„Freihandel ist das ideale Arrangement – unabhängig davon, wie andere Nationen reagieren.“ – Peter C. Earle, Director of Economics and Economic Freedom am American Instutite for Economic Research.
Dieser Artikel erschien auch im Newsletter der KräftigeGüteStiftung.
Gerade einmal sechs Monate im Amt, sorgt Donald Trumps zweite Präsidentschaft längst für weltwirtschaftliche Turbulenzen – ein Rückfall in protektionistische Muster, obwohl die Geschichte die Vorteile von wirtschaftlicher Offenheit und Kooperation schon bewiesen hat.
Die Weltwirtschaft steht unter Druck: Globale Lieferketten geraten ins Wanken, protektionistische Rhetorik gewinnt an Boden. In den USA hat Präsident Donald Trump Strafzölle gegen zahlreiche Länder angekündigt und teilweise wieder ausgesetzt – wie es weitergeht? Offen. Auch in Europa werden zunehmend Stimmen laut, die eine wirtschaftliche Abschottung fordern. Die Auswirkungen sind bereits spürbar – für Unternehmen, Verbraucher:innen und die Finanzmärkte.
Dabei zeigt ein Blick in die wirtschaftliche und politische Geschichte der letzten Jahrzehnte: Kein anderes Instrument hat den globalen Wohlstand so nachhaltig gefördert wie der freie Handel. Internationale Verflechtungen haben nicht nur Waren, Dienstleistungen und Kapital in Bewegung gesetzt, sondern auch politische Stabilität und diplomatische Beziehungen zwischen Staaten gefördert.
Freier Handel: Eine Erfolgsgeschichte
Freihandel bedeutet mehr als nur ökonomischen Austausch. Er ist ein Motor für Wachstum, Beschäftigung und internationale Zusammenarbeit. Das zeigt nicht zuletzt die Entwicklung der Europäischen Union: Der gemeinsame Binnenmarkt hat Wohlstand geschaffen und sogar ehemals verfeindete Staaten wirtschaftlich verflochten – ein entscheidender Faktor für dauerhaften Frieden in Europa.
Laut Daten der Weltbank ist der globale Handel seit 1990 um mehr als das Siebenfache gestiegen – und mit ihm das Bruttoinlandsprodukt der ärmeren Länder. In der Region Ostasien und Pazifik sank die extreme Armut innerhalb von drei Jahrzehnten von 65,8 auf 1,2 Prozent. Die Globalisierung hat Millionen Menschen den Zugang zu Bildung, Arbeit und medizinischer Versorgung ermöglicht. Ein gutes Beispiel ist das Everything But Arms (EBA)-Abkommen, im Rahmen dessen die EU den 44 am wenigsten entwickelten Ländern (Least Developed Countries, LDCs, nach UN-Definition) einen zoll- und quotenfreien Zugang zum EU-Markt für alle Waren außer Waffen und Munition gewährt. Insbesondere die Textilsektoren in Ländern wie Bangladesch oder Kambodscha profitierten stark und entwickelten sich mit Hunderttausenden neuen Arbeitsplätzen zum Rückgrat der jeweiligen Wirtschaft.
Der EU-Binnenmarkt hat nach seriösen Schätzungen seit seiner Einführung im Jahr 1993 über 56 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen. Unternehmen jeder Größe, vom Software-Start-up in Tallinn bis zum Maschinenbauer in Baden-Württemberg, exportieren heute dank Zollfreiheit und vereinheitlichter Standards in alle Ecken Europas – und darüber hinaus.
Gleichzeitig ist Freihandel ein Instrument politischer Verständigung. Die Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft – Vorläuferin der EU – war eine direkte Reaktion auf die Katastrophen des Zweiten Weltkriegs. Der französische Ökonom und Politiker Frédéric Bastiat sagte bereits im 19. Jahrhundert sinngemäß: „Wenn Waren nicht mehr die Grenzen überschreiten, dann tun es die Soldaten.“ Wirtschaftliche Integration war und ist also ein Friedensprojekt.
Wirtschaftliche Vorteile offener Märkte
- Mehr Auswahl, bessere Preise
Freihandel erweitert das Produktangebot und senkt die Preise. Verbraucher:innen profitieren von Wettbewerb, während Unternehmen weltweit einkaufen und verkaufen können – effizient und ohne künstliche Barrieren. - Stärkung der Innovationskraft
Durch offene Märkte entstehen internationale Netzwerke, in denen Know-how, Technologie und Ideen schneller zirkulieren. Unternehmen können sich spezialisieren, Skaleneffekte nutzen und gemeinsam in Forschung investieren. - Beschäftigung und Investitionen
Ein wachsendes Handelsvolumen fördert die Beschäftigung. Unternehmen, die international tätig sind, investieren mehr und bieten stabilere Arbeitsplätze. - Friedenssicherung durch wirtschaftliche Verflechtung
Enge Handelsbeziehungen senken nachweislich die Wahrscheinlichkeit von Konflikten zwischen Staaten. Internationale Wirtschaftsexpert:innen wie John Van Reenen vom MIT betonen, dass Freihandel politische Kooperation und Stabilität fördert.
Zölle als Risiko für Stabilität
Strafzölle, wie Trump sie vorsieht, können zwar kurzfristig in bestimmten Branchen Vorteile bringen, etwa durch Verlagerung der Belastung auf ausländische Anbieter. Eine Analyse der US-Zölle gegen China im Jahr 2018 beispielsweise schätzte kurzfristige Gewinne von 18,4 Milliarden US-Dollar. Doch: Zölle gehen auch mit höheren Konsument:innenpreisen einher. Die allgemeine Unsicherheit ob der Zollsituation und ihrer wirtschaftlichen Auswirkungen führte zudem zu Kursverlusten an den Börsen und einem Rückgang der Investitionen. In den USA lag das BIP im ersten Quartal 2025 bei -0,3 Prozent – der erste Rückgang seit drei Jahren. Bereits zuvor äußerten Analyst:innen die Befürchtung einer „Trumpcession“, einer Rezession, die direkt auf Trumps Politik zurückzuführen wäre.
Auch wenn die konkreten Auswirkungen aktuell noch nicht einzuschätzen sind, zeigten sich also früh deutliche wirtschaftliche Negativeffekte der Zollpolitik. Die Kurswechsel der Trump-Regierung erzeugen global noch mehr Unsicherheit. Dabei könnte die Antwort auf die unvorhersehbaren Schwankungen vergleichsweise einfach sein, argumentiert Peter C. Earle, Director of Economics and Economic Freedom am American Instutite for Economic Research. Denn ein Quid pro quo der Strafzölle sieht er als wirtschaftlich, aber auch politisch unwirksam. Zollandrohungen als „Verhandlungstaktik“ abzutun, geschweige denn zu loben, ignoriere die Marktverzerrungen, die durch präventive Lagerhaltung, erhöhte Kosten aufgrund von Änderungen in der Verwaltung und bei der Einhaltung von Vorschriften sowie wachstumshemmende Unsicherheiten entstehen und die Investitions- und Expansionsentscheidungen verzögern, so der US-Ökonom.
Stattdessen würde es sich für alle Nationen auszahlen, weiterhin Freihandel zu betreiben – sogar, wenn dieser nur in eine Richtung zollfrei erfolgt. Denn Staaten, die keine Gegenzölle erheben, halten die Preise wichtiger Konsumgüter für die eigene Bevölkerung niedriger, was Konsumenten und Unternehmen, die von importierten Waren abhängig sind, gleichermaßen zugute kommt. Ganz zu schweigen davon, dass sich dadurch Handelskriege vermeiden lassen, die für alle beteiligten – und oft auch nicht beteiligten – Akteure negative Konsequenzen haben.
Handelsintegration Motor für Wohlstand
„Die Antwort auf den derzeitigen Wandel in der US-Handelspolitik sollte nicht weniger, sondern mehr Handelsintegration sein, und zwar sowohl mit Handelspartnern in aller Welt als auch innerhalb der EU“, betonte darum auch EZB-Präsidentin Christine Lagarde im März. Denn Handelsintegration, einschließlich Freihandelsabkommen, sei „ein Motor für wirtschaftlichen Wohlstand und kann vor einseitigen Handelsmaßnahmen schützen“.
Doch was ist mit der politischen Ebene? Sollten Staaten hier nicht Rückgrat zeigen und „sich nicht alles bieten lassen“? Nein, argumentiert Earle. Denn Rückgrat zu zeigen, bedeutet in diesem Fall eben genau, keine Gegenzölle zu erheben. Denn ein Staat, der sich dem Freihandel verschreibt – selbst, wenn er einseitig ist – beweist sich als stabile, marktfreundliche Wirtschaft. Das zieht Investitionen an und zeugt von diplomatischem Verständnis. Denn da Freihandel erwiesenermaßen für alle Nationen positive Konsequenzen hat, tragen alle Staaten, die diesen Freihandel weiter aufrechterhalten, zu einer Verbesserung der globalen Wirtschaft bei. Das stärkt auch politische Beziehungen. Wie Earle es beschreibt: „Freihandel ist das ideale Arrangement – unabhängig davon, wie andere Nationen reagieren.“
Dieses Grundverständnis zeigt sich übrigens bereits in den Reaktionen anderer Länder auf die US-Zollpolitik, insbesondere in der Intensivierung von Kooperationsverhandlungen zwischen der EU und verschiedenen Ländern Asiens. Und es gibt konkrete Gegentrends: Nach Verhandlungen von rund drei Jahren schlossen Großbritannien und Indien Anfang Mai ein Freihandelsabkommen ab, das die Zölle auf Produkte, die im jeweils anderen Land verkauft werden, erheblich senkt. Innerhalb der nächsten zehn Jahre sollen 85 Prozent aller britischen Produkte in Indien zollfrei verkauft werden. Umgekehrt ist der Effekt noch größer: 99 Prozent aller Produkte aus Indien sollen in Zukunft zollfrei importiert werden. Der Deal bedeute eine weitere Stärkung der strategischen Partnerschaft zwischen Großbritannien und Indien, erklärten Großbritanniens Premierminister Keir Starmer und Indiens Premierminister Narendra Modi.
Freien Handel gestalten – nicht abschaffen
Offener Handel, das steht fest, braucht Regeln: faire Standards, Schutz der Arbeitnehmer:innenrechte und nachhaltige Produktionsbedingungen. Doch das spricht nicht gegen, sondern für internationale Kooperation. Statt Handelsbarrieren zu errichten, sollte die Politik an einem modernen, fairen Handelsrahmen arbeiten, der ökologische und soziale Ziele einbezieht. Die klare Botschaft lautet: Freier Handel ist kein Selbstzweck, sondern eine Investition in eine offene, stabile und wohlhabende Welt – gerade in Zeiten wachsender Unsicherheiten und geopolitischer Spannungen unverzichtbar für nachhaltiges Wachstum und soziale Stabilität.
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