Dr. Eckart von Hirschhausen erklärt, warum Klimaschutz immer auch Gesundheitsschutz ist

das ist ein GNM+ ArtikelMach gesund, was dich gesund macht

von | 29. März, 2023

Mit Hoffnung und Humor setzt sich Dr. Eckart von Hirschhausen für Klima und die menschliche Gesundheit ein und zeigt uns: Wir haben viel zu gewinnen.

Dr. Eckart von Hirschhausen ist ein Vielfach-Talent: Er ist Arzt, Wissenschaftsjournalist, Autor und TV-Moderator – unter anderem. Die meisten von uns kennen ihn aus dem Fernsehen von „Hirschhausens Quiz des Menschen“ zum Beispiel oder natürlich von „Frag doch Mal die Maus“. Fans der Formate schätzen Hirschhausens unvergleichliche Art, komplexe Sachverhalte, vorwiegend in Bezug auf die menschliche Gesundheit, verständlich und mitreißend lustig zu vermitteln. 

Ist die Erde gesund, ist der Mensch gesund

Nun jedoch beendet der Entertainer seine Bühnenkarriere, um sich Vollzeit und mit ganzer Kraft für die Gesundheit des Planeten einzusetzen. Als Vorreiter der Klimabewegung gründete er hierfür im März 2020 die Stiftung Gesunde Erde gesunde Menschen.

Im Namen der Initiative steckt dabei bereits der dringende Appell: Gesunde Menschen kann es nur auf einer gesunden Erde geben. Darum, so die zentrale Botschaft Hirschhausens, bedeutet Klimaschutz auch immer Gesundheitsschutz. Diese Einsicht will er nun der breiten Gesellschaft und der Politik vermitteln, mit dem gewohnten Augenzwinkern und einer ordentlichen Prise Optimismus.

Optimismus in Sachen Klima

Optimismus, wenn es ums Klima geht? Richtig gehört! Denn bei allem berechtigten Fokus auf die Auswirkungen der Krise gibt es auch viele Gründe zur Hoffnung. Im exklusiven Gespräch mit dem Good News Magazin erklärt Hirschhausen, weshalb Humor in der Klimakommunikation unerlässlich ist und wie wir unsere Welt enkeltauglich machen, wenn wir als Menschheit an einem Strang ziehen.

Exklusives Interview mit Dr. Eckart von Hirschhausen

LUISA VOGT: Seit Jahrzehnten sprechen wir über das Klima, in den letzten Jahren findet nun eine viel stärkere Auseinandersetzung mit dem Thema statt. Sowohl politisch-gesellschaftlich, aber auch auf der individuellen Ebene. Wann hat es bei Dir persönlich „Klick“ gemacht und Du hast erkannt: Da will, da muss ich vielleicht sogar aktiv werden?

DR. ECKART VON HIRSCHHAUSEN: Prägend war für mich die Begegnung mit Jane Goodall. Ich traf sie 2017 für ein Interview beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis, und diese Dame mit ihren inzwischen 88 Jahren ist eine der charismatischsten Menschen, denen ich jemals begegnet bin. Sie ging als junge Frau in den Dschungel und revolutionierte unser Bewusstsein für die Menschenaffen. Heute ist sie die weltweit bekannteste Umweltaktivistin. Sie stellte mir eine ganz einfache Frage: „Wenn der Mensch die intelligenteste Art auf dem Planeten ist – warum zerstört er dann sein eigenes Zuhause?“

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Diese Frage hat mich schlucken lassen und mir aufs Eindringlichste gezeigt, dass wir handeln müssen. Ich habe dann angefangen, mich ernsthaft mit dieser Dimension auseinanderzusetzen und habe gelernt: Die Klimakrise bedroht die Gesundheit massiv. Es ist Aufgabe von Ärzt:innen, Leben zu erhalten und dabei den Klimaschutz als Schutzfunktion zu verstehen und zu kommunizieren.

Jane war also rückblickend der Startschuss für mein Engagement im Klimaschutz. Seitdem habe ich die Scientists4Future mit initiiert, meine zweite Stiftung „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“ gegründet und viele Menschen getroffen, die im Klima- und Umweltschutz schon lange aktiv sind und mich sehr beeindrucken. Begegnungen und Gespräche, über die ich auch in meinem aktuellen Buch „Mensch Erde! Wir könnten es so schön haben.“ berichte. Jetzt beende ich meine Karriere als Bühnenkünstler, um mich voll und ganz den Aufgaben für den Klima- und Gesundheitsschutz zu widmen.

VOGT: Aktiv geworden bist Du, indem Du die Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen ins Leben gerufen hast. Euer Ansatz heißt: Klimaschutz ist Gesundheitsschutz. Warum?

VON HIRSCHHAUSEN: Die Diskussion um „Umweltschutz“ wurde viel zu lange sehr theoretisch geführt. Seit ich mich mit dem Thema Klimakrise und Gesundheit eingehender beschäftige, wird mir klar, dass es keine „Umwelt“ gibt, sondern eine Mitwelt. Unsere Mutter Erde ist krank, sie hat hohes Fieber, und das steigt weiter. Wir sind als ihre Kinder existentiell darauf angewiesen, dass wir sauberes Wasser haben, saubere Luft, gesundes Essen und eine erträgliche Außentemperatur. 

Hitzewellen und Hitzetote sind nur eine der vielen Auswirkungen der Klimakrise. Mücken, die Tropenkrankheiten übertragen, können sich in Europa und Deutschland ansiedeln. Allergien nehmen zu und die Abgase, insbesondere die kleinen Feinstaub-Teilchen, gehen durch die Lunge direkt ins Blut und tragen zu Herzinfarkt, Schlaganfall und sogar zu Diabetes bei, weil unser Körper sich in einem permanenten Abwehrmechanismus befindet. Und das Dümmste an all diesen Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit ist: Der Klimawandel ist eindeutig von uns Menschen verursacht! 

Die Klimakrise macht auch unsere Seele krank. Die Auswirkungen der Extremwetter auf die seelische Gesundheit sind ein großer blinder Fleck. Laut einer Studie des Sinus-Instituts aus dem Jahr 2022 haben zwei Drittel der Jugendlichen in Deutschland Angst vor dem Klimawandel. Kein Wunder, müssen sie doch auch am längsten mit den Klimafolgen leben. Da hilft es, ins Handeln zu kommen, und gemeinsam mit anderen an positiven Veränderungen zu arbeiten – egal in welchem Alter. Wirksam zu werden tut uns gut.

Und auch auf lokaler Ebene tut sich mittlerweile etwas: In Berlin werden im neu gegründeten Aktionsbündnis Hitzeschutz Pläne erarbeitet, wie sich Krankenhäuser und weitere Einrichtungen der Hauptstadt besser auf Hitzewellen vorbereiten können. Wenn das bundesweit Schule macht und weitere Städte und Kommunen nachziehen, wäre das ein wichtiger Beitrag .

Mit der Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen möchte ich außerdem dazu beitragen, dass die notwendige Transformation von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft neuen Schwung bekommt. Dazu brauchen wir einen frischen „Spirit“: überparteilich, kooperativ, generationsübergreifend und mit ansteckend guter Laune. Mein Team und ich arbeiten gerade unter Hochdruck an vielen Hebeln und mobilisieren die Ärzteschaft und die Pflege zu dem Thema Stellung zu beziehen, als zentrale Multiplikatoren in der Mitte der Gesellschaft. Wir arbeiten mit großen Stiftungen und Netzwerken zusammen, mit kirchlichen Organisationen, der Weltklimakonferenz und sind beim World Health Summit präsent. Ziel all unserer Aktivitäten ist es, dass der deutlichen Mehrheit unserer Gesellschaft bewusst wird: Gesunde Menschen gibt es nur auf einem gesunden Planeten.

VOGT: Ein zentraler Faktor für Dich im Einsatz für eine gesunde Erde ist gute Klima-Kommunikation. Warum ist diese so essentiell und wie können wir am besten kommunizieren, um mehr Menschen ins Boot zu holen?

VON HIRSCHHAUSEN: Genau, mir ist klar geworden, dass wir eine andere Art der Kommunikation brauchen, um die Mitte der Gesellschaft zu erreichen und für diese Mammutaufgabe zu begeistern. Das geht bei den Begriffen los: Wir müssen nicht „das Klima“ , „die Erde“ oder „die Eisbären“ retten – sondern uns! Die Erde kann gut ohne uns. Wir aber nicht ohne die Erde.

Wir müssen uns darum jetzt mit diesen Themen auseinandersetzen – und dabei den Humor nicht verlieren. Wenn es zum Beispiel um mehr öffentlichen Verkehr, mehr schnelle Züge, weniger Flüge und weniger Raser auf der Autobahn geht, empfehle ich: „Wer gerne schnell Porsche fährt, Vollgas, freie Strecke und das auch noch emissionsfrei in der Elektro-Variante: Wie wäre es mit einer Carrera-Bahn?“

VOGT: Wir sprechen viel darüber, was noch getan werden muss, um die gravierendsten Folgen der Klimakrise abzuwenden. Aber vielleicht lohnt ja auch ein anderer Blick: Welche Entwicklungen gibt es bereits, die dir Hoffnung machen? 

VON HIRSCHHAUSEN: Es gibt einiges, was mir Hoffnung macht, die nächste Generation zum Beispiel. Sie denkt viele Themen selbstverständlicher und globaler und hat mit „Fridays for Future“ richtig was losgetreten. Und das nicht nur in der Politik, sondern auch im privaten Umfeld: Die Diskussionen zu Hause am Küchentisch sind ganz anders geworden, denn die junge Generation fordert regelrecht ein, dass wir Boomer – und da gehöre ich ja auch dazu – jetzt auch mit anpacken und uns einsetzen.

In den letzten drei Jahren ist viel mehr passiert als in den letzten 30 Jahren. Endlich ist der „One Health“-Ansatz ins Zentrum vieler Diskussionen gerückt. „One Health“ bedeutet, die Gesundheit von Mensch, Tier und Umwelt gemeinsam zu begreifen. Es geht erst allen besser, wenn es allen besser geht. Meine Hoffnung ist aber auch, dass wir mehr und mehr die Dinge wiederentdecken, die uns guttun und nicht an Ressourcen-Verbrauch gekoppelt sind.

Und dann komme ich noch einmal auf den Humor zurück, damit wir dabei nicht verbittern. Ich liebe die Plakate auf den Demonstrationen, auf denen mit einem Augenzwinkern so etwas steht, wie zum Beispiel: „Kurzstreckenflüge nur für Insekten“, „Wozu Bildung, wenn keiner auf die Wissenschaft hört?“ oder „Klima ist wie Bier – zu warm ist Scheiße!“

VOGT: Du argumentierst, dass Gesundheit, wie Klimaschutz, planetar gedacht werden muss. Welche neuen Herausforderungen, aber auch Lösungsansätze ergeben sich durch diesen globalen Denkansatz?

VON HIRSCHHAUSEN: Wir haben zu lange geglaubt, dass die Klimaveränderungen Eisbären, Meeresspiegel und ferne Länder betreffen, aber nicht uns in Europa. Doch die Pandemie hat uns am eigenen Leib gelehrt, dass „global“ eben „auch hier“ bedeutet und alles mit allem zusammenhängt. 

Immer mehr globale Organisationen wie die WHO und die Vereinten Nationen verschreiben sich darum den internationalen Konzepten „Planetary Health“ und „One Health“. Diese große „planetare“ oder „eine Gesundheit“ klingt toll, aber erstmal wenig greifbar – ein wenig wie der Weltfrieden, den alle gerne hätten, aber keiner weiß so richtig, wie wir ihn herstellen können. Aber wir wissen zum Glück längst, welche Lösungsansätze wir brauchen, und dass wir viele brauchen: 

Wildtierhandel beenden und Schutzgebiete einrichten; Treibhausgasemissionen radikal senken und Energien aus Erneuerbaren gewinnen; die Planetary Health Diet fördern, also weniger Fleisch und mehr Gemüse, Hülsenfrüchte und Nüsse auf die Teller; Antibiotika-Einsatz in der Massentierhaltung beenden, und am besten die Massentierhaltung gleich mit. Und das Beste an diesen Maßnahmen ist: Sie sind immer ein Win-Win. Sie fördern unsere globale, wie auch unsere persönliche Gesundheit.

VOGT: Covid-19 hat enorm dazu beigetragen, das Thema Gesundheit in den Fokus zu rücken. Inwieweit haben sich dadurch auch neue Türen geöffnet, Gesundheit und Klima anders zu denken?

VON HIRSCHHAUSEN: Corona ist etwas gelungen, was vorher als undenkbar galt: Die Emissionen sind gesunken! Und die Pandemie hat uns zu einem anderen Verständnis von Gesundheit verholfen. Wir haben Gesundheit viel zu lange als etwas Individuelles betrachtet. Corona erinnert uns an den Stellenwert von „Public Health“, an Gesundheitsgefahren, für die es übergeordnete Lösungen braucht.

Meine große Hoffnung ist, dass wir jetzt darüber nachdenken, welche Art von Wachstum wir denn wieder „ankurbeln“ wollen, wenn es mit sauberer Luft, mehr Fahrrad und weniger sinnlosen Flügen eigentlich viel schöner ist. Wenn uns das Überleben einzelner heute befähigt, unseren Lebensstil zu ändern, sollte das nicht auch für das Überleben der Menschheit gelten?

VOGT: Gesundheit und Klima, in den letzten Jahren ist in Bezug auf beide Themen das Wort „Krise“ ein ständiger Begleiter gewesen. Was können wir in diesen Krisenzeiten überhaupt tun, um eine Wendung zum Positiven zu bewirken?

VON HIRSCHHAUSEN: Ich werde immer wieder gefragt, was der Einzelne tun kann. Meine Antwort: Noch so kleine Schritte sind wichtig und wertvoll. Rad statt Auto, Zug statt Flugzeug und Gemüse statt Fleisch. Geld fair anlegen, Gebäude energetisch bauen und sanieren und sich in die Politik einmischen. Jede und jeder wird gebraucht, mit Fähigkeiten, Netzwerk, Herz und Hirn.

Aber das Wichtigste, was ein Einzelner tun kann, ist, kein Einzelner zu bleiben! In meinem Buch „Mensch, Erde!“ beschreibe ich die „Wen bewegst du“-Challenge. Jeder kennt jemanden, der jemanden kennt. Die konkrete Frage, die sich jeder stellen kann, lautet also: An wen komme ich heran, der ein bisschen mehr Möglichkeiten hat, etwas zu ändern, als ich es mir selbst gerade zutraue?

Also schließt euch zusammen, in der Firma, in der Schule, im privaten Umfeld, redet miteinander, macht euch schlau, findet Verbündete. Und noch mal: Bleibt nicht alleine. Der Einzelne hat die größte Wirkung, wenn er kein Einzelner bleibt! 

VOGT: Eines der Schlagwörter in Eurem Einsatz ist „enkeltauglich“. Was ist Deine Vision für eine Zukunft, in der unsere Enkel gesund aufwachsen?

VON HIRSCHHAUSEN: Es gibt ein Zeitfenster von wenigen Jahren, in dem wir entscheiden können, ob wir dauerhaft und unwiderruflich das Erdsystem überhitzen oder eine enkeltaugliche Welt erschaffen. Wissenschaft allein verändert kein Verhalten und führt nicht zu den politischen Entscheidungen, die jetzt notwendig sind, um die Not zu wenden.

Gesamtgesellschaftlich brauchen wir dafür neue Formen des Zusammenlebens, weniger Konkurrenz, mehr Kooperation und Gemeinwohlorientierung. Statt wie in den 1980er-Jahren die „Selbstfindung“ als das wichtigste Projekt seines Lebens anzusehen, könnte es heute genau um das Gegenteil gehen: Weniger Ego und Optimierung, mehr Hingabe und Bereitschaft zu teilen. Damit ließen sich zwei Dinge verbinden: Die Rettung der eigenen seelischen Gesundheit und die dringend notwendige Reduktion unseres Ressourcenverbrauchs.

Trotz aller Krisen können wir noch einen guten Weg einschlagen, wenn wir schnell und konkret ins Handeln kommen. Oder medizinisch gesprochen: Wir haben die Diagnose, jetzt können wir mit der gezielten Behandlung beginnen.

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Beitragsbild: Julian Engels

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Luisa Vogt

Luisa Vogt ist stellvertretende Print-Chefredakteurin beim Good News Magazin und liebt Sprachen, Reisen und das kennenlernen verschiedenster Kulturen. Beim Good News Magazin lebt sie ihre Leidenschaft für Sprache und für spannende, schöne Berichte aus aller Welt - weil die Welt viel mehr realistischen Idealismus braucht. Außerdem studiert sie nach ihrem Bachelor in Englisch und Französisch inzwischen im Master Asien- und Afrikastudien in Berlin und arbeitet als Lerntherapeutin.

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