einen wichtigen Unterschied zwischen „Niksen“ und verbreiteten Achtsamkeitsübungen oder Wellness, er- klärt Mecking: „Es geht darum, den Gedanken loszu- lassen, dass am Ende ein Ergebnis stehen muss.“ Vieles, was wir tun, zielt darauf ab, dass wir einen Ef- fekt davon spüren oder etwas geschafft haben. Wir ge- hen spazieren, um auf unsere tägliche Schrittzahl zu kommen oder weil Bewegung gut für unseren Körper ist. Wir meditieren, um danach ausgeglichener zu sein. Wir nehmen ein Entspannungsbad, um uns danach entspannter zu fühlen. Alles absolut legitim. Aber manchmal, so Mecking, sollten wir eben auch Dinge tun, ohne damit etwas bezwecken zu wollen. Und wenn wir einfach so dasitzen und Löcher in die Luft starren, ohne dabei auf unsere Atmung zu achten, ist das ebenso gut. Oder vielleicht noch besser. Allerdings fällt es den meisten von uns sehr schwer, einfach „nichts“ zu tun. „Viele Menschen sagen mir, dass sie sich schuldig fühlen, weil sie es nicht schaffen, nichts zu tun“, erklärt Mecking. Warum aber ist das so? Eine Antwort hat der US-amerikanische Sozialpsycho- loge Devon Price. Er nennt sie die „Faulheits-Lüge“. Die Faulheits-Lüge In seinem Buch „Laziness does not exist“ (dt.: „Faulheit gibt es nicht“) argumentiert Price, dass wir alle mit einer Lüge aufwachsen, die tief in unserer heutigen Gesellschaft verwurzelt ist. Diese Lüge von der Faul- heit, oder „Laziness Lie“ besagt ihm zufolge, dass „harte Arbeit Entspannung moralisch überlegen ist und Menschen, die nicht produktiv sind, weniger inne- ren Wert haben als produktive Menschen. Es ist ein unausgesprochenes, aber gemeinhin verbreitetes Sys- tem aus Ideen und Werten“ (S. 15). Die drei grundlegenden Glaubenssätze der „Laziness Lie“ sind demnach: 1. Dein Wert ist deine Produktivität 2. Du kannst deinen eigenen Gefühlen und Grenzen nicht trauen 3. Es gibt immer mehr, was du tun könntest Was aber macht dieses Mindset mit uns? Laut Price führt es vor allem dazu, dass wir ständig über unsere Grenzen hinausgehen und bereit sind, unser psychi- sches und körperliches Wohlergehen hinten anzustel- len, solange wir nur genug leisten. Im schlimmsten Fall bis zum Burnout oder bis unser Körper die Notbremse zieht und uns durch Krankheiten, geschwächte Im- munsysteme oder Herzrasen daran erinnert, dass wir dringend eine Pause brauchen. Was wir als „faul sein“ verstehen, kann uns vor genau diesen Konsequenzen schützen. Es ist gleichzeitig ein wichtiges Signal, auf unseren Körper zu hören und ein oft unbewusster Weg, das zu tun, was unser Körper und unser Geist gerade brauchen. „Wir müssen keine Angst haben, ,faul‘ zu sein. Faulheit existiert nicht“ (S.10) Bereits 1883 forderte der französische Soziologe Paul Lafargue ein „Recht auf Faulheit“. Zu viel Arbeit mache den Menschen kaputt, schrieb er, während ein Arbeits- umfang von drei bis vier Stunden am Tag bereichernd sei und zu allgemeinem Fortschritt, Gesundheit, Freude und Zufriedenheit führe. Price geht noch einen Schritt weiter: Laut ihm gibt es Faulheit gar nicht. Denn Verhalten, das wir als „faul“ bezeichnen, sei oft genau das Gegenteil. Viele Men- schen schieben beispielsweise Sachen vor sich her, wenn sie sie besonders gut machen wollen. Sie sind also nicht faul, sondern eher perfektionistisch. Andere Menschen haben psychische Erkrankungen oder sind ausgebrannt, weil sie sich zuvor zu viel aufgeladen ha- ben. Kurz: Die meisten Menschen, die wir als „faul“ be- zeichnen, führen Kämpfe, die wir nicht kennen kön- nen. „Faulheit“ zu entstigmatisieren, ist unabdingbar, um ihnen, aber auch uns selbst gegenüber, verständ- nisvoller und fürsorglicher zu werden. Der Glaube, dass Arbeit unseren Wert definiert und harte Arbeit zum Erfolg führt, ist ein Resultat aus puri- tanistischen und kapitalistischen Glaubenssystemen, erklärt er weiter. Heute hat sich dieses Denken in fast allen kapitalistischen Gesellschaften weltweit etab- liert, besonders in den USA, wo der Mythos vom „American Dream“ allen Menschen Erfolg verspricht, wenn sie nur hart genug arbeiten. Der geheime Chefdirigent unseres Gehirns Wer davon noch nicht überzeugt ist, dem mag die wis- senschaftliche Sicht auf Dinge helfen. Denn spannen- derweise tun wir eigentlich nie „nichts“. Unser Gehirn macht nie wirklich Pause. Es arbeitet nicht einmal langsamer, wenn wir uns entspannen, tagträumen, oder im Zug einfach nur aus dem Fenster schauen. Good News Magazin 93