Wandelbots unterstützen die Automatisierung in der Robotik durch No-Code-Software – und wirken damit dem Fachkräftemangel entgegen.
Die technischen Lösungen für unterschiedlichste Probleme werden immer komplexer. Gleichzeitig arbeiten viele Unternehmen daran, komplexe Produkte zu vereinfachen und so der breiten Masse zugänglich zu machen. Die Automatisierung und Demokratisierung technischer Lösungen spiegelt sich in den unterschiedlichsten Entwicklungen wider. In der Software passiert das beispielsweise mit ChatGPT. Während Google und andere Suchmaschinen es vorziehen, wenn man mit ihnen wie mit einer Maschine „spricht“, ähnelt die Kommunikation mit ChatGPT der mit Mitmenschen. Dadurch können Menschen ohne technisches Wissen von komplexer Software Gebrauch machen.
In vielen Bereichen ist die Vereinfachung komplexer Systeme noch in den Anfängen, so auch in der Medizin. Viele Kliniken investieren trotz weitreichender Vorteile nicht in Hilfsroboter, die bei Operationen unterstützen. Das Problem: Das Fachpersonal fehlt, um diese für spezifische Funktionen zu programmieren. Dabei könnten Roboter nicht nur die klinischen Ergebnisse verbessern, sondern entlasten Chirurg:innen auch körperlich. Da sowohl technisches als auch medizinisches Personal fehlt, könnte eine Automatisierung mehrere Probleme gleichzeitig angehen.
Warum ist die Vereinfachung komplexer technischer Lösungen so wichtig? Je komplexer eine Technologie ist, desto weniger Expert:innen gibt es. Genau deshalb ist die Automatisierung eine natürliche Konsequenz des Fortschrittes. So sieht das auch Wandelbots-Mitgründer Georg Püschel. Sein Team fokussiert sich mit ihrer Automatisierungslösung auf Roboterarme für die Industrie. Im Gespräch erklärt er, was es mit der No-Code-Revolution auf sich hat und welche technischen Entwicklungen unabdingbar sind.
Mit Wandelbots komplexe Systeme vereinfachen
Das Unternehmen Wandelbots entstand 2017 aus der Idee heraus, Roboterarme für die Industrie flexibler einsetzen zu können, indem Menschen ihnen zeigen, welche „Handbewegungen“ sie durchführen müssen. Die sechs Gründer:innen, zu denen auch Georg Püschel gehört, entwickelten im Rahmen eines Wettbewerbes des Roboter-Herstellers Kuka eine intelligente Jacke. Sensoren ermöglichten, die Bewegungen beim Tragen aufzuzeichnen. Diese können dann durch eine App auf dem iPad live auf einen Roboter übertragen werden. Die Zielgruppe: Industrieroboter. Im Rahmen einer Messe traf das Team durchweg auf positive Resonanz – und beschloss daraufhin zu gründen.
Innerhalb der letzten fünfeinhalb Jahre wuchs das Unternehmen von dem Kernteam auf 160 Mitarbeitende an, denn sowohl Investor:innen wie Siemens und Microsoft oder der New Yorker Investor Inside Partners als auch die Industrie selbst zeigten reges Interesse.
Nach langem Ausprobieren stellten die Gründer:innen um Püschel fest, dass ihre ursprüngliche Idee viele Hindernisse mit sich brachte: Kund:innen bräuchten verschiedene Größen, die Jacke müsste waschbar sein und sie darf durch die Bewegung nicht kaputtgehen.
Mit Stift und App den Roboter navigieren
Ans Aufgeben war jedoch nicht zu denken. Also fanden die Wandelbots-Gründer:innen einen anderen Weg: Sie entwickelten den sogenannten Tracepen. Dieser übernahm die Funktion der Sensoren in der Jacke. Das Ganze sieht funktioniert wie folgt: Mit dem Tracepen können Mitarbeitende entlang eines Werkstückes fahren, das bearbeitet werden soll. Dabei werden die Bewegungsdaten sowie andere relevante Daten aufgezeichnet und in einer App zugänglich gemacht . Diese können dann auf den Roboter übertragen werden. So „lernt“ der Roboter die Bewegung innerhalb kurzer Zeit, und zwar ohne irgendwelche technischen Befehle einzugeben.
Das birgt immense Vorteile. Vor zwanzig Jahren wäre ein No-Code-Programm zur Steuerung von Robotern noch unvorstellbar gewesen. Tatsächlich ist dies eine der größten Herausforderungen der Robotik. Denn jeder Roboterhersteller nutzt ein unterschiedliches Interface. Dadurch gibt es oft nur wenige Expert:innen, die die Roboter bestimmter Hersteller bedienen können. In Zeiten eines steigenden Fachkräfte-Mangels, besonders in naturwissenschaftlichen Berufen, ist No-Code eine wichtige Entwicklung der Robotik.
Das Versprechen des Wandelbots-Teams: Jede:r kann mithilfe des Stiftes und der App einen Roboter navigieren, unabhängig von Bildungshintergrund und Erfahrung. Damit wird eine große Hürde zur Anschaffung von Robotern genommen. Das ist besonders wichtig in Sektoren, in denen wenig Wissen über Robotik existiert. Püschel erklärt, dass selbst die Industrie eher losgelöst von robotischen Entwicklungen ist. Deshalb hilft auch hier die Einführung von No-Code-Programmen.
Chancen für die Zukunft
Das Unternehmen selbst fokussiert sich zurzeit fast vollständig auf den Industrie-Roboterarm. Das läge vor allem daran, dass dort der Einsatz von Robotern bereits etabliert ist (anders als zum Beispiel bei Haushaltsrobotern), zum anderen ist die Industrie eine sehr kontrollierte Umgebung. Sobald eine Bewegung einprogrammiert wurde, kann der Roboter diese wieder und wieder ausführen, ohne dass sich die Umgebung verändert. In anderen Umfeldern, wie dem Haushalt oder der Medizin, ist das deutlich schwieriger.
Dennoch arbeitet das Team auch an Projekten, um unterschiedliche Anwendungsfelder auszutesten. So hat es beispielsweise einer Bäckerei einen Roboter an die Hand gegeben, um Mitarbeitende beim Dekorieren der Kuchen zu unterstützen – und das mit viel Erfolg.
Püschel ist sich sicher, dass die No-Code-Revolution sich langfristig in der Robotik durchsetzen wird. Das ist eine natürliche Konsequenz technologischen Fortschrittes, die auch in anderen Bereichen sichtbar ist. Als Beispiel nennt er den Kaffeevollautomaten, bei dem der Siebträger durch einen einfachen Knopf ersetzt wurde, welcher den Befehl an die Maschine weiterleitet. Das Pendant zum No-Code-Roboter findet man auch beim Computer. Dort mussten zu Beginn sämtliche Befehle, die jetzt mit der Maus ausgeführt werden, noch eingegeben werden. Dazu waren technische Kenntnisse notwendig. Heutzutage kann hingegen jede:r einen Computer bedienen.
In der Industrie hat die Automatisierung und damit einhergehend die Demokratisierung von Maschinen noch einen weiteren Vorteil. Wandelbots bringt Flexibilität in den Einsatz von Robotik. Damit folgen die Gründer:innen dem Ideal der Industrie 4.0, in dem der Fokus weg von der Massenproduktion hin zur Maßschneiderei von Produkten geht. Diese erfordert, dass Roboter variierende Aufgaben übernehmen können.
Keine Angst vor dem Roboter
Trotz der vielseitigen Vorteile von Robotik in der Industrie gibt es auch Bedenken. Eine große Angst vieler Arbeitskräfte ist der Verlust des Arbeitsplatzes aufgrund des vermehrten Einsatzes von Maschinen. Püschel hält diese für unberechtigt:
„Menschen denken, sie werden durch Roboter ersetzt. Aber in dem Kontext vom Fachkräftemangel ist dieses Problem einfach de facto nicht existent. Roboter übernehmen Aufgaben, die für Menschen nicht besonders erfüllend sind, sehr monoton sind, die schnell gehen müssen und wo Menschen immer wieder die gleichen Aufgaben ausführen, obwohl sie vielleicht einer besseren Tätigkeit nachgehen könnten. Es gibt so einen großen Fachkräftemangel, dass jeder eine Tätigkeit findet, die besser ist als das, was ein Roboter machen muss.“
Technische Bildung mit Wandelbots
Neben der Anwendung in der Industrie setzt sich das Team der Wandelbots auch für eine praxisorientiertere technische Bildung ein. Da zur Nutzung der Wandelbots keine technischen Vorkenntnisse notwendig sind, können selbst Schüler:innen in niedrigeren Klassen so bereits an Roboter herangeführt werden. Püschel sieht dies als Chance, Lernende schon früh an die Zukunft der Arbeit heranzuführen. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass Schüler:innen in ihrem späteren (Berufs-)Alltag mit Robotern zusammenarbeiten werden, sei laut ihm sehr groß.
Durch eine intensivere technische Bildung kann so bereits einem noch höheren Mangel an Fachkräften für die Zukunft entgegengewirkt werden. Damit bieten Lösungen wie die Wandelbots eine Möglichkeit, langfristig technische Lösungen besser zu integrieren, besonders auch in Hinblick auf Sektoren, in denen die Nutzung technischer Produkte bisher noch gemäßigter ist.
Beitragsbild: © Wandelbots