Zunehmende Dürre sorgt für ein Umdenken in der Landwirtschaft – und begünstigt damit den Anbau klimafreundlicher Sorten wie Hülsenfrüchte.
In einigen Landkreisen in Deutschland ist in den letzten Jahren monatelang kein Regen gefallen. Für viele Landwirt:innen bedeutete das deutlich geringere Ernteerträge und finanzielle Einbußen. Aufgrund der zunehmenden Trockenheit beschäftigen sich immer mehr Landwirt:innen mit alternativen Produkten für die Agrarwirtschaft. Besonders beliebt sind dabei Hülsenfrüchte, wie Kichererbsen oder Linsen, aber auch Körnerhirse oder Quinoa.
Doch nicht nur deshalb sind Hülsenfrüchte wie die Kichererbse zunehmend beliebt in der regionalen Landwirtschaft. Aufgrund der hohen Nachfrage und ihrer positiven Qualitäten für heimische Böden entscheiden sich sowohl Regierungen als auch die Landwirt:innen selbst immer häufiger dafür, Hülsenfrüchten eine Chance zu geben.
Das Superfood Kichererbse
Die Kichererbse ist besonders in der türkischen, arabischen und indischen Küche sehr beliebt. In Falafeln, Humus, Currys, Eintöpfen und Salaten wird sie vielseitig verwendet. Aufgrund ihrer Herkunft wird sie auch in kulturell vielfältigen Regionen wie Berlin immer öfter genutzt. So auch in Form Kichererbsentofu, wie das Berliner Startup Kofu zeigt. Hier dient sie als protein- und ballaststoffreiche sowie kalorienarme Alternative zu milchbasierten Proteinquellen.
Tatsächlich empfiehlt die internationale EAT Lancet Commission einen Konsum von 75 Gramm Hülsenfrüchten pro Person pro Tag. Der deutsche Durchschnitt liegt jedoch nur bei sieben Gramm. Gleichzeitig steigt die Zahl der Menschen, die sich zum Großteil pflanzenbasiert ernähren. Damit gewinnen auch Hülsenfrüchte an immer größerer Bedeutung. Als Proteinquelle sind sie in der veganen Ernährung essentiell.
Doch Kichererbsen und andere Hülsenfrüchte bringen noch mehr Vorteile mit sich. Sie bevorzugen nicht nur das – durch den Klimawandel bedingt – zunehmend niederschlagsarme Klima, sondern nähren zusätzlich den Boden mit wertvollen Nährstoffen. In Kooperation mit Knöllchenbakterien, die als Verdickungen an den Wurzeln der Pflanze erkennbar sind, absorbieren die Pflanzen Stickstoff. Dieser nährt nicht nur die aktuelle Kultur, sondern wirkt auch danach weiter positiv auf den Boden ein. Deshalb muss die Kichererbse verhältnismäßig wenig gedüngt werden.
Die großen Challenges: Nachfrage und Witterung
Auch andere dürre-freundliche Pflanzen kommen ohne viel Dünger aus. Die Körnerhirse belegt Platz fünf auf der Liste der wichtigsten Kulturarten weltweit. Dennoch ist sie in Europa bisher nur in der Viehzucht im Einsatz. Das war einmal anders – in der Vergangenheit war Hirse ein vielgenutztes Lebensmittel. In Afrika erfreut sich die Hirse auch heute einer alltäglichen Nutzung. Durch ihre Anpassung an die sehr hohen Temperaturen und niedrigen Niederschläge wird sie dort als Hauptgetreide für Brei und Fladenbrot genutzt.
Und sie hat noch einen weiteren Vorteil: Sie ist glutenfrei. Damit könnte sie auch in Europa einige Chancen mit sich bringen. Denn ein steigender Anteil der Bevölkerung greift zur glutenfreien Alternative bei Getreideprodukten.
Bei der Kichererbse ist die Herausforderung bisher eine andere. Auch wenn die Nachfrage mittlerweile in Europa sehr hoch ist, sind die Preise bei einer regionalen Produktion im Vergleich mit Konkurrenzprodukten sehr hoch. Typischerweise wird die Kichererbse in Indien oder der Türkei angebaut und nach Europa importiert. Bisher sind die Preise deshalb nicht kompetitiv.
Das liegt vor allem auch daran, dass die Kichererbse noch nicht in größerem Umfang ausgesät wird. Auch wenn viele Landwirt:innen großes Interesse an der Hülsenfrucht haben, ist die Produktion mit Risiken behaftet. Denn geringer Niederschlag ist hierzulande nicht garantiert. In Jahren mit hoher Bodenfeuchtigkeit kann es dadurch zu einem vollständigen Ernteausfall kommen. Landwirt:innen wünschen sich daher Unterstützung vom Staat, um diese Einbußen auszugleichen.
Initiativen für dürre-freundliche Agrarwirtschaft
Durch die zunehmende Trockenheit in vielen deutschen Regionen haben Regierungen und Vereine in den letzten Jahren vermehrt Initiativen gegründet, die den Anbau von Hülsenfrüchten und anderen dürre-freundlichen Produkten vorantreiben wollen.
Das Bundesland Brandenburg ist bekannt für nährstoffarme Böden, die gerade bei geringem Niederschlag oft brachliegen,. Daran möchte die Gemeinde Müncheberg etwas ändern. Seit zwei Jahren organisieren die Hochschule Eberswalde und das Zentrum für Agrarlandschaftsforschung dort Feldversuche zum Anbau der Kichererbse. Dank eines genauen Protokolls kann langfristig ermittelt werden, wie und wann der Anbau am erfolgsträchtigsten ist.
Gemeinsam mit dem Landwirtschaftsministerium in Potsdam möchte die Regionalwert AG Berlin-Brandenburg zudem die Bindung von verschiedenen Akteur:innen in der Wertschöpfungskette von Hülsenfrüchten stärken. Dazu zählen die Landwirt:innen selbst, aber auch Firmen wie Kofu, die das Ernteprodukt weiterverarbeiten.
Im Landkreis Kitzingen hat die Landesanstalt Bayern im vergangenen Jahr ein Versuchs- und Demonstrationsfeld vorgestellt. Wissenschaftler:innen waren vor Ort, um Landwirt:innen den Anbau von Quinoa, Anis, Mungbohnen oder auch Erdnüssen näherzubringen. Interessierte konnten den Expert:innen sämtliche Fragen stellen, besonders häufig kamen dabei Bedenken zur Witterungsabhängigkeit auf.
Trotz der teils noch sehr kritischen Haltung beweist die rege Beteiligung an der Veranstaltung einmal mehr: Das Interesse an klimafreundlichen und -resistenten Anbauformen ist enorm. Die Forschung hat in den letzten Jahren wichtige Erkenntnisse für den heimischen Anbau von dürre-freundlichen Agrarprodukten gewonnen. Wenn wir weiterhin in diesem Tempo Fortschritte machen, könnten die Supermarktregale bald mit regionalen Alternativen gefüllt werden. Dies würde nicht nur die besorgten Landwirt:innen entlasten, sondern zudem auch eine pflanzenbasierte und umweltfreundlichere Ernährung und Landwirtschaft fördern.
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