Depressionen sind eine der häufigsten psychischen Erkrankungen und lange ein gesellschaftliches Tabuthema gewesen. Doch der Umgang mit Depression hat sich in den letzten Jahren gewandelt. Prominente wie Kurt Krömer und Torsten Sträter geben der Krankheit ein Gesicht, während neue Therapieansätze wie EMDR Hoffnung schaffen. Dennoch bleibt die Versorgungslücke eine Herausforderung. Ein Blick auf Fortschritte, Hindernisse und die Bedeutung von Gemeinschaft.
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Das Tabu bröckelt
Depressionen gehören zu den häufigsten und hinsichtlich ihrer Schwere am meisten unterschätzten Erkrankungen. Insgesamt sind 8,2 %, d. h. 5,3 Mio. der erwachsenen Deutschen (18 – 79 Jahre) im Laufe eines Jahres an einer depressiven Störung erkrankt. Diese Zahl erhöht sich noch einmal um Kinder und Jugendliche und Menschen über 79 Jahre, die in der Studie von Jacobi et al. aus 2016 nicht erfasst sind, aber ebenfalls an Depression erkranken können. Nach wie vor fällt es Betroffenen schwer, darüber zu reden. Im Vergleich zu lebensbedrohlichen, körperlichen Erkrankungen wie Krebs, ist es viel schwerer über psychische Leiden, auch lebensgefährliche, wie Depressionen zu sprechen. Depressionen sind dabei immer noch eher tabuisiert, so das Deutsche Ärzteblatt (2019) oder die Barmer Krankenkasse (2024). Dabei muss festgehalten werden: aus medizinischer Sicht ist die Depression eine ernste Erkrankung, die das Denken, Fühlen und Handeln der Betroffenen tiefgehend beeinflusst, mit Störungen von Hirn- und anderen Körperfunktionen einhergeht und erhebliches Leiden verursacht. Menschen, die an einer Depression erkrankt sind, können sich selten allein von ihrer gedrückten Stimmung, Antriebslosigkeit und ihren negativen Gedanken befreien. Aber es gibt gute und effektive Möglichkeiten der Behandlung, so zum Beispiel medikamentös und psychotherapeutisch. Die öffentliche Wahrnehmung von Depression hat sich in den letzten Jahren positiv verändert. Prominente Stimmen und Fortschritte in der Behandlung tragen dazu bei, das Stigma zu reduzieren und neue Hoffnung zu schaffen. „Da hat eine deutliche Veränderung stattgefunden. Es wird viel offener darüber gesprochen,“ so Teresa Enke zum Jahrestag des Todes ihres Mannes, dem Fußballspieler Robert Enke, welcher an einer Depression litt und sich 2009 das Leben nahm.
Prominente als Katalysatoren für Awareness
Der Suizid des Fußballspielers Robert Enke im Jahr 2009 war ein einschneidendes Ereignis, das die Diskussion um Depression und psychische Gesundheit in der Öffentlichkeit nachhaltig prägte. Seine Frau Teresa Enke spielte eine entscheidende Rolle, indem sie die Robert-Enke-Stiftung gründete. Diese widmet sich der Aufklärung über Depression und trägt dazu bei, Stigmatisierung abzubauen. Doch auch lebende Persönlichkeiten wie Torsten Sträter und Kurt Krömer zeigen eindrucksvoll, wie wichtig Offenheit und Dialog sind, um psychische Erkrankungen ins öffentliche Bewusstsein zu rücken.
Kurt Krömer: Von der Klinik zur Bühne
Kurt Krömer, dessen bürgerlicher Name Alexander Bojcan ist, sprach am 22.03.2021 erstmals in der Sendung „Chez Krömer“ über seine Depression und seinen Aufenthalt in einer Klinik. Mit dieser Offenheit durchbrach er die lange gepflegte Fassade des „Alles gut“-Sagens und legte offen, wie schwer ihm diese Einsicht gefallen war: „Ich habe manchmal zu Freunden gesagt, ich hab so ein Stechen und Brennen in den Augen und ich würde gerne weinen, aber ich kann nicht.“
Nach seiner Behandlung beschrieb er das Weinen als einen Akt der Befreiung und plädierte dafür, dass Männer sich von veralteten Rollenbildern lösen sollten: „Ein Mann weint nicht? Das ist Quatsch. Männer werden ja wohl mal weinen dürfen!“ Heute sieht Krömer in sozialen Bindungen und kleinen, bewussten Handlungen – wie dem Genießen eines Apfels – wichtige Schritte zur Heilung. Auch die Bühne spielte eine zentrale Rolle in seinem Genesungsprozess: „Ich wollte Platz und Kraft für neue Gedanken haben.“ Der offene Umgang mit seiner Depression hat vielen Betroffenen Mut gemacht und gezeigt, dass Heilung kein linearer Prozess ist, sondern Raum und Geduld erfordert.
Torsten Sträter: Humor als Brücke
Torsten Sträter, bekannt als Comedian und Kabarettist, setzt sich seit Jahren öffentlich für die Enttabuisierung von Depressionen ein. In besagter Sendung „Chez Krömer“ sprach er gemeinsam mit Kurt Krömer bewegend über seine eigene Krankheitserfahrung. Seine Fähigkeit, ernste Themen mit Humor zu vermitteln, macht ihn zu einer wichtigen Stimme in der Debatte. Er betont: „Ich versuche es erst mal aus Reflex immer in lustig, denn ich habe ja auch den Auftrag, zu unterhalten. Aber ich weiß, wie es sich anfühlt.“
Sträter spricht offen über die unsichtbare Natur von Depressionen: „Zum Glück ist es eine unsichtbare Krankheit, stellen Sie sich mal vor, man könnte das einem auch noch sofort ansehen! Aber das macht es unglaublich schwer, es anderen zu erklären.“ In seinen öffentlichen Auftritten ruft er dazu auf, Verständnis zu zeigen und Hilfsangebote auszubauen. Als Schirmherr der Selbsthilfeorganisation Deutsche Depressionsliga e.V. setzt er sich zudem aktiv für Betroffene ein. Besonders Kinder und Jugendliche liegen ihm am Herzen: „Es treibt mich an meine emotionale Grenze, zu sehen, wie sehr sie unter schwierigen Bedingungen leiden, aber es motiviert mich, weil ich auch sehe, wie sie mit der richtigen Unterstützung aufblühen können.“
Offenheit als gesellschaftliche Chance
Das öffentliche Sprechen über Depression durch Personen wie Teresa Enke, Kurt Krömer und Torsten Sträter hat in Deutschland viel bewegt. Es zeigt, wie wichtig es ist, auch psychische Gesundheit als gesellschaftliche Aufgabe zu betrachten. Wenn Prominente ihre Plattform nutzen, um über ihre Erfahrungen zu sprechen, trägt das nicht nur zur Entstigmatisierung bei, sondern inspiriert andere, ebenfalls den Mut zu finden, offen mit ihrer Krankheit umzugehen. In einer Zeit, in der oft Isolation und Konkurrenz dominieren, sind solche Stimmen eine Erinnerung daran, dass Gemeinschaft, Solidarität und Mitgefühl zentrale Bausteine psychischer Gesundheit sind.
Fortschritte in der Behandlung
Die Behandlungsmöglichkeiten für Depressionen haben sich in den letzten Jahren stetig erweitert. Neben klassischen Ansätzen, wie der kognitiven Verhaltenstherapie und der medikamentösen Behandlung, rücken auch innovative Methoden in den Fokus der Therapie. So zum Beispiel die Behandlung mit psychedelischen Substanzen wie Psilocybin, der Wirkstoff in „Magic Mushrooms“. Diese erleben derzeit eine Renaissance in der Psychotherapie. Klinische Studien zeigen, dass Psilocybin in Kombination mit professioneller therapeutischer Begleitung helfen kann, tieferliegende emotionale Muster zu durchbrechen und neue Perspektiven zu eröffnen. Besonders bei schwerer Depression oder Depressionen in Verbindung mit existenziellen Krisen kann diese Methode vielversprechend sein. Dazu forscht unter anderem die Arbeitsgruppe Psychedelika-unterstützte Psychotherapie an der Universität Tübingen.
Oder beispielsweise die Ketamin-Therapie, die unter anderem in Großbritannien umfangreich erforscht wird. Ketamin, urs…