Odenilze Ramos lebt im brasilianischen Amazonas-Regenwald und engagiert sich als Umweltaktivistin für dessen Schutz. In ihrem Gastbeitrag erklärt sie, welche Bedeutung Tiere für die Menschen in der Region haben.
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Habt ihr schon einmal von den “Botos” gehört? So nennen wir die Flussdelfine, die im Amazonas leben. Einer Legende nach verwandeln sie sich nachts in gutaussehende junge Männer, besuchen die Feste der Flussgemeinden und versuchen, die Frauen für sich zu gewinnen. Diese Geschichte gehört zu unserer Kultur und soll gleichzeitig daran erinnern, bei fremden Besucher:innen vorsichtig zu sein.
Doch die Delfine sind nicht nur Teil unserer Mythen, sondern auch unseres Alltags. Im Amazonas und im Rio Negro leben sie mit den Fischer:innen zusammen, die genau wissen, wie sie die Bewegungen der Tiere für den Fischfang nutzen und wie sie sie am besten schützen können.
Die Botos sind ein Beispiel für die engen Verbindungen, die Menschen und Tiere im Amazonas über Generationen hinweg aufgebaut haben. Sie sind tief in der Lebensweise der Regenwald-Bewohner:innen verankert – in ihrem Glauben, ihrem Alltag und vor allem in der Sicherung ihres Lebensunterhalts.
Von Außenstehenden werden diese Beziehungen oft falsch interpretiert. Manche sehen darin eine Ausbeutung der Natur. Und ja, es gibt Ausbeutung, meist getrieben von externen Interessen, großen Unternehmen, räuberischer Fischerei oder Abholzung. Für diejenigen, die im Amazonasgebiet leben, ist der Kontakt mit Tieren allerdings oft eine Frage der Notwendigkeit, die von Respekt und Ausgewogenheit geprägt ist.
Mehr als Zuhören
Hier sind Tiere in allem präsent. Und alle Tiere sind für uns heilig, da sie ein wichtiger Teil unseres Alltags sind. Sie sind Teil der Nahrung, der Naturmedizin, der Legenden, der Musik und sogar der Art und Weise, wie wir die Welt verstehen. Sie gehören zu unserem Leben, nicht nur als Ressource, sondern als wichtiger Teil unserer Identität. Und die Koexistenz zwischen Menschen und Tieren hat Regeln: nicht jedes Tier, nicht auf jede Art und Weise, nicht zu jeder Zeit. Diese Regeln hat uns der Wald selbst gelehrt und sie sorgen dafür, dass er und seine Bewohner:innen weiterleben.
Doch natürlich gibt es auch Schattenseiten. Der Amazonas steht unter enormem Druck, zum Beispiel durch Abholzung, Bergbau, Raubfischerei oder Landraub. Diejenigen, die so leben, wie sie es vom Wald gelernt haben, werden häufig beschuldigt, die Natur auszubeuten, während die wahren Raubtiere frei bleiben. Die Unterschiede zwischen den…