Ein grünes Dach bringt so viele Vorteile, dass man sich wundert, warum noch nicht jedes Haus damit ausgestattet ist. Doch die Zeit scheint reifer denn je.
Gefühlt sieht man begrünte Dächer aktuell in Deutschland wenig – dabei schneiden wir im weltweiten Vergleich mit circa zehn Prozent Begrünung am besten ab. In der Politik werden vermehrt Stimmen laut, eine Dachbegrünung bei Neubauten zur Pflicht zu machen. In Berlin soll es 2024 so weit sein, in Dortmund müssen Bauherr:innen schon seit 2019 eine Begrünung mit in Betracht ziehen.
Die Vorteile
Ein grünes Dach schützt die Dachabdichtung und verdoppelt u.a. durch die Absorption der UV-Strahlung deren Lebensdauer. Die Dämmwirkung und das Raumklima wird verbessert, Abwassersysteme und Kläranlagen werden durch das Rückhalten des Wassers entlastet, das Stadtklima verbessert und neuer Lebensraum für seltene Tier- und Pflanzenarten geschaffen.
Diese Vorteile werden gesehen: Der Bundesverband GebäudeGrün e.V. geht von einem jährlichen Zubau von etwa acht Millionen Quadratmetern begrünter Dachflächen aus.
Steildach vs. Flachdach
Am einfachsten zu begrünen sind aus physikalischer Sicht Flachdächer. Auf Steildächern entstehen Schubkräfte in Gefällerichtung, die mit zunehmender Neigung größer werden.
Wir haben mit Dirk Kieslich, Gründer und Geschäftsführer von mygreentop, darüber gesprochen, was bei einer Schrägdachbegrünung beachtet werden muss. Dirk selbst „tüftelt und erfindet, seit er laufen kann“ und arbeitete selbst noch in der Automobilindustrie, als er im Herbst 2019 durch einen Zufall auf den Mangel an Begrünungssystemen beim Schrägdach kam und selbst begann zu tüfteln. Heraus kam mit mygreentop ein modulares Aufdachpflanzsystem, mit dem sich schräge Dächer von 20 bis 60 Grad Neigung „so effektiv & kostengünstig wie nie zuvor begrünen lassen“.
Auf einem Schrägdach brauche ich Matten, die gesichert sind, damit die Vegetation auf der Schräge bleibt. Auch der Windsog oder Vögel sollten die Pflanzen nicht herausziehen können und Wassereinläufe und -abläufe müssen bedacht werden. Richtig gemacht, bietet ein grünes Dach aber nur Vorteile. Denn die typische Frankfurter Pfanne aus Beton (der Klassiker auf deutschen Dächern, d.R.) ist schwarz, schwer und heizt das Dach auf, was jeder kennt, der eine Dachgeschoss-Wohnung hat. Es sollte also viel selbstverständlicher sein, ein grünes Dach zu haben.
mygreentop-Gründer Dirk Kieslich und Steffen Reeder mit ihrem Dachmodul. | Bild: mygreentop
Die Vegetation auf dem Dach
Nicht alle Pflanzen sind für die Dachbegrünung geeignet. Der Untergrund ist mager, die Pflanzen müssen mit Trockenheitsperioden oder Frost klarkommen – und sie dürfen nicht zu groß werden. Daher hat sich mit Sedum ein Standard bei der Begrünung durchgesetzt. Mit etwa 420 Arten ist Sedum die umfangreichste Gattung aus der Familie der Dickblattgewächse. Die bei uns als Fetthennen oder Sukkulenten bekannten Pflanzen sind wasserspeichernd und damit ideal zur Dachbegrünung geeignet. Die Niederlande sind mittlerweile Marktführer in der Herstellung von Sedum-Matten, die dann weltweit zur Dachbegrünung eingesetzt werden.
Die Nachfrage steigt stetig. Ein grünes Dach passt genau in die aktuelle Zeit und die Menschen sind viel offener für die Vorteile geworden. 300.000 Dächer werden in Deutschland pro Jahr neu gedeckt – das ist ein großes Potenzial, noch viel grüner zu werden.
Während wir unser Gespräch beenden, summen Dutzende von Hummeln um Dirks begrünte Dachpfanne – und er ist sich umso sicherer, den richtigen Weg gegangen zu sein. Mit seinem kleinen Team will er dieses Jahr 2.000 Quadratmeter Dach neu begrünen. Die Nachfrage ist sehr viel größer – “aber mit dem kleinen Team, das wir gerade haben, drücken wir auch bewusst ein bisschen auf die Bremse. Wir sind noch im Aufbau, aber die nächsten Jahre nehmen wir uns auf jeden Fall mehr vor. Es macht einfach Freude, zu sehen, was am Ende bei unserer Arbeit rauskommt. Das ist ein schönes Erlebnis.”
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