 03:00 Uhr in der Früh erreichbar wären. „Wer sagt denn, dass in der Zeit nach drei Uhr nichts mehr passieren kann?”, entgegnet Bogner. Ihr Verein in Krems nennt sich Coming Home Safe und möchte vor allem für Frauen „die Welt ein klein wenig besser machen”.

Ist das Heimwegtelefon wirklich „Frauensache”?

„90% der Anrufer:innen sind Frauen”, erklärt Gründerin Bogner. “Es erreichen uns aber auch Anfragen zur Begleitung beeinträchtigter Personen oder Angehöriger der FLINTA-Gemeinschaft.” Hier darf jede:r unabhängig vom Geschlecht anrufen.
Obwohl das Heimwegtelefon von vielen Menschen dankbar angenommen wird, ist nicht jede:r dem Projekt wohlgesonnen. „Manche Städte möchten gar kein Heimwegtelefon. Die Verantwortlichen wollen es nicht fördern, dass sich Frauen nachts auf der Straße aufhalten. Schließlich müsse man einen derartigen Service mit Steuergeldern finanzieren.” Doch es geht nicht nur um die Selbstbestimmung der Frau, sondern auch um die Sicherheit von Personen, die von einer Nachtschicht heimkommen. Gerade arbeitet der Verein Coming Home Safe mit einer technischen Hochschule, der HTL Wien, an einer Heimweg-App, die in ganz Österreich angewandt werden kann. So können mehr Menschen per Standortanzeige „heim begleitet” werden, als dies bei einzelnen Anrufen der Fall ist. Die Heimweg-App für ganz Österreich soll am 03. September erscheinen.

Viola bringt uns heim per Instagram

Eine weltweite Initiative für den sicheren Heimweg nennt sich VIOLA WALK HOME. Das italienische Start-Up bietet begleitende Videoanrufe für den Heimweg per Instagram an. Freiwillige mit verschiedenen Muttersprachen erklären sich für ein Videotelefonat rund um die Uhr bereit. Bis zu einer Stunde im Vorhinein sollten sich Interessierte per Instagram bei Viola melden, um sicherzustellen, dass eine der ehrenamtlichen Personen Zeit hat. 2023 gibt es Viola auch als eigene App, die Anrufende genauso wie die österreichische Heimweg-App auf dem Nachhauseweg lokalisieren kann.

Beitragsbild: Campbell / Unsplash

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    Lena Piskernik

    Lena Piskernik wollte sich einfach nicht damit abfinden, dass Nachrichten meist nur aus Krieg und Krankheit bestehen müssen. Durch das Good News Magazin findet sie "dass die Welt jeden Tag ein Stückchen besser wird". Gemeinsam mit unserem Team möchte Lena nach Lösungen statt nach Problemen suchen. Ihre Freizeit verbringt die gebürtige Österreicherin gern mit Hunden im Wald oder an der Kletterwand. Lenas Herzensangelegenheit sind Nachhaltigkeitsthemen, mentale Gesundheit und Frauenrechte.

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