Fiktion statt Fakten? Wie emotionale Geschichten unser Bewusstsein für Wasserkrisen schärfen und zum Handeln inspirieren. Ein Kommentar
Ich hatte im Mai dieses Jahres so einen Moment, als ich in Nevada auf Felsformationen schaute und dachte: Das hast du alles in der Schule gelernt, welche Ablagerungen welche sind, wo Seen und Flüsse mal geflossen sind, welche Gesteinsschichten das sind. Alles weg. Dann habe ich in die Wolken geschaut und wie dunkel sie waren. Regnet es wirklich im Mai in der Wüste von Nevada? Auch das wusste ich früher: die verschiedenen Wolkenformationen, den Wasserkreislauf im Detail. Weg. Ja, in Ansätzen kann ich noch schlaue Sprüche klopfen, aber seien wir ehrlich: Die Natur und die Wissenschaft dahinter sind so komplex, dass wir ohne weitere Bildung und ständige Beschäftigung mit ihr an die Grenzen unseres Wissens stoßen. Vielleicht geht es ja auch nur mir so, und in diesem Fall ist dieser Text nur für mich. Denn es würde mir schwerfallen, jetzt mein Schulwissen in Geografie, Chemie oder Physik aufzufrischen. Dabei stehen die entsprechenden Duden-Ausgaben neben mir im Regal. Doch statt zu diesen wissenschaftlichen Büchern zu greifen, stille ich meinen Wissensdurst zusammen mit einem gewissen Hunger nach Unterhaltung und greife immer öfter zu wissenschaftlicher Belletristik. Science Fiction. Nicht “Star Wars”, sondern “Science Fiction” im engeren Sinne.
Die Fiktion bietet uns ein einzigartiges Fenster zu Welten, die sowohl wunderbar fremd, als auch unangenehm vertraut sein können. Beim Lesen eines Romans oder beim Anschauen eines Films tauchen wir in Szenarien ein, die unsere Vorstellungskraft beflügeln und uns gleichzeitig auf Themen aufmerksam machen, die in unserer realen Welt von entscheidender Bedeutung sind. Als wir über das Thema dieses Magazins sprachen, erinnerte ich mich sofort daran, wie oft Wasser – eine ebenso lebenswichtige wie gefährdete Ressource – in letzter Zeit im Mittelpunkt solcher Geschichten in meinem Bücherregal stand. Was ich alles gelernt habe, ohne auch nur ein einziges Schul- oder Wissenschaftsbuch in die Hand genommen zu haben. Dass Wasser H2O ist, kann ich mir noch ohne Chemiebuch zusammenreimen, aber muss ich auch wissen, was Wasserstoffbrücken sind? Oder muss ich den Dipolcharakter von Wasser beschreiben können? Die Antwort ist sicher ja, aber ich bin realistisch: Ich habe es gleich wieder vergessen.
Was ich nicht vergessen habe, waren die trostlosen Zukunftslandschaften in Kim Stanley Robinsons „Das Ministerium der Zukunft“ oder die Kostbarkeit des Wassers in Maja Lundes „Die Geschichte des Wassers“. Fiktion statt Fakten. Geht das? Was kann man daraus mitnehmen?
Science-Fiction ist etwas, das geschehen könnte – aber für gewöhnlich wollen Sie nicht, dass dem so ist. Fantasy ist etwas, das nicht geschehen könnte – allerdings wünschten Sie sich oft, es wäre so.
Arthur C. Clarke
Die Macht des Wassers
Die Fiktion ermöglicht es uns, die oft schwer fassbaren wissenschaftlichen und sozialen Dynamiken des Wassermanagements auf unterhaltsame und lehrreiche Weise zu erfassen. In der Welt der Fiktion dienen das Wasser und seine Verfügbarkeit oft als mächtige Symbole und treibende Kräfte der Handlung, die sowohl menschliche Schicksale als auch soziale Strukturen prägen. Diese erzählerischen Auseinandersetzungen beleuchten nicht nur die drängenden Herausforderungen von Wasserknappheit und Umweltveränderungen, sondern liefern auch wertvolle Einblicke in menschliche Verhaltensweisen, politische Konflikte und innovative Lösungen, die unser Verhältnis zu dieser unersetzlichen Ressource prägen.
Kann man Schmelzwasser unter Gletschern absaugen?
Ein Roman, der Hoffnung macht, ist zum Beispiel „Das Ministerium der Zukunft“. Die Geschichte spielt in der nahen Zukunft: Sie beginnt im Jahr 2025 mit einer Hitzewelle in…