Sogenannte Gehirn-Computer-Schnittstellen sollen künftig Personen die Kommunikation ermöglichen, die aufgrund schwerer Lähmungen nicht mehr sprechen können.
Zwei dieser sogenannten Brain-Computer-Interfaces (BCI) wurden in Studien im Fachjournal „Nature“ vorgestellt. Sie sollen schneller und genauer Gehirnstromsignale in Sprache umwandeln und einen größeren Wortschatz abdecken als bisherige Technologien.
Bei den vorgestellten Methoden handelt es sich um invasive BCIs, die operativ implantiert werden. Francis Willett und Kolleg:innen entwickelten ein BCI, das die neuronale Aktivität einzelner Zellen mit feinen Elektroden erfasst, die in das Gehirn eingeführt werden. Mithilfe eines Sprachmodells wurden die Hirnaktivitäten anschließend in Text übersetzt. Ein Patient mit amyotropher Lateralsklerose (ALS) konnte damit mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 62 Wörtern pro Minute kommunizieren. Das ist laut Forschenden 3,4-mal so schnell wie der bisherige Rekord für ein ähnliches Gerät und nähert sich der Geschwindigkeit einer natürlichen Konversation an, bei der etwa 160 Wörter pro Minute gesprochen werden.
Die zweite Arbeitsgruppe um Edward Chang entwickelte eine Art Silikonfolie mit Elektroden, die auf der Oberfläche des Gehirns aufliegt und die Aktivität vieler Zellen an verschiedenen Stellen des gesamten Sprachkortex erfasst. Dieses BCI dekodiert Gehirnsignale, um gleichzeitig Text, hörbare Sprache und einen sprechenden Avatar zu erzeugen. Das BCI erreichte bei einer Patientin mit schwerer Lähmung, die durch einen Hirnstamm-Schlaganfall verursacht wurde, eine mittlere Übersetzungsgeschwindigkeit von 78 Wörtern pro Minute, 4,3-mal so schnell ist wie der bisherige Rekord.
Zusätzlich zu der höheren Übersetzungsgeschwindigkeit der beiden BCIs generierten die Systeme weniger Fehler als bisherige Sprach-BCIs. Dennoch nahm die Wortfehlerrate zu, umso größer der festgelegte Wortschatz war.
„Die erreichten Fortschritte können als Meilenstein in der Entwicklung von BCI-Systemen gesehen werden. Beide Studien sind methodisch überzeugend und plausibel. (…) Es handelt sich um Einzelfallstudien an Menschen, die speziell für diese Studien ausgewählt wurden. Die Übertragbarkeit auf andere Patient:innen ist ungewiss. Zudem ist der Aufwand für die Durchführung dieser Studien enorm und erfordert eine jahrelange Vor- und Nachbereitung. Es ist also noch ein langer Weg, bis der Einsatz dieser Technologien in der Breite vorstellbar ist.“
Prof. Dr. Surjo R. Soekadar, Einstein Professor, Oberarzt und Leiter der Arbeitsgruppe Klinische Neurotechnologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin