Frau, Leben, Freiheit

das ist ein GNM+ ArtikelWeltweit Aktionen in Solidarität mit den Protesten in Iran

von | 14. November, 2022

Menschen weltweit zeigen ihre Solidarität mit den Protesten in Iran, unterstützen die Protestierenden vor Ort und sorgen dafür, dass weiterhin über die aktuellen Geschehnisse berichtet wird.

Aktuelle Nachrichten zur Situation in Iran sind oft alles andere als positiv. Trotz der Gewalt, mit der gegen Protestierende in Iran vorgegangen wird, gehen Menschen weiter auf die Straße und demonstrieren unter Einsatz ihres Lebens für ihre Rechte. Weltweit solidarisieren sich Menschen mit den Protesten in Iran, versuchen die Protestierenden zu unterstützen und dafür zu sorgen, dass die Geschehnisse vor Ort mehr Aufmerksamkeit bekommen und nicht in Vergessenheit geraten. Wir haben Aktionen gesammelt, die weltweit in Solidarität mit den Menschen in Iran stattfinden, Hoffnung geben und zeigen, wie wichtig es ist, nicht einfach wegzuschauen. 

Was ist passiert?

Seit fast zwei Monaten wird über die Proteste in Iran berichtet. Auslöser für die Proteste war der Tod der 22-jährigen iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini. Sie wurde von der Sittenpolizei festgenommen, da sie ihre Haare nicht vorschriftsgemäß mit ihrem Kopftuch bedeckte. Das iranische Gesetz sieht vor, dass Frauen ihr Haar in der Öffentlichkeit bedecken und keine eng anliegende Kleidung tragen. Drei Tage nach der Festnahme, am 16. Oktober, war Jina Mahsa Amini tot.

Offiziellen Berichten zufolge sollen Vorerkrankungen zu ihrem Tod geführt haben – dass diese Darstellung wahr ist, wird jedoch bezweifelt. Stattdessen wird von Gewalt durch die Sicherheitskräfte ausgegangen. Seitdem gehen die Menschen in Iran auf die Straße und protestieren trotz massiver Gewalt gegen die Demonstrierenden weiter für grundlegende Frauenrechte und gegen das Regime. 

Oft wird im Zusammenhang mit den aktuellen Protesten auch von einer Revolution, beziehungsweise einer feministischen Revolution gesprochen. Die feministische Parole in kurdischer Sprache „Jin, Jiyan, Azadî“, auf Deutsch „Frau, Leben, Freiheit“, die seither überall zu hören und zu sehen ist, wird bereits seit Jahrzehnten von der kurdisch-feministischen Bewegung in Iran sowie auch in anderen kurdischen Gebieten verwendet.

Und nicht nur in Iran finden ununterbrochen Demonstrationen statt – weltweit solidarisieren sich Menschen mit den Protesten.

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Demonstration in Santa Monica. Foto: unsplash, Craig Melville

Demonstrationen, abgeschnittene Haarsträhnen und weltweite Solidaritätsbekundungen

Weltweit finden seit Beginn der Proteste in Iran Demonstrationen statt – die wohl bekannteste davon am 22. Oktober in Berlin. Dort versammelten sich über 80.000 Menschen verschiedenster Hintergründe und Altersgruppen an der Siegessäule, um ihre Solidarität zu zeigen. An den Straßenrändern standen Sprayer:innen, die Pappschilder mit Slogans besprühten und den Demonstrierenden übergaben, Freiwillige teilten Briefe aus, die an die Behörden geschickt werden können, um Druck auf die Politik auszuüben. 

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Eine Woche darauf, am 29. Oktober, kamen Protestierende in Großstädten auf der ganzen Welt erneut zusammen. Von Toronto über London, Turku oder Köln bis nach Sydney formten sie menschliche Ketten zum Ausdruck ihrer Solidarität.

Informationen, Bilder und Videos von Demonstrationen weltweit werden vermehrt in sozialen Medien geteilt. Der Hashtag #mahsaamini wurde im ersten Monat nach dem Tod von Jina Mahsa Amini mehr als 250 Millionen Mal auf Persisch und mehr als 50 Millionen Mal auf Englisch getwittert und retweetet.

Ein weiteres Zeichen der Solidarität ist das Abschneiden der Haare. So schneiden sich in einem Video etwa 50 Französinnen Haarsträhnen ab. Und auch die schwedische Abgeordnete Abir Al-Sahlani schnitt sich bei einer Rede im EU-Parlament mit den Worten „until the women of Iran are free, we are going to stand with you“ ihre Haare ab. Kim de l’Horizon rasierte sich als Ausdruck der Solidarisierung bei der Verleihung des Deutschen Buchpreises auf der Bühne den Kopf.

In einem offenen Brief auf Deutsch, English, Farsi und Sorani haben mehr als 600 Kulturschaffende den Protestierenden Unterstützung ausgesprochen. Seit dem 30. Oktober prangt zudem an der Neuen Nationalgalerie in Berlin das Selbstporträt “Unveiling” (Deutsch: Enthüllen/Entschleiern) der gebürtigen Iranerin Shirin Neshat. In Farsi und Englisch ist unten auf dem Plakat der Slogan der Bewegung zu lesen: Women, Life, Freedom. Schon vorher enthüllte ein Kollektiv iranischer Künstler:innen mehrere Banner mit dem Profil Mahsa Aminis im New Yorker Guggenheim-Museum.

Weitere Aktionen zur Unterstützung der Protestierenden

Auch im Sport sind die Proteste angekommen. Die iranischen Fußballnationalspieler beispielsweise trugen beim WM-Vorbereitungsspiel gegen Senegal während der Nationalhymne Trainingsjacken, die das Landeswappen verdeckten. Bekannt wurde auch der Fall der iranischen Klettermeisterin Elnas Rekabi, die bei der Asienmeisterschaft in Südkorea ohne Kopftuch antrat. Zwar entschuldigte sie sich später auf Instagram und erklärte, dass sie das Kopftuch versehentlich vergessen hatte, jedoch ist es möglich, dass es sich dabei um eine erzwungene Stellungnahme handelte. Der Beachsoccer-Spieler Saeed Piramoon zeigte kürzlich im Finale der Weltmeisterschaften bei seinem Torjubel die als Zeichen der Antiregierungsproteste geltende Geste “Haare ab”. Das Team der Wasserballer blieb bei den Asienmeisterschaften stumm, als die Nationalhymne gespielt wurde, was als weiteres Zeichen des Protests gewertet wurde.

Angesichts der Gewalt gegen die Protestierenden in Iran hat die EU Mitte Oktober Sanktionen gegen die Sittenpolizei und weitere Verantwortliche beschlossen. Dabei wurden Einreiseverbote verhängt und Vermögen eingefroren. Die EU-Sanktionen sollen in Zukunft noch ausgeweitet und weitere Personen und Organisationen auf der Sanktionsliste hinzugefügt werden.

Joko und Klaas haben die 15 Minuten Sendezeit, die sie in der Show „Joko & Klaas gegen ProSieben“ gewonnen haben, der Situation in Iran gewidmet. Zudem haben sie ihre Instagram-Accounts den beiden Iranerinnen Sarah Ramani und Azam Jangravi übergeben, die aus Iran berichten und dafür sorgen, dass Menschen weltweit sehen, was vor Ort passiert. Durch die große Reichweite der Instagram-Accounts können sie nun noch mehr Menschen erreichen.

Spenden und Petitionen

Eine Möglichkeit aktiv zu helfen ist an Organisationen zu spenden, die die Menschen in Iran unterstützen und Petitionen zu unterschreiben. Eine Petition von Amnesty International beispielsweise forderte einen unabhängigen UN-Mechanismus, um Menschenrechtsverletzungen in Iran zu untersuchen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Weltweit unterschrieben mehr als 760.000 Menschen die Petition. Das Ergebnis: UN-Expert:innen forderten den UN-Menschenrechtsrat dazu auf eine Sondersitzung zur Einrichtung eines internationalen Untersuchungsmechanismus zu Iran abzuhalten und Annalena Baerbock kündigte an, dass sich die Bundesregierung für die Einberufung einer Sondersitzung zur Einrichtung eines UN-Mechanismus einsetzen wird.

Die registrierte Nichtregierungsorganisation HÁWAR.help hat 11 Forderungen an den Deutschen Bundestag formuliert und eine Petition ins Leben gerufen, die noch bis zum 22.11.2022 unterschrieben werden kann. Darin werden unter anderem die Aussetzung der Ausweisungen sich in Deutschland befindender iranischer Staatsbürger:innen und eine Wende in der Iran-Politik der Bundesregierung gefordert.

Die Rolle der sozialen Medien

Gerade die sozialen Medien spielen bei den aktuellen Protesten eine große Rolle. Sie ermöglichen es, dass Videos veröffentlicht werden können, die Proteste größere Aufmerksamkeit erhalten und Menschen weltweit einen Eindruck davon bekommen können, was in Iran passiert. Das Regime reagierte darauf mit einer Einschränkung des Internetzugangs, sodass die Menschen vor Ort soziale Medien wie Instagram oder Messengerdienste wie Whatsapp gar nicht oder nur erschwert nutzen können. 

Der Messengerdienst Signal rief daraufhin dazu auf, sogenannte Proxy-Server einzurichten, mit denen die Kommunikation umgeleitet werden kann und die es schwieriger machen, Nachrichten zu blockieren. Auf Twitter geben Menschen unter dem Hashtag #IRanASignalProxy bekannt, wenn sie eine Umleitung eingerichtet haben. Auch durch die Nutzung von VPNs finden die Protestierenden immer wieder Wege, Videos ins Netz zu stellen und über soziale Plattformen zu verbreiten. 

Dass die Fülle der Posts nicht abreißt, spiegelt den anhaltenden Widerstandsgeist in der iranischen Bevölkerung, die sich trotz des harten Vorgehens des Regimes nicht einschüchtern lässt. Dabei nutzen Iraner:innen innerhalb des Landes und in der Diaspora kreative Wege, um Hoffnung und Mut zu verbreiten.

Hashtags und Memes spielen eine ebenso große Rolle wie die Fülle an Grafiken iranischer Künstler:innen und der Song Baraye, auf Deutsch etwa “für …”, “dafür”, des iranischen Künstlers Shervin Hajipour. Hajipour wurde von den iranischen Autoritäten zwar gezwungen, sein Video zwei Tage nach der ursprünglichen Veröffentlichung auf Instagram zu löschen, zu diesem Zeitpunkt hatte es jedoch bereits rund 40 Millionen Aufrufe. Inzwischen ist sein Lied zur inoffiziellen Hymne des Protestes geworden; Künstler:innen wie Coldplay, Rana Mansour und Nico Santos spielten Versionen des Songs auf Englisch und Farsi. 

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Weil die sozialen Medien eine essentielle Funktion in den Protesten erfüllen, könnt ihr auch dort aktiv werden. Denn neben Demonstrationen und dem Unterschreiben von Petitionen ist es besonders hilfreich für die Demonstrierenden, wenn auch die Menschen, die außerhalb des Irans leben, informiert bleiben und das, was innerhalb des Landes geschieht, weiter verfolgen und teilen. Um so gemeinsam dafür zu sorgen, dass die Proteste in der Berichterstattung nicht in Vergessenheit geraten und im besten Fall einen Einfluss auf politische Maßnahmen zur Unterstützung zu haben.

Doch auch wenn es wichtig ist, nicht einfach wegzuschauen, sondern die Menschen vor Ort zu unterstützen: Die permanente Auseinandersetzung mit neuen Informationen, Bildern und Videos kann belastend sein. Achtet darum auch auf euch selbst, seid rücksichtsvoll mit anderen und nehmt euch, wenn ihr es benötigt, bewusst eine Pause vom ständigen Medienkonsum.

Beitragsbild: Unsplash / Craig Melville

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Sarah Zimmermann

Sarah Zimmermann studiert im Master Journalistik und Kommunikationswissenschaft in Hamburg und hat während des Studiums ihre Leidenschaft für Journalismus entdeckt. Neben wissenschaftlichen Themen interessiert sie sich – unter anderem – für alles rund um Desinformation, Nachhaltigkeit, Tierschutz und Mental Health. Und da es häufig vor allem negative Themen in die Nachrichten schaffen, findet sie es schön und wichtig, darüber zu berichten, wie viele gute Nachrichten es jeden Tag gibt.

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