Inseln und Berge aus illegal abgestelltem Abfall: Das kennt man nicht nur in der deutschen Hauptstadt, sondern selbst in bayerischen Kleinstädten. Zur Lösung tragen nun auch Mülldetektive bei, die den Schmutzfinken undercover auflauern.
Der Beruf des Detektiven erscheint vielen Kindern als einer der spannendsten überhaupt. Diebe, Einbrecher und andere Übeltäter:innen zu verfolgen, zu belauern und irgendwann durch schlaue Tricks zu stellen – mehr Abenteuer geht kaum. Erst recht, weil sich die Kinder in ihren Büchern und Filmen ja meist selbst auf die Jagd nach den Verbrecher:innen machen.
Der Alltag von erwachsenen Detektivinnen und Detektiven ist dann oft nicht mehr ganz so spannend. Denn im echten Leben werden sie bekanntlich oft von eifersüchtigen Männern und Frauen eingesetzt, die herausfinden wollen, ob ihre Partnerin oder ihr Partner eine Affäre hat.
Wenn die “Waste-Watcher” nicht mehr weiterkommen
Seit kurzem kommt nun eine weitere Aufgabe dazu und auf den ersten Blick sinkt das Niveau an Spannung und Abenteuer damit noch einmal um einige Stufen, und das Niveau an Sexyness erst recht. Denn einige Städte haben damit begonnen, Detektive zu beauftragen, um Personen zu erspähen, die illegal Müll entsorgen. Es geht dabei nicht um die großen Umweltverbrechen, bei denen schlimme Konzerne ganze Regionen auf Jahrzehnte verseuchen, sondern um die kleinen, banalen Aktionen des Alltags: das Abladen von Matratzen am Waldrand, das Abstellen von Sperrmüll neben dem Altglas-Container oder die Entsorgung von Elektroschrott am nächsten Straßeneck. An manchen Ecken häuft sich dadurch der Müll extrem. Ein Abfallstück scheint das nächste anzuziehen. Und heraus kommt ein Stadtbild, das eigentlich niemand will.
In München forderte deshalb kürzlich ein Antrag im Stadtrat “den Einsatz von sogenannten Waste-Watchern, die aufklären, aber auch Bußgelder verhängen sollen.” Keine schlechte Idee, aber erwischen dürften diese “Waste-Watcher” die Müllsünder:innen selten. Und im Gegensatz zu falsch parkenden Autos haben alte Fernseher und Möbelstücke ja leider auch kein Nummernschild, anhand dessen man ihre Besitzer:innen ausfindig machen könnte. Die Konsequenz ist eigentlich klar: Jemand muss sich undercover auf die Lauer legen, um die die Abfall-Abladenden auf frischer Tat zu ertappen.
Undercover gegen illegalen Müll
Kindliche Phantasie? Keineswegs. In den oberbayerischen Gemeinden Ebersberg und Poing sind solche Mülldetektive bereits seit einigen Jahren im Einsatz. Und die “Erfahrungen sind positiv”: Die Zahl der Anzeigen wegen illegal abgestellter Abfälle sei deutlich gesunken: von 53 im Jahr 2020 auf 11 im Jahr 2023. 2021 etwa ertappte ein Detektiv drei Männer dabei, wie sie an einer Wertstoffinsel nicht nur illegal Sperrmüll abstellten, sondern auch noch eine 1,1 Kubikmeter-Mülltonne in einen Container für Leichtverpackungen (LVP) kippten.
Auch in Berlin kommen seit kurzem wieder Mülldetektive zum Einsatz. Der RBB hat sie im Herbst bei ihrer Arbeit im Bezirk Neukölln begleitet. Auch hier beobachten die Ermittler in zivil Personen, die große Müllmengen an verbotenen Orten abladen. Wenn möglich, filmen sie sie oder hindern sie am Wegfahren. Doch spannenderweise gelingt es ihnen offenbar in den allermeisten Fällen auch dann noch, die Müllsünder:innen aufzuspüren, wenn sie diese nicht auf frischer Tat ertappen konnten, sondern nur deren weggeworfene Hinterlassenschaft vorfinden. “95 Prozent der Anhaltspunkte führen sie tatsächlich zum Verursacher”, behaupten die Müll-Ermittler aus Neukölln. Doch wie sie das genau herausfinden, verraten sie nicht: Berufsgeheimnis.
Damit steigt das Abenteuer-Niveau des Mülldetektiv-Berufs natürlich gleich wieder um mehrere Stufen an. Wenn die Übeltäter:innen nicht nur nur incognito belauert und auf frischer Tat ertappt, sondern auch noch anhand ihrer Spuren durch geheime Tricks entlarvt werden können, dann ist es kaum weniger abenteuerlich als in den einst geliebten Detektivgeschichten. Sinnvoll ist der Einsatz der Mülldetektive ohnehin. Allem Anschein nach entsteht hier gerade eine neue Art von Helden des Alltags.
Jonathan Widder ist Gründer und Chefredakteur von Squirrel News, einem kuratierten Nachrichtendienst für lösungsorientierte Medienbeiträge. In seiner Kolumne “Auf den Spuren des Fortschritts” schreibt er über neue Chancen und Lösungsansätze für die Gesellschaft und wirft einen Blick auf Fortschritte, die man allzu leicht übersieht.
Beitragsbild: Etienne Girardet / Unsplash (CC0)
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