Die Superkraft-Zierfische

das ist ein GNM+ ArtikelZebrafische haben mathematische Fähigkeiten

von | 10. April, 2023

Zebrafische haben ein Gefühl für Zahlen und können ihr eigenes Herz regenerieren.

Wer hätte gedacht, dass ein Zierfisch so viel für die Forschung mit sich bringt? Der Zebrabärbling (Danio Renio), welcher im Alltag häufig als Zebrafisch bezeichnet wird, ist seit geraumer Zeit ein geeigneter Modellorganismus zur Untersuchung von Erkrankungen des Menschen. 70 Prozent der Zebrabärbling-Gene gibt es in ähnlicher Form beim Menschen. Die Fischart weist somit eine hohe genetische Ähnlichkeit zu Säugetieren auf.

Zudem kann der Zebrabärbling Flossen, Haut, Nieren, Gehirn und auch sein Herz nach Verletzungen wieder regenerieren und ist von großer Bedeutung in der Untersuchung von Erkrankungen der Menschen. Zuletzt zeigt eine Forschung, dass der gestreifte Fisch noch mehr kann. Zebrabärblinge weisen hochentwickelte mathematische Fähigkeiten auf. Was bedeutet das für die Forschung?

Der Superfisch Zebrabärbling

Der gestreifte Zierfisch namens Zebrabärbling gehört zu einer Gruppe der Karpfenfische und steckt voller Wunder. Das einfache Genom, die schnelle Fortpflanzung und die einfache Haltung des Fisches eignen sich perfekt zur genetischen Manipulationsstudie. Bis zu 500 Eier kann das Zebrabärbling-Weibchen in einer Woche legen. Dabei sind die Fischeier durchsichtig und ermöglichen den Forschenden, die Entwicklung der Organe in der Petrischale zu beobachten und zu beeinflussen. Auch die Zebrabärbling-Larven sind bis zur sechsten Woche durchsichtig und erlauben das Hineinblicken in die Tiere, ohne sie verletzen zu müssen.

Aus diesen und vielen weiteren Gründen wird der Zebrabärbling in der Forschung weitflächig eingesetzt und ist weltweit in mehreren tausend Forschungslaboren ein fester Bestandteil. In Karlsruhe gibt es bereits das Europäische Zebrafisch-Ressourcenzentrum (EZRC), welches den Wissenschaftler*innen den Gang zur Zoohandlung erspart.

Zebrafisch
Zebrabärblinge können ihre Flossen, Haut, Herz, Retina und Gehirn regenerieren. Bild: Pixabay


Das wohl faszinierendste an dem kleinen Fisch sind seine regenerativen Fähigkeiten. Das Abkappen der Schwanzflosse oder das Erleiden eines Herzinfarktes bedeuten im Leben eines Zebrabärlings keine Narben. Die Selbstheilungskräfte des Fisches sind erstaunlich stark und helfen den Unterwassertieren,Flossen, Herz- und Sehmuskel wieder nachwachsen zu lassen. Die medizinische Forschung ist an dieser Fähigkeit wohl am meisten interessiert und setzt sich seit Jahren mit der Regeneration auseinander. Im Zentrum für Regenerative Therapien Dresden wurde die Ursprünge der Regeneration bei Verletzungen im Gehirn der Fische untersucht.ie Forschenden konnten so den Signalweg identifizieren, welcher die Regeneration auslöst.

Ein Forschungsteam der Universität Heidleberg, des Deutschen Krebsforschungszentrum und des Max-Planck-Insititutes für Herz- und Lungenforschung studierten das Herz des Zebrafisches und forschten nach der vollständigen Heilung des Herzens nach einem Infarkt. Ein akuter Herzinfarkt beim Menschen kann nach heutigem Medizinstand gut behandelt werden, jedoch bleibt die Folge einer Herzinsuffizienz.

Das bedeutet, dass das Herz nicht mehr in der Lage ist, den Körper mit genug Sauerstoff zu versorgen. An diesem Punkt werden die Superkräfte des Zierfisches erneut relevant. Entfernt man 20 Prozent des Herzmuskels eines Zebrabärblings, regeneriert der Fisch sein Herz innerhalb von 60 Tagen vollständig. Könnte der Mensch das vernarbte Gewebe komplett durch neu gebildete Herzmuskelzellen ersetzen, wäre das ein Meilenstein in der Medizin. Zebrabärblinge leisten also einen gewichtigen Beitrag für die kardiologische Forschung.

Mathematische Fähigkeiten 

Mit den regenerativen Fähigkeiten war es das noch lange nicht, denn eine neue Studie, welche im März 2023 veröffentlicht wurde, zeigt nun: Zebrabärblinge haben schon im Larvenstadium mathematische Fähigkeiten. Dies bedeutet nicht direkt das Beherrschen des kleinen 1×1, jedoch die Wahrnehmung von Kardinal- und Ordinalzahlen.

Die im März 2023 veröffentlichte Studie im Fachmagazin Communications Biology, kam zu dem Ergebnis, dass Zebrafischlarven ein Gefühl für Zahlen haben und zu größeren Mengen tendieren. Das Forschungsteam untersuchte, ob die frisch geschlüpften Fische Unterschiede in der Anzahl von vertikalen schwarzen Balken an ihren Aquarienwänden erkennen konnten.

Dafür wurden 360 Larven in verschiedenen Becken aufgezogen, deren Wände mit einem Muster aus unterschiedlich dicken und unregelmäßig verteilten vertikalen Balken bedeckt waren, oder aber in weißen Becken. Nach etwas mehr als einem Tag setzte das Forschungsteam jeweils 30 Larven in die Mitte eines separaten Beckens. An den Wänden dieser Becken wurde eine unterschiedliche Anzahl von bis zu vier schwarzen Balken aufgedruckt.

Es war zu beobachten, wie der Großteil der frisch geschlüpften Larven zu den Wänden mit einer größeren Balkenanzahl schwamm. Von den Larven, die die Wahl zwischen Wänden mit einem und vier Balken hatten, wählten 66,5 Prozent die Wand mit den vier und somit höheren Anzahl an Balken. Die Forschenden schlossen daraufhin, dass Zebrafischlarven ein Gefühl für Zahlen haben und zu größeren Mengen tendieren.

Auch ausgewachsene Zebrafische haben nachweislich hohe mathematische Kenntnisse. Sie können beispielsweise die größere von zwei Gruppen erkennen (etwa, wenn erwachsene Männchen Gruppen von Weibchen auswählen) oder den zweiten Korridor in vielen ähnlichen Fällen erkennen, wenn dieser zu den Gefährten führt.

Wie bei allen Forschungen bedarf auch diese Studie Kontrollexperimente zur Sicherstellung der Ergebnisse. Es sei noch nicht vollständig belegt, dass Tiere echte numerische Informationen verwenden oder ob sich die Tiere auf nicht-nummerierte physikalische Merkmale des Reizes verlassen, wie etwa bei dem Beispiel mit den Balken.

Rechenschwäche durch Zebrafische besser verstehen

Die Hirnlateralisation beschreibt erhöhte Verarbeitungsgeschwindigkeit und -effizienz des Gehirns durch die funktionale Aufteilung auf die linke oder rechte Gehirnhälfte. Kurz und heruntergebrochen: Wer Informationen besser im Gehirn aufgeteilt hat, kann schneller denken. Lange Zeit wurde dieses Phänomen als einzigartiges Merkmal des Menschen betrachtet und so die kognitive Überlegenheit des Menschen begründet. Es zeigte sich jedoch, dass die Hirnlateralisation auch im Tierreich weit verbreitet ist.

Auch hier kommen die Zebrafische ins Spiel, da sie lateralisierte Verhaltensweisen und ausgeprägte neuroanatomische Asymmetrien vorzuweisen haben. Miletto Petrazzini forschte an Zebrafischen an der Lateralisation für die Verarbeitung von Zahlen, um die Verbindung zu Beeinträchtigungen wie Dyskalkulie (auch Rechenschwäche genannt)  erklären zu können. Die Ursachen von kognitiven Dysfunktionen wie beispielsweise Rechenschwäche waren lange ungeklärt und konnten nur vage mit der Lateralisation in Verbindung gebracht werden.

Petrazzini meinte, dass das Ergebnis ihrer Forschung an den Zebrafischen dafür spricht, dass eine gestörte Lateralisation des Gehirns bei kognitiven Dysfunktionen ursächlich sein könnte. In anderen Worten bedeutet das, dass beispielsweise eine Rechenschwäche durch die gestörte Asymmetrie der Links-Rechts-Verteilung im Gehirn entstehen kann.

Die Zebrafische mussten im Experiment den größeren Schwarm im Becken wählen, was sie aufgrund ihrer mathematischen Fähigkeiten wissentlich beherrschten. Die Forscherin beobachtete jedoch, dass Zebrafische, deren Hirnasymmetrie genetisch verändert wurde, durch den Verlust der Asymmetrie leistungsunfähiger waren und oftmals den kleinen Schwarm wählten. Ihre Hypothese galt damit als bestätigt.

Forschungen wie diese machen deutlich, wie sehr der mathematische Superfisch für die medizinische Forschung von Bedeutung ist. Präventivmaßnahmen für Krankheiten und tiefer liegende Abläufe des Gehirns können an den Fischen erforscht und im Idealfall auf Menschen übertragen werden.

Beitragsbild: Pixabay

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Mara Betjemann

Mara Betjemann ist Redakteurin bei Good News Magazin und freie Autorin. Sie ist der Meinung, dass Medien maßgeblich das Denken vieler Menschen beeinflussen und genau deswegen positiver Journalismus noch viel mehr etabliert werden sollte. Neben dem Schreiben für Good News Magazin, studiert sie Sozialwissenschaften in Düsseldorf und genießt das Leben im Rheinland.

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