Alles nur Zufall oder was? Oft sehen sich Hund und Halter:in ähnlich. Ist es nur Einbildung, dass wir unseren Haustieren ähneln, oder steckt vielleicht doch mehr dahinter?
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Spaziert man durch den Park oder schlendert durch die Innenstadt, sieht man immer wieder Hunde und ihre Besitzer:innen. Oft erkennt man schon auf den ersten Blick, dass sie zusammengehören. In München habe ich mich mal auf die Suche nach diesen Pärchen gemacht – und ich bin fündig geworden. Aber ist das nur Zufall oder sehen sich Hund und Herrchen oder Frauchen tatsächlich ähnlich? Werfen wir einen Blick in die Wissenschaft.
Gleich und gleich gesellt sich gern – auch bei Haustier und Mensch
Eine Studie der University of California untersuchte, ob man allein vom Äußeren erkennen kann, welcher Hund zu wem gehört. Das Ergebnis: Ja, kann man.
Bei Rassehunden können neutrale Beurteiler:innen mit erstaunlicher Treffsicherheit erkennen, welcher Hund zu welchem Menschen gehört.
Bei Mischlingen hingegen war das Zuordnen eher Zufall. Der entscheidende Unterschied: Wer sich einen Rassehund zulegt, entscheidet sich bewusster für ein bestimmtes Aussehen – und unbewusst offenbar für ein Aussehen, das dem eigenen ähnelt.
Die Ähnlichkeit zwischen Hund und Halter:in beruht nicht nur auf simplen Merkmalen wie haarig trifft auf pelzig oder kräftig trifft auf bullig. Die Forschenden untersuchten Merkmale wie Haarigkeit, Attraktivität, Größe oder Freundlichkeit – keines davon erklärte die Ähnlichkeit eindeutig. Vielmehr scheint es sich um eine subtile, ganzheitliche Wahrnehmung zu handeln. Eine Art instinktives Matching-System: Wir sehen ein Tier und spüren – „Ja, das passt zu mir.“
Bei Hunden und Haustieren allgemein ist es ein bisschen so wie beim Dating: Auch hier sucht man sich nicht jemanden, der genau gleich aussieht – aber irgendwie passt es dann eben doch.
Psycholog:innen sprechen vom sogenannten „Assortative Pairing„. Es beschreibt die Tendenz, sich mit Menschen zu umgeben, die einem selbst ähneln – bewusst oder unbewusst. Was bei der Partnerwahl gilt, kann offenbar auch beim Hundekauf eine Rolle spielen.
Der Effekt ist besonders stark bei Haarstruktur, Länge der Haare und Gesichtsform. Menschen mit langen Gesichtern wählen tendenziell Hunde mit langen Schnauzen, während rundgesichtige Menschen eher zu Möpsen oder Bulldoggen neigen.
Was bekannt ist, ist vertraut
Ein weiteres psychologisches Prinzip, das eine Rolle spielen könnte, ist der Mere-Exposure-Effekt. Was wir oft sehen, empfinden wir als angenehm und vertraut. Und vertraute Merkmale – etwa unsere eigene Augenform – empfinden wir instinktiv als „sympathisch“. Beim Kauf unseres Hundes achten wir offenbar darauf, dass er uns in gewissen Gesichtszügen ähnelt. Die Ähnlichkeit schafft Vertrautheit – und Vertrautheit macht sympathisch. Ein bisschen narzisstisch? Vielleicht. Aber auch irgendwie süß.
Noch einen Schritt weiter geht die These, dass auch unsere eigenen Charakterzüge Einfluss auf unsere Hundewahl haben. Ein ernster, ruhiger Mensch neigt vielleicht zu einem ebenso gelassenen Labrador, während ein quirliger Extrovertierter sich eher in einen energiegeladenen Jack Russell verliebt. Besonders im Fokus steht dabei die Ausprägung der „Big Five“: Offenheit, Gewissenhaftigkeit, Geselligkeit, Verträglichkeit, emotionale Empfindlichkeit.
Diese „Big Five“ werden zur Beschreibung von Persönlichkeitsunterschieden bei Menschen weltweit verwendet. Studien zeigen, dass diese fünf Merkmale kulturübergreifend gültig sind. Sie helfen dabei, menschliches Verhalten besser zu verstehen und finden Anwendung in Bereichen wie Psychologie, Personalwesen und Forschung.
Ein Leben voller Mimikry
Die eben genannten psychologischen Prinzipien betreffen alle die Auswahl des Hundes. Doch auch nachdem wir uns für einen Hund entschieden haben, gleichen sich Hund und Halter:in oft immer weiter an.
Hunde sind Meister im Beobachten. Im Laufe der Zeit übernehmen sie oft Gewohnheiten, Bewegungen und sogar Gesichtsausdrücke ihrer Halter:innen. Der müde Blick nach einem langen Tag? Der gleiche. Der skeptische Blick beim Anblick eines Joggers in Neonfarben? Synchron! Hund und Mensch leben eben im dauerhaften Nahkontakt – da färbt einiges ab.
Über die Jahre hinweg entwickeln sich so feine Ähnlichkeiten – in der Art zu blicken, zu reagieren, ja sogar zu lächeln. Viele Hunde spiegeln die Körpersprache ihrer Halter:innen, reagieren auf ihre Stimmungen und übernehmen mit der Zeit bestimmte Eigenheiten. Wer oft die Stirn runzelt, hat möglicherweise auch einen Hund, der diesen Ausdruck besonders oft zeigt – ob durch Augenbrauenheben oder Faltenwurf.
Eine Frage der Mode
Und dann ist da noch der gemeinsame Stil. Ob bewusst oder nicht – Menschen neigen dazu, ihre Hunde „passend“ auszustatten: Leinen im Farbschema des eigenen Outfits, kleine Jacken, die zur Trenchcoat-Ästhetik passen. Die Ähnlichkeit wird so manchmal ganz praktisch verstärkt. Zum Beispiel durch ein rotes Halsband passend zum roten Hemd.
Urteilt selbst!
Dass Hund und Halter:in sich häufig auf eine Weise ähneln, ist also keine reine Einbildung. Es gibt psychologische Faktoren, die Erklärungen dafür bieten. Doch egal ob “Assortative Pairing”, “Mere-Expusure-Effekt” oder Mimikry – am Ende zählt nur, dass Hund und Halter:in sich gefunden haben und ein gutes Team sind.
Und ob Hund und Mensch sich wirklich ähnlich sehen, liegt am Ende immer noch zum großen Teil im Auge des Betrachters.
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Quellen:
Colino, Stacey. Ansteckende Emotionen: Hunde und ihre Besitzer fühlen gleich. National Geographic. Veröffentlicht: 5. Oktober 2021. https://www.nationalgeographic.de/tiere/2021/10/ansteckende-emotionen-hunde-und-ihre-besitzer-fuehlen-gleich?.com.
Nakajima, S., Yamamoto, M., & Yoshimoto, N. (2009). Dogs Look Like Their Owners: Replications with Racially Homogenous Owner Portraits. Anthrozoös, 22(2), 173–181. https://doi.org/10.2752/175303709X434194 .
Roy, M. M., & Nicholas, J. S. C. (2004). Do Dogs Resemble Their Owners? Psychological Science, 15(5), 361-363. https://doi.org/10.1111/j.0956-7976.2004.00684.x
Wenninger, Gerd. Mere-exposure-Effekt. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg. https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/mere-exposure-effekt/9583.
Alle Bilder: Selina Schöberl.