Mini-Wälder für Mensch, Tier und Klima

Mit Miyawaki-Wäldern zu grüneren Städten

von | 12. Mai, 2022

Schnellwachsende Wälder auf kleinstem Raum: so soll die Miyawaki-Methode einen Beitrag zu Klimaschutz und Artenvielfalt leisten.

Sie wachsen in enormem Tempo und auf minimalem Platz, brauchen kaum Pflege und erhalten die Vielfalt der natürlichen Vegetation der Region aufrecht: Miyawaki-Wälder, auch Tiny Forests genannt, finden in vielen Teilen der Welt immer größeren Zuspruch. Auch in Deutschland gibt es sie inzwischen, 2019 entstanden zwei Miyawaki-Wälder in Bönningstedt, Schleswig-Holstein, 2020 folgte in Brandenburg mit dem „Wald der Vielfalt“ der nächste Mini-Wald nach Miyawaki-Vorbild. Wenn sie richtig eingesetzt wird, kann die Methode einen großen Beitrag dazu leisten, unser Stadtbild grüner zu machen.

In Rekordzeit vom Brachland zur grünen Oase

Nachhaltige Stadtwälder in kürzester Zeit, das ist das Ziel und Versprechen der Miyawaki-Methode. Genauer gesagt soll laut ihrer Verfechter:innen bereits drei Jahre nach der Pflanzung der Setzlinge ein „völlig autarker, natürlicher und einheimischer Wald“ entstehen. Doch wie genau ist das möglich?

Die Antwort liegt in der extrem hohen Bepflanzungsdichte: Bei der Miyawki-Methode werden die Setzlinge bis zu 30 Mal enger gepflanzt als auf herkömmlichen Plantagen. Das beschleunigt das Wachstum der jungen Bäume und Sträucher, die im Wettbewerb um das Sonnenlicht nach oben streben. Innerhalb von 20 bis 30 Jahren soll so ein natürlicher Wald entstehen, wie er sich sonst in einer Zeitspanne von über 200 Jahren entwickelt. 

Hinter der Methode und ihrem Namen steht der japanische Ökologe Akira Miyawaki. Er setzte sich in den 1970er Jahren das Ziel, ungenutzte Flächen in der Stadt mit degradierten Böden zu neuem Leben zu erwecken und schuf die ersten Tiny Forests. Viele davon waren nicht größer als die Fläche von sechs Parkplätzen und so dicht, dass man sie kaum betreten konnte: Ein urbaner Urwald im Mini-Format.

Eine aufstrebende Bewegung

Dabei ist die Bezeichnung „Urwald“ durchaus wörtlich zu verstehen: Für Miyawaki ist es essenziell, dass die geschaffenen Wälder das widerspiegeln, was er als „potenzielle natürliche Vegetation“ bezeichnet, also eine Vielfalt einheimischer Pflanzen, wie sie ohne menschliche Einwirkung in einer bestimmten Vegetationszone wachsen würden. Darum werden bei der Methode nur Pflanzen ausgewählt, die in den jeweiligen geoklimatischen Verhältnissen ursprünglich vorkommen. Aus  Gründen der Biodiversität werden außerdem mindestens 25 verschiedene einheimische Arten in demselben Gebiet angesiedelt.

Mit seinem Ansatz stieß Miyawaki in den letzten Jahrzehnten auf viel positive Resonanz: 2006 wurde er für seine innovative Methode und seinen Einsatz zur Wiederherstellung natürlicher Vegetation mit dem Blue Planet Prize ausgezeichnet. Weltweit entstehen immer mehr Wälder nach seinem Konzept, vorangetrieben durch Befürworter wie Shubhendu Sharma, der, inspiriert von einer Vorlesung Miyawakis, im Jahr 2011 die Organisation Afforestt gründete. Inzwischen hat Afforestt nach eigenen Angaben 138 Wälder mit mehr als 450.000 Bäumen in 44 Städten und zehn Ländern gepflanzt.

Die Wichtigkeit natürlicher Vegetation

Natürliche Wälder sind in der Lage, rund 40-Mal mehr COzu speichern als Monokulturen und spielen damit eine große Rolle im Kampf gegen den Klimawandel. Die Miyawaki-Methode verkürzt die Zeit für das Wachstum oder die Regeneration eines Waldes unter herkömmlichen Umständen erheblich. Gerade in urbanen Regionen  tragen die Miyawaki-Wälder nicht nur durch ihre diverse Zusammensetzung zur Bewahrung der Artenvielfalt bei, sondern dienen auch als Heim für Vögel und Insekten.

Doch es gibt auch kritische Stimmen. So machen Forscher:innen darauf aufmerksam, dass es bislang kaum wissenschaftliche Erkenntnisse über die Entwicklung und Effekte der schnellwachsenden Wälder gibt. Sie betonen zudem die große Standortabhängigkeit für eine erfolgreiche Umsetzung der Methode: je nach Bodenbeschaffenheit, Klima und einheimischer Vegetation kann sie für bestimmte Regionen nur bedingt geeignet und eine unbedachte Umsetzung sogar schädlich sein.

Darum ist es so wichtig, bei Anlegung der Mini-Wälder die natürlichen geoklimatischen Verhältnisse zu berücksichtigen und die Diversität einheimischer Vegetation auszuschöpfen – das heißt, nicht nur Bäume, sondern auch Gräser, Sträuche oder beispielsweise auch Mangroven zu pflanzen. Dann, so eine Studie der Universität Wageningen, können die Miyawaki-Wälder durchaus einen Beitrag zum Klimaschutz und für größere Artenvielfalt leisten.

Das vielfältige Potenzial der Natur ausschöpfen

Natürlich sind Miyawaki-Wälder kein Allheilmittel. Doch sie sind ein Beweis für das enorme Entfaltungspotenzial unserer Natur unter den richtigen Voraussetzungen. Gerade in Städten eröffnet die Miyawaki-Methode zahlreiche Möglichkeiten, um ungenutzte Flächen binnen kurzer Zeit zu grünen Oasen umzuwandeln und so auf kleinem Raum einen Beitrag zum Klimaschutz, zur Artenvielfalt und nicht zuletzt zum Wohlbefinden aller Bewohnenden zu leisten.

Beitragsbild: Obsidian Soul via Wikimedia Commons

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Luisa Vogt

Luisa Vogt ist stellvertretende Print-Chefredakteurin beim Good News Magazin und liebt Sprachen, Reisen und das kennenlernen verschiedenster Kulturen. Beim Good News Magazin lebt sie ihre Leidenschaft für Sprache und für spannende, schöne Berichte aus aller Welt - weil die Welt viel mehr realistischen Idealismus braucht. Außerdem studiert sie nach ihrem Bachelor in Englisch und Französisch inzwischen im Master Asien- und Afrikastudien in Berlin und arbeitet als Lerntherapeutin.

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