Massive Umweltveränderungen herbeiführen: Das ist die Mission der Biofabrik. Wir haben den Gründer Oliver Riedel zum Interview getroffen.
Seit 2011 ist die Biofabrik Gruppe in Dresden ansässig. Ihr Ziel: Probleme erkennen, Lösungsideen skizzieren und im Endeffekt Technologien entwickeln, mit denen große Herausforderungen bewältigt werden können.
Ob Energie-, Ernährungs- oder Abfallprobleme – Biofabrik hangelt sich von einem großen Thema zum nächsten. Neben nachhaltigem Dünger und Superfoods liegt ein Schwerpunkt der Firma auf der Weiterverarbeitung von Plastik. Mit WASTX Plastic können Kunststoffabfälle in synthetisches Rohöl zurückgeführt werden. Abfall wird so also in großem Maße wiederverwertbar.
Wir sprechen mit Biofabrik-Gründer Oliver Riedel über WASTX Plastic, die Mission seiner Firma und die Herausforderungen eines Gründers.
Oliver, 140 Millionen Tonnen Plastikabfall gibt es jährlich weltweit. Diesem Problem begegnet Biofabrik mit der Idee hinter WASTX Plastic, wodurch Abfall wieder nutzbar wird. Inwiefern gab es für dich einen Schlüsselmoment, in dem du dachtest, dass es ein Umdenken in Sachen Plastikmüll braucht?
Die grundlegende Idee für WASTX Plastic hatte ich, als ich mit dem Motorrad durch Indien gefahren bin und dort gesehen habe, wie mit Plastik in Entwicklungsländern umgegangen wird. Dort wird offensichtlich, was hier eher ein verstecktes Problem ist. In einem Großteil der Welt, in Indien oder Kambodscha beispielsweise, gibt es für Plastik keine Verbrennungsanlagen und kein Recycling. Es wird eben irgendwo hingeschmissen oder auf dem Hinterhof verbrannt.
Dort hatte ich die Idee, dass wir das Ganze dezentralisiert machen müssen. Weg von großen Fabriken, hin zu kleinen Containern, die neben dem Dorf stehen, wo Menschen Geld dafür bekommen, Plastikmüll zu bringen und aus dem gebrachten Plastik dann Produkte entstehen. So wird daraus entweder neues Plastik oder es wird Energie für das jeweilige Dorf erzeugt, indem wir eine Art Rohöl produzieren, was die Plastikindustrie dann als Rohstoff verwenden kann. Das war ein heller Moment der Erkenntnis.
Biofabrik wurde 2011 gegründet. Was hat sich in den letzten Jahren verändert und gab es dabei einen besonderen Meilenstein für dich?
Ganz viele. Also du gehst als Version 10.137 morgens aus dem Haus und kommst als Version 10.138 abends zurück. Jeder Tag ist also mit tiefem Lernen verbunden. Es ist nicht ein großer Meilenstein, sondern Tausende kleine. Ich nenne es immer den Kampf gegen Fragezeichen, weil alles, was wir bisher gebaut haben, wurde noch nie vorher gemacht – das muss man wissen.
Im Lehrbuch steht regelmäßig, dass das, was wir machen, nicht geht. Und die größten Meilensteine waren deshalb natürlich, dass die einzelnen Technologien tatsächlich funktioniert haben, die Kunden die Produkte wirklich annehmen und es teilweise mehrere Tausend Bestellungen pro Tag gibt.
Wenn du dir etwas ausdenkst, ist es erst mal nur eine elektrische Ladung in deinem Gehirn und fünf Jahre später ist das dann wirklich da, obwohl so ziemlich jeder sagt, dass es nicht geht, manchmal sogar dein eigenes Team – ist das ein Meilenstein.
Das war bei unserer Bio-Raffinerie so, das ist bei unserer Ölanlage so und das ist jetzt auch bei WASTX Plastic so. Deshalb sind das eigentlich die drei großen Meilensteine – immer wenn eine Technologie serienreif dasteht und läuft.
Wenn du sagst: Wir machen Dinge, von denen andere behaupten, sie würden nicht funktionieren, wie geht ihr dann an die Forschung und Entwicklung heran?
Das ist ein ganz simples Prinzip. Du baust zuerst etwas auf und suchst dir dann Leute, die meinen, mitmachen zu wollen. Mittlerweile haben wir die eigentlich alle selbst im Team. Dann bauen wir eine Laboranlage. Wenn die funktioniert und wir auch wissen, wie das Verfahren funktioniert, bauen wir einen Prototyp und wenn der fertig ist und funktioniert, dann bauen wir eine Nullserienanlage. Das heißt, sie kann alles, was die spätere Serie kann, sieht nur nicht so hübsch aus. Von da aus geben wir das Projekt in die Serienfertigung. Wir haben also ein eigenes Serienfertigungssystem gebaut, wo wir jede Anlage, die wir entwickeln, dann auch in großem Maßstab herstellen können.
Ihr setzt mit Plastikmüll vor allem an dem Punkt an, wo man ihn weiterverarbeitet. Kritische Stimmen würden da vielleicht sagen: Muss der Ansatz nicht eher sein, weniger Plastikmüll zu produzieren? Was würdest du darauf antworten?
Ich sehe da drei Stufen: Die erste Stufe ist Vermeiden. Wir müssen als Gesellschaft davon wegkommen, alles dreimal in Plastik einzupacken. Das ist natürlich das Wichtigste; passiert aber nie. Gerade während der Corona-Pandemie ist der Plastik-Konsum ja wieder drastisch angestiegen. Deshalb passiert es einfach nicht.
Die zweite Möglichkeit ist dann Verwerfen. Also Recyclinganlagen, die aus dem Plastik durch Sortierung, Reinigung und Granulierung wieder Granulat machen können. Das ist ein etablierter Prozess, der zumindest in Deutschland 20 bis 30 Prozent des Plastikmülls recycelt; der Rest wird auch hierzulande verbrannt.
Die dritte Lösung muss deshalb das sein, was wir machen. Die Stärke unseres Systems liegt darin, dass wir Sachen verarbeiten können, die nicht mehr recycelt werden können. Beispielsweise, weil Plastik zu schmutzig ist oder durch Salzwasser oder Sonneneinstrahlung geschädigt wurde. Alles, wo mehrere Plastikschichten übereinander sind, zum Beispiel bei Kaffeekapseln, kann durch klassisches Recycling nicht getrennt werden.
Und über unser Verfahren, wo wir das Plastik quasi herausdestillieren, ist die einzige Möglichkeit, auch verschmutztes Plastik wiederzubeleben. Wir machen quasi das, was die Natur über Millionen von Jahre macht, nur eben in ein paar Minuten. Mit Druck und Hitze können wir die Ölprodukte wieder in Rohöl zerlegen und automatisch die Störstoffe entfernen. Das ist das Besondere an dem Verfahren und deshalb steigen gerade alle großen Player mit in diesen Markt ein.
Auf eurer Website heißt es, dass ihr der führende Think-Tank für Umweltprobleme werden wollt. Wie genau wollt ihr das denn erreichen?
Wir nehmen uns ein Problem, lösen das, machen daraus ein Geschäftsmodell und betreiben es dann entweder weiter – wie im Fall unseres Öko-Düngers – oder verkaufen es an jemanden, der es dann im großen Maßstab weltweit mit uns gemeinsam ausrollt. Aus den Erlösen gehen wir die nächsten Probleme an.
Wir haben beispielsweise schon Ideen dafür, was wir nach WASTX Plastic machen wollen und wir sehen uns immer nur als Entwickler, eben als Think-Tank, der die Probleme adressiert, die Lösungen sowie Systeme baut und Geschäftsmodelle verkauft. Wir machen quasi aus einem Problem ein profitables Geschäftsmodell. Denn wir glauben: Im großen Maßstab verbreitet sich etwas immer nur dann, wenn es für den, der es kauft, profitabel ist.
Deswegen sind unsere Anlagen auch immer Investment-Produkte für unsere Kunden. Sie verdienen damit Geld und das wissen sie auch. Da wir dieses Prinzip schon seit Jahren verfolgen, haben wir eine gewisse Routine entwickelt und schnappen uns nach dem aktuellen Plastik-Thema das nächste große Problem.
Eure Mission ist es, massive Umweltveränderungen herbeizuführen. Denkst du, dass eure Maßnahmen dafür reichen oder inwiefern braucht es dafür auch Maßnahmen, die von Politik und Gesellschaft ausgehen?
Was wir tun, kann man vielleicht ein bisschen damit vergleichen, was Tesla gemacht hat, ohne dass ich uns mit Tesla vergleichen will. Aber Tesla hat bewiesen, dass es sexy sein kann, ein Elektroauto zu fahren und im Prinzip einen Stein ins Rollen gebracht, der jetzt von allen anderen kopiert wird. Und jetzt passiert wirklich was auf der Welt.
Ich sehe unsere Lösungen auch als Umdenk-Projekte, wo man einfach zeigt: Nein, ihr müsst nicht mit fossilem Dünger eure Felder düngen. Nein, ihr müsst Altöl nicht in den Gulli oder ins Meer schütten, ihr könnt daraus ein profitables Produkt machen. Stattdessen sollen unsere Kunden sehen, dass Plastikmüll eine der größten Ressourcen der Welt ist und wir die Technologie dafür bereitstellen können, um daraus eine profitable Lösung zu machen.
Allerdings brauchen wir auch die Hilfe der Politik, die es gerade im Bereich Plastik aber auch gibt. Es wurden beispielsweise Strafzahlungen für fossiles Plastik eingeführt und die Leute wissen mittlerweile, dass Plastikmüll ein Problem ist. Das war vor acht Jahren noch anders; da war das noch völlig unterm Radar. Mittlerweile wissen wir Bescheid über Meeres- und Mikroplastik und haben deshalb auch massive Unterstützung und haben zumindest von der Öffentlichkeit massive Unterstützung.
Aber trotzdem sind wir da natürlich noch ganz am Anfang und es muss noch viel mehr passieren, was die Vermeidung von Plastik angeht. Da hilft es uns nicht, wenn wir Einwegstrohhalme verbieten. Wir müssen da noch viel weiter denken und überlegen, wie wir abbaubares Plastik für Verpackungen nutzen können. Wir sollten außerdem hinterfragen, ob wirklich jedes Produkt einzeln eingepackt sein muss. Da muss noch mehr passieren, aber es geht auf jeden Fall in die richtige Richtung. Ich bin da absolut optimistisch, dass wir das Problem als Gesellschaft knacken.
Was war für dich die größte Herausforderung auf deinem Weg mit Biofabrik?
Das Geld. Die Finanzmärkte und das Wagniskapital muss umdenken. Wir müssen weg davon, nur IT-Firmen zu finanzieren. Weil es eben so schön skalierbar ist, investieren die Venture Capital Fonds und auch die Politik gern in Software. Und ich behaupte: Software kann die Welt nicht retten.
Wir brauchen Hardware, um die Welt zu retten. Wir müssen Plastik aus den Meeren holen, wir müssen Plastik an sich verarbeiten, wir müssen CO2 aus der Luft holen, wir brauchen intelligente Roboter, die die Felder für uns bestellen. Deshalb sollten wir in Hardware und in gute Umwelttechnologie investieren. Dafür müssen die Wagniskapitalgeber mehr Mittel bereitstellen. Dann passiert auch mehr an der Front.
Es ist so schwer, in Deutschland Technologie zu entwickeln. Man bekommt keine Genehmigung schneller, damit sich zügig etwas ändert, sondern man muss den gesamten Industriezulassungsprozess wie eine Standardanlage durchlaufen, während das in den USA völlig anders ist. Deswegen passiert bei uns nichts.
Ich könnte stundenlang darüber reden, wie schwer es war, unsere eigenen Maschinen zuzulassen, teilweise hat es jahrelang gedauert.
Also zusammenfassend: Das Kapital muss sich mehr auf Technologie konzentrieren und dafür mehr Mittel bereitstellen. Und die Politik muss es Start-ups einfacher machen, ihre Entwicklung auch schnell voranzubringen. So kann ihnen auf der Überholspur der Rücken freigehalten werden. Denn den Pain, den wir zehn Jahre durchlitten haben, den tut sich kein normaler Mensch an: Du bekommst weder Geld noch Support von der Regierung und das ist scheiße.
Nachhaltigkeit und Technologien wird in meinen Augen oft nicht zusammengedacht. Hast du das Gefühl und wenn ja: Woher könnte es kommen?
Ich denke, dass sich das ändert. Ich glaube umso mehr junge Unternehmen jetzt in den Technologie-Bereich wechseln, desto mehr wird es auch mitgedacht. Wir tun das schon und viele andere auch. Im Großanlagenbau ist wahrscheinlich noch ein bisschen Konservativität im Spiel, aber meiner Meinung nach kann man das künftig nur zusammendenken. Das passiert beispielsweise bei der ESG-Thematik, also die Fonds, die nur noch in nachhaltige Projekte investieren dürfen – das erlebt gerade einen riesigen Boom. Und man muss sagen: Dort, wo das Geld hingeht, entsteht die Entwicklung.
Vor zehn Jahren gab es keine Elektroautos, also hat sich zu diesem Zeitpunkt auch niemand um die Entwicklung von Batterien gekümmert. Jetzt arbeiten mindestens tausend Firmen weltweit an Batterien, weil die Konsumenten das immer mehr wollen, immer mehr einfordern, dass Autos komplett recycelt werden oder dass Plastik komplett recycelt wird. Und im Endeffekt werden die Produkte gekauft, die zu 100 Prozent aus recyceltem Plastik bestehen.
Genau das werden die Kunden und Konsumenten in Zukunft immer mehr nachfragen und darüber wird die Wende kommen. Ich glaube, dass zuerst der Konsument die Politik und die wiederum die Industrie zwingt. So war es schon immer, nur mit dem Unterschied, dass es jetzt mit einer deutlich erhöhten Geschwindigkeit geschieht. Auch, weil durch die sozialen Medien und die schnelle Lesbarkeit von Volksmeinungen die Politik sehr viel schneller reagieren kann.
Wenn ich begeistert von eurer Idee bin und sie unterstützen möchte, gibt es dafür irgendeine Möglichkeit?
Jein. Zum einen haben wir Endkundenprodukte, die man sich online bestellen kann – das hilft uns natürlich.
Zusätzlich wird es in ein paar Wochen möglich sein unsere Projekte über Crowdinvesting zu unterstützen – dann können uns auch Privatleute helfen. Wir machen gerade nach zehn Jahren unsere erste Finanzierungsrunde, weil es bis vor Kurzem in Deutschland kein Geld für so verrückte Ideen gab, wie wir sie hatten. Da muss man eben immer erst beweisen, dass man es schafft.
Ansonsten hilft es uns natürlich, wenn die Leute darüber reden, dass es uns gibt und sie vielleicht auch Druck in ihren Gemeinden machen und anregen, dass Plastikmüll auch sinnvoll genutzt und umgewandelt werden kann. Im Prinzip: Aufklären. Das hilft uns!
Danke Oliver für das Gespräch!
Titelbild: Biofabrik